Ursprung der Todtmooser Wallfahrt.

1.

Im Schwarzwald war vor Zeiten ein Sumpf, der wegen seiner tödtlichen Ausdünstung das Todtmoos hieß. Später siedelten sich in den Wäldern um ihn mehrere Waldbrüder und Holzhauer an. Als einst einer der letzteren an dem Sumpf eine Tanne fällen wollte, rief aus ihr eine Stimme ihm dreimal zu: Halt ein! Er fragte, was sie wolle, worauf sie erwiederte: "Sage den Leuten, daß sie hier zu Ehren der Mutter- Gottes eine Kapelle bauen sollen." Nachdem der Holzhauer dies ausgerichtet, untersuchte ein Priester den Baum und fand darin ein kleines hölzernes Vesperbild. Dasselbe kam auf den Altar der Kapelle, die man neben dem Tannenbaum errichtete. Bald wurde dahin gepilgert, und es geschahen bei dem Bilde viele Wunder. Gegenwärtig ist weder das Bild, noch die Tanne mehr vorhanden; ersteres jedoch durch eine treue Nachbildung in lebensgroßen Gestalten ersetzt.

2.

Ein Einsiedler im Schwarzwald hatte öfters einen schönen Gesang gehört, ohne entdecken zu können, wo derselbe herrühre. Nachdem er hierwegen eifrig gebetet, ging er einst wieder dem Gesang nach und kam zu einer Tanne, in deren Stamm ein hölzernes Mariabild in einer Blende stand. Er verehrte es andächtig und verkündete das Geschehene in der ganzen Gegend, worauf zu dem Baume gepilgert und dabei so viel geopfert wurde, daß unweit desselben eine Kapelle errichtet werden konnte. Auf deren Altar stellte der Einsiedler verschiedene Mal das Bild, allein stets kehrte es von selbst in die Blende zurück. Da ließ er es endlich darin stehen und, als die Wallfahrten und Opfer immer zunahmen, über die Tanne eine schöne Kirche bauen, bei welcher das Dorf Todtmoos nach und nach entstand.

3.

Auf dem St. Antoniusberge wollte man eine kleine Kirche bauen, aber was man am Tag aufführte, ward in der Nacht durch unbekannte Gewalt wieder eingerissen. Da warf der Maurer von dort seinen Hammer in Gottes Namen in die Luft, um zu erfahren, wohin das Kirchlein kommen solle. Derselbe fiel, eine halbe Stunde davon, in einer sumpfigen Wüste, die das Todtmoos hieß, bei einer Tanne nieder. Auf diesen Platz beschloß man nun zu bauen, und als zu diesem Zwecke der Baum umgehauen wurde, fand sich darin ein hölzernes Mariabild. Zu dem Kirchenbau wollte man schöne Felsen in der Nähe verwenden, allein der Teufel machte sie unbrauchbar, indem er mit seinen Klauen die Ritze und Spalten hineinkratzte, welche heute noch zu sehen sind. Gleichwohl ward das Kirchlein aufgeführt, und darin das Bild zur Verehrung ausgesetzt. Auf dem Antoniusberg errichtete man ein Kreuz, wobei die Pilger zu halten und zu beten pflegen.

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Diese Sagen weichen gänzlich ab von der Entstehungsgeschichte der Todtmooser Wallfahrt, welche Placidus Rauber beschrieben hat in dem Werke: Kürtze Histori. Unser lieben Frawen auff dem Schwartzwald in dem Todtmoß zum Schönbühl etc. Friburgi Brisg. 1628.

Quelle: Bernhard Baader, Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden. Karlsruhe 1851, Nr. 14.