19. Der Blauhösler.
In dem Hause des "Bauern in Königsberg", einer Einöde unweit Wenglingen bei Aitrang und Apfeltrang, hielt sich vor Zeiten ein sonderbarer Hausgeist auf, nämlich ein kleinwinziges Männle, das man wegen seiner "blauwirkenen" Hose den "Blauhösler" nannte, und der sich auf dem Gebälke des Dachraumes und Stadels herumtrieb, nachts oft Geräusch und Lärm machte, allerlei Schabernack trieb, die Leute neckte und reizte und sich oft recht mutwillig und boshaft zeigte. Man hörte ihn zuweilen nachts singen oder pfeifen, wurde aber seiner selten direkt ansichtig, weil er sich zu leicht verstecken konnte und überaus flink war. Als man in dem Hause einmal die Drescher hatte, riefen diese im Scherze noch, bevor sie zum Vesperbrote gingen, in den Stadelraum hinein: "So, Blauhösler, jetzt kannst du uns anlegen, bis wir wieder kommen!" und meinten damit, er solle ihnen eine frische Lage Garben ausbreiten, daß sie gleich weiter dreschen könnten. Als die Drescher nach kurzer Zeit wieder zurückkamen, lag der ganze großmächtige Getreidestock mitten in der Tenne aufgehäuft, daß sie alle zusammen lange Arbeit hatten, denselben zu beseitigen, und sehr über den boshaften Blauhösler, der ihnen diesen Streich gespielt hatte, schimpften.
Später hat dann der Bauer das Haus verkauft. Und als nun beim Ausziehen
alle Hauseinrichtungen und Gerätschaften auf einen großen Wagen
geladen waren, sprach vor der Abfahrt der Fuhrknecht: "Haben wir
jetzt alles?" "Jawohl," erwiderte der Bauer, "wir
haben alles, nur den Blauhösler noch nicht," und lachte. Da
ließ sich aber auch sofort unter dem Wagen hervor eine Stimme boshaft
hören: "I sitz schu auf der Lankweil." So hat der Bauer
wirklich den kleinen Teufel mitnehmen müssen.
Quelle: Allgäuer Sagen, Aus K. A. Reisers "Sagen,
Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus" ausgewählt
von Hulda Eggart, Kempten und München 1914, Nr. 19, S. 26 - 27.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Franziska Meister, Februar 2005.