Hexe entdeckt.
Im badischen Oberlande lebte eine reiche, kinderlose Bauersfrau, welche
eine Hexe war. Alle Mittwochs- und Freitags-Nacht begab sie sich zum Hexentanz,
der, fünfzig Stunden von ihrem Wohnort, in einem Felsenkeller gehalten
wurde. Wenn sie dahin wollte, legte sie ein Gebund Stroh, dem sie durch
Blendwerk ihre Gestalt gab, zu ihrem Mann ins Bett, ging dann in die Stube
des Knechts, der ein starker Bursch war, legte dem Schlafenden einen Zaum
an, verwandelte ihn in ein Pferd und ritt auf ihm hinaus. Ebenso kehrte
sie später wieder nach Hause, und der Knecht, welcher darüber
sehr abmagerte, erwachte am Morgen in seinem Bett, ohne von dem Vorgang
etwas zu wissen. Beiläufig ein halbes Jahr hatte die Frau so ihr
Wesen getrieben, als es sich zutrug, daß abends ein wandernder Handwerksgesell
auf dem Feld bei dem Felsenkeller, im Rausche, einschlief. Er erwachte,
nüchtern geworden, tief in der Nacht, hörte nahes Tonspiel und
kam, als er ihm nachging, zur Thüre des Kellers. Da er sie verschlossen
fand, schaute er durch das Schlüsselloch und sah, daß der Keller
hell erleuchtet war, und darin gezecht und getanzt wurde, auch an der
Wand ein Pferd angebunden stand. Sogleich sagte eine Frau der Sippschaft
zu einer andern: "Gehe, blase das Licht aus!" worauf diese durch
das Schlüsselloch dem Gesellen in das Auge blies, daß es augenblicklich
erblindete. Hierüber entsetzt, schrie er dreimal nacheinander zum
Schlüsselloch hinein: "Um Gotteswillen, machet auf!" Da
flog die Thüre auf und Hexen und Teufel fuhren in wildem Getümmel
heraus und nach allen Weltgegenden davon. Hierauf ging der Gesell in den
Keller, worin nur noch ein Licht brannte, und sah, daß er durch
sein Rufen alles Blendwerk vertrieben hatte. Das Essen war Viehkoth, der
Wein Roßpisse, und das Pferd der Knecht geworden. Dieser erstaunte
sehr, gezäumt im Keller sich zu befinden; als ihm aber der andere
das Geschehene erzählte, ward ihm klar, wie er seither mißbraucht
worden sei. Um zu erfahren, wer es gethan, ging er wieder in seinen Dienst
und beobachtete die Frau genau, von der er schon manches Verdächtige
gehört hatte. Nachdem er wahrgenommen, daß sie, wenn ihre Leute
alle auf dem Felde zu thun hatten, gewöhnlich sehr spät und
allein zum Kochen heimging; dennoch aber ihnen das Essen stets zur rechten
Zeit hinausbrachte: schlich er sich, bei einer solchen Gelegenheit, auf
den Speicher des Hauses und machte in den Schornstein ein kleines Loch,
wodurch er hinunter in die Küche sehen konnte. In diese kam die Frau
und rief, ohne den Knecht zu sehen, in den Schornstein hinauf: "Gib
mir eine Schüssel Suppe; gib mir eine Schüssel Fleisch und Gemüse!"
Im Augenblick standen diese Speisen in Schüsseln auf dem Heerde und
wurden dann von der Frau für ihre Leute mitgenommen. Als dieselbe
aus dem Hause war, verließ der Knecht seinen Versteck und, noch
am nämlichen Tage, den Dienst der Hexe.
Quelle: Bernhard Baader, Volkssagen aus dem Lande Baden
und den angrenzenden Gegenden. Karlsruhe 1851, Nr. 69.