Das Narrengericht in Stockach

Das Hegau, schildert der Chronist Rueger, ist zwar ein klein, aber über die Maß ein wohl erbauet und fruchtbar Ländlin von Win, weiß und rot, Korn und Obst. Man findet auch darin gut Fisch, Vögel und Wildpret. Es hat viel schöne Städtlein, darunter Stockach die vornehmste ist.

In dieser Stadt blühte lange Zeit eine fürstlich gestiftete und befreite Narrenzunft, über deren Entstehung Tschudi berichtet: Erzherzog Leopold von Österreich hatte mit seinen Kriegsobersten einen feinen Plan ausgeheckt, wie er wolle den Schweizern ins Land fallen. Nun hatt' er einen kurzwilligen Narren, hieß Kuoni von Stocken, der war stets um ihn und auch dabei, wie der Beschluß geschah; zu dem sprach der Erzherzog scherzweis: "Kuni, wie g'fällt dir die Sach?" Der Narr gab zur Antwort: "Es g'fällt mir nit. Ihr hent alle geraten, wie Ihr in das Land wöllent kommen, aber keiner hat geraten, wie Ihr wieder daraus wöllent." Der Erzherzog zog mit dem Heer nach Morgarten, wo er am 16. November 1315 geschlagen wurde. Jetzt erinnerte er sich an des Narren kluge Rede und versprach ihm Belohnung. Da erbat sich Kuoni die Erlaubnis des Privilegiums zur Haltung des Narrengerichts in Stockach, seinem Geburtsort, die ihm gewährt und bestätigt wurde und heute noch nicht ganz in Abgang geraten ist.

Quelle: J. Waibel und Hermann Flamm, Badisches Sagenbuch. Abt. 1: Sagen des Bodensees, des oberen Rheintals und der Waldstädte. Freiburg 1898, S. 243