Der feurige Fischer

Früher sah man auf dem Bodensee zur Nachtzeit oftmals einen feurigen Mann, den man nur den feurigen Fischer nannte. Der lief auf der ganzen Fläche des Sees umher und neckte die Fischer, welche bei Nacht fuhren, und setzte das oft so lange fort, bis sie ihm ein Band oder ein gewobenes Seil zuwarfen und ihm zuriefen: "Fischer, hier hast du ein Bändel!" Dann kam er sogleich ans Schiff und nahm das Bändel oder Seil und zündete es an, und manchmal soll er gesagt haben: "Solang dies Bändel brennt, solang darf ich ruhen von meinen höllischen Qualen." Man hat ihn an allen Orten, die am Bodensee liegen, schon gesehen. Da geschah es dann wohl, daß die Spinnerinnen, die den feurigen Fischer auf dem See erblickten, ihm zuweilen einen lang und dick gesponnenen Faden zum Fenster hinaushielten und ihm zuriefen. Augenblicklich stand er hinter dem Fenster und nahm den Faden, und wenn jener recht lang war, schlug er ein helles Freudengelächter auf und begab sich wieder auf den See und zündete den Faden an.

Quelle: Johannes Wilhelm Wolf, Erster Band der Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde. Göttingen 1853, S. 439 f.