Der Löffelwirt

Auf dem Petersbergl ist der Löffelwirt. Das ist ein Brunnen nächst der kleinen Rathausstiege. Von dem sei berichtet:

Es lebten ihrer Zwei zu München, von welchen der eine Achzenit hieß und der andere Ruprecht. Davon war der erste ein unbändiger, lockerer Geselle, der zweite aber war so geizig, daß er kaum zu essen wagte und gar nichts als Wasser trank, während der erste in nichts als Wein schlemmte.

Weil nun das Wasser am Brünnlein hinterm Rathaus so frisch war, stellte sich der Ruprecht tagtäglich da ein, trank aus einem Schöpflöffel und bot auch den Vorübergehenden Wasser an. Dafür nannte ihn der verschwenderische Achzenit den Löffelwirt am Rathaus, verspottete ihn auf alle Weise und um ihn recht zu ärgern, stellte er sich auch an das Brünnlein, trank statt des Wassers Wein aus einem Löffel, goß ihn dann ein über das andere Mal wieder voll und bot den Vorübergehenden Wein an. Darüber entstand Groll und Hader, und wie der Achzenit den Ruprecht verhöhnte, weil er so geizig sei, höhnte ihn der Ruprecht wieder mit seiner Verschwendung und prophezeite ihm, daß er noch auf den hölzernen Strafesel komme. Der stand damals auf dem Marktplatz. Da ging’s mit der Geld des Verschwenders in der Tat immer weiter hinab, bis er zuletzt gar nichts mehr hatte als einen Wiesenfleck, und der Geizige freute sich, daß er so wahr prophezeit habe. Der Achzenit war aber sehr schlau, wußte in die Welt zu bringen, daß auf dem Wiesenfleck ein Schatz begraben liege, hielt damit den habsüchtigen Ruprecht zum besten, bis er ihn kaufte, und über verschiedenes Geldgeben, Graben und nichts Finden kamen sie entsetzlich hintereinander, bis sie zuletzt alle zwei auf dem hölzernen Strafesel reiten mußten. Diese absonderlich lustige Sache, derzufolge der Schöpflöffel am Brünnlein blieb, fiel im Jahre 1464 oder 65 vor.

Quelle: Franz Trautmann, Alt-Münchener Wahr- und Denkzeichen, S. 39. Verlag M. Seitz, Augsburg.
Altbayerische Sagen, Ausgewählt vom Jugendschriften-Ausschuss des Bezirkslehrervereins München, München 1906.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Norbert Steinwendner, Dezember 2013. 
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