Hexenversammlung verscheucht.
In der Scheuer eines einsamen Schwarzwälderhofs, die entfernt vom
Wohnhause stand, pflegten die Hexen ihre nächtlichen Zusammenkünfte
zu halten. Den Hofbewohnern war dies so wenig bekannt, daß sie einen
armen Mann, welcher sie einst um Nachtlager bat, in die Käfichkammer
der Scheuer legten. Nach verrichtetem Gebet schlief er ein, wurde aber,
mitten in der Nacht, durch wunderschönes Tonspiel und lustiges Gelärm
aufgeweckt. Er sah die Scheuer hell erleuchtet und eine Menge Männer
und Frauen darin versammelt. Theils saßen sie an einer langen, gedeckten
Tafel und aßen und tranken aus kostbaren Geschirren; theils tanzten
sie jubelnd umher, wozu mehrere Teufel aufspielten. Obgleich auf des Mannes
Lager kein Licht fiel, fürchtete er doch, bemerkt zu werden, und
betete inbrünstig um Gottes Schutz, besonders, als zwei Hexen gegen
die Kammer kamen. Sie blieben jedoch an dem Eingang stehen und besprachen
sich über die Freude, welche sie sich, nach so vielem Vergnügen,
noch machen wollten. "Meine Nachbarin hat beim Schlafengehen ihr
Kind nicht gesegnet; dasselbe wollen wir nun holen und umbringen,"
sagte die eine. "Das ist ein guter Einfall!" erwiederte die
andere, worauf sie sich fort machten und nach wenigen Minuten mit einem
vierteljährigen Kinde auf den Platz zurückkamen und berathschlagten,
wie sie es tödten sollten. Endlich wurden sie einig, es bei den Füßen
zu fassen und auseinander zu reißen. Da sprang der Mann heraus und
schrie: "Behüt' es Gott, behüt' es Gott, behüt' es
Gott, laßt das Kind gehen!" Im Nu ließen die Hexen das
Kind fallen und fuhren mit ihrer ganzen Sippschaft wie der Wind zur Scheuer
hinaus, worin alle Lichter erloschen. Der Mann hob das Kind auf und trug
es zu dem Wohnhause, wo er klopfte und rief, daß man ihm aufmachen
möge. Als er eingelassen war, erzählte er den Leuten das Geschehene,
worauf sie mit brennenden Laternen sich in die Scheuer begaben. Darin
stand noch die Tafel voll goldner und silberner Geschirre; aber alles,
was Blendwerk gewesen, hatte seine wahre Gestalt angenommen. Manche Becher
waren Pferdshufe, die Speisen Viehkoth, die Getränke Jauche geworden.
Die Geschirre, welche alle mit den Namen ihrer Herren bezeichnet waren,
wurden von den Leuten der Obrigkeit übergeben, die darauf die Eigenthümer,
so wie die Eltern des Kindes, zum Abholen des Ihrigen, in den Zeitungen
aufforderte. Die ausgeschriebenen Namen waren weit und breit nicht bekannt,
und da niemand sich zu den Geschirren meldete, verkaufte man sie und erbaute
von dem Erlöse dem armen Mann ein Häuslein neben dem Hofe, von
dessen Bewohnern er sein Leben lang verpflegt wurde. Erst im zweiten Jahre
konnten die Eltern des Kindes dasselbe holen, so weit entfernt wohnten
sie, in einem fremden Lande. Die Hexen haben, seit jener Nacht, niemals
wieder in der Scheuer sich sehen lassen.
Quelle: Bernhard Baader, Volkssagen aus dem Lande Baden
und den angrenzenden Gegenden. Karlsruhe 1851, Nr. 32.