188. Der Eselsbrunnen und der Steiglatscher bei Ronsberg.
An der Steig zwischen Ronsberg und Oberweiler ist ein Brunnen, den man den Eselsbrunnen heißt, und der durch folgende Geschichte seinen Namen erhalten haben soll. Der Brunnen, der ursprünglich der Steigbrunnen hieß, war einmal jahrelang ausgeblieben. Da begab es sich, daß an einem heißen Tage ein kleines Männle mit einem Esel nach Oberweiler kam und nach einem Brunnen frug, damit er das Tier, das vor Durst schrie, tränken könne. Die Leute aber waren ungut gegen das Männlein und sagten, er solle nur die Steig hinuntergehen; da sei ein Brunnen. Sie wußten aber wohl, daß der kein Wasser habe, und vermeinten, so den Fremdling foppen zu können. Das Männlein zog mit dem durstenden Esel hinab, und siehe, sogleich fing der Brunnen reichlich an zu laufen, und der Esel konnte getränkt werden. Auch lag hernach gleich ein Büschel Heu da, womit er den Hunger stillen konnte. Darauf ist das Männlein auf seinem Lasttier wieder weitergeritten. Seit der Zeit aber geht der Brunnen wieder und heißt der Eselsbrunnen, hat ein gesundes, gutes Wasser und wird hoch geschätzt.
Zu diesem Brunnen kam früher, voraus zu heiligen Zeiten, um zwölf
Uhr mittags die Steig herab ein großer Mann mit aufgestülpten
Hemdärmeln und einer Tabakspfeife im Mund. Er wusch sich, schwallte
sein Gewand im Wasser hin und her und machte sich sonst allerlei da zu
schaffen; dann verschwand er wieder. Man hieß den Mann gemeiniglich
nur den "Steiglatscher"; was es aber sonst mit ihm war, weiß
man nicht mehr.
Quelle: Allgäuer
Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen, Gebräuche und Sprichwörter
des Allgäus" ausgewählt von Hulda Eggart, Kempten und München
1914, Nr. 188, S. 194 - 195.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, März 2005.