Brod wird zu Schlangen und Kröten.
Im badischen Oberlande war eine Bäuerin, welche keinem Armen ein
Almosen verweigerte und jedem wenigstens ein Stück Brod gab. Nachdem
sie gestorben, und ihr Mann wieder eine Frau genommen, wollte diese sehen,
wie viel jene den Armen gegeben hatte. Zu dem Ende legte sie, so oft ein
Almosen von ihr begehrt wurde, ein Stück Brod in einen verschlossenen
Kasten, während sie den Bettelnden mit einem leeren "Helf Gott"
abspeis'te. Als so ein Jahr vorübergegangen, und der Kasten ganz
voll war, führte sie ihren Mann zu demselben, um ihm zu zeigen, wie
viel seine erste Frau verthan habe. Sie öffnete den Deckel, und sieh!
statt mit Brodstücken, war der Kasten mit Schlangen und Kröten
angefüllt, worüber beide heftig erschraken, und die Frau die
Größe ihrer Sünde erkannte. Bei verschiedenen Geistlichen
beichtete sie, aber keiner wollte sie lossprechen, und einer von ihnen,
ein frommer Greis, rieth ihr, sich an den heiligen Vater zu wenden. In
Begleitung ihres Mannes pilgerte sie nun nach Rom und legte vor dem Papst
ein reumüthiges Sündenbekenntniß ab. Als sie damit zu
Ende war, hieß er sie auf zwei Stunden abtreten, während deren
er die Sache bedenken wolle; bei ihrer Wiederkunft aber gab er ihr die
Lossprechung, mit der Buße: in der nächsten Nacht in einer
verschlossenen Stube allein zu sein und die Schlange und die Kröte
zu küssen, welche zwischen elf und zwölf zu ihr kämen.
Alsdann entdeckte er ihrem Mann, daß sie, wie ihm offenbart worden,
von den Schlangen und Kröten gefressen werden müsse; er hiernach
ihre Buße bestimmt habe, und auf ihr Jammergeschrei in der Nacht
niemand zu Hülfe kommen solle. Zur bezeichneten Stunde fanden die
Schlange und Kröte bei der Frau sich ein, und so sehr dieser auch
graus'te, gab sie doch jeder einen Kuß. Da sprangen ihr beide in's
Gesicht, die andern Schlangen und Kröten, welche in dem Kasten gewesen,
stürmten auch herbei, und alle zusammen fraßen die Frau, die
vergebens um Hülfe rief, bis auf die Knochen auf. Am Morgen fand
man diese in der Stube; die Schlangen und Kröten aber waren verschwunden.
Der Papst ließ nun die Gebeine begraben und hielt selbst für
die Frau das Todtenamt, und unter demselben erschien sie ihm als weiße
Taube, zum Zeichen, daß sie ein Kind der Seligkeit sei.
Quelle: Bernhard Baader, Volkssagen aus dem Lande Baden
und den angrenzenden Gegenden. Karlsruhe 1851, Nr. 64.