Teufelssteine.
Unsere guten Vorfahren, die mit festerem Glauben, als wir, an Gott hingen,
glaubten auch eben so fest an das Daseyn des Teufels. Seine Einwirkung
auf die Erde und ihre Bewohner war für sie außer Zweifel; denn
sie fanden ja überall Spuren seines Wirkens und seiner teuflischen
Kraft. Wo die Natur in ungewöhnlichen Formen erschien, wo sie groteske
Bilder in ihren Schöpfungen aufgestellt hatte, da mußte der
Teufel gehaust haben; denn nur ihm traute man solche gigantische Erzeugnisse
zu. Wo etwas Ungewöhnliches geschehen, eine Handlung begangen war,
die den Menschen entehrt hätte, oder die Ursache einer Begebenheit
nicht gleich aufzufinden war, da mußte der Teufel den Namen hergeben,
das wurde ihm zur Last gelegt.
Aber auch noch eine andere Ursache erzeugte jene Menge von Teufelsbenennungen,
die noch jetzt Oerter, Berge, Felsen u.s.w. führen. Bei der gewaltsamen
Heidenbekehrung Karls des Großen glaubten nämlich die christlichen
Lehrer und Oberherren ihre neue Lehre nicht besser befestigen zu können,
als wenn sie die Haine, Altäre und Götzen der Bekehrten zerstörten.
Da nun aber manches davon doch nicht ganz vernichtet werden konnte, so
suchten sie den Rest durch Beinamen, vom Teufel, Hexen und dergleichen,
zu brandmarken. Daher jene Menge von Teufelsbenennungen in Deutschland,
zu deren Erklärung man späterhin Geschichten erfand, die bis
auf unsere Tage gekommen sind.
Der Teufel kam einmal zu einem Fürsten von Anhalt, der in Zerbst
wohnte, und verlangte, daß er ihm die Stadt Zerbst abtreten solle.
Der Fürst weigerte sich Anfangs, allein der Teufel ließ nicht
nach; und da der Fürst sah, daß er dem Verlangen nicht werde
ausweichen können, so bequemte er sich endlich dazu, machte aber
noch die Bedingung: daß der Teufel zuvor einen am Hainholze bei
Zerbst liegenden großen Stein drei Mal um die Stadt herum tragen
müsse.
Der Teufel war das zufrieden, hieb mit einer Axt gewaltig in den Stein,
daß sie darin stecken blieb, nahm dann den Stein auf die Schulter,
und trat den Marsch um die Stadt an.
Der Fürst war unterdessen in der größten Angst. Er betete
inbrünstig zu Gott um Abwendung des der Stadt bevorstehenden großen
Unglücks, und sein Gebet wurde erhört.
Zwei Mal hatte der Teufel die Stadt schon umgangen, da fiel ihm beim Hainholze
der Stein von der Axt. Ergrimmt darüber, verschwand der Böse,
und die Stadt war gerettet. Im Steine blieb ein Stück von der Axt
des Teufels stecken, das man noch heutiges Tages sieht.
Ein zweiter Teufelsstein liegt bei der Kirche des Dorfes Sennewitz, anderthalb
Stunden von Halle an der Saale. An seiner Oberfläche sind fünf
Vertiefungen wie Eindrücke von Fingern, die in den Stein gegriffen
hätten.
Diesen Stein hat der Teufel, dem alle Gotteshäuser zuwider waren,
beim Bau der Kirche in Sennewitz vom Petersberge auf sie herabgeschleudert,
um sie zu zertrümmern. Der Wurf ist aber zu kurz geschehen, die Kirche
unverletzt und das Felsstück daneben liegen geblieben. Aber die Abdrücke
der fünf Krallen des Teufels sieht man noch darin.
Ein dritter Stein der Art liegt auf dem Wege von der Landeskrone nach
der Stadt Görlitz in der Oberlausitz. Auch an ihm bemerkt man noch
die Vertiefungen, wo ihn der Teufel mit seinen Klauen packte. Als dieser
nämlich sah, daß in Görlitz der hohe Dom zur Ehre der
Apostel Petrus und Paulus erbauet ward, gerieth er in Wuth, riß
einen ungeheuren Felsblock von dem Berge »Landeskrone« ab,
und trug ihn hoch in die Luft, um ihn auf das schöne Gebäude
niederfallen zu lassen und es zu zerschmettern. Aber Gott rettete das
ihm geweihte Haus. Von seiner Macht gelähmt, mußte der Teufel
das Felsstück früher, als über der Stadt, fallen lassen.
Ein vierter liegt auf dem Domplatze in Halberstadt. Er heißt: der
Lügenstein. Der Vater der Lügen hatte, als der tiefe Grund zur
Domkirche gelegt wurde, große Felsenmassen herbeigetragen, weil
er hoffte, hier ein Haus entstehen zu sehen, das sein Reich mit neuen
Unterthanen bevölkern könnte. Als er aber bemerkte, daß
das Gebäude sich immer mehr in seiner Form erhob, die Gestalt eines
Kreuzes erhielt, und daß man eine christliche Kirche erbaute, beschloß
er, den Bau zu zerstören. Mit einem ungeheuern Felsstück schwebte
er herab, um Gerüste und Mauern zu zerschmettern. Nur durch das Versprechen,
ein Weinhaus dicht neben der Kirche zu erbauen, ward er besänftigt,
und ließ den Fels auf dem geebneten Platze vor der Kirche fallen.
Noch sieht man an ihm die Höhle, die der glühende Daumen seiner
Hand, beim Tragen, eindrückte.
* * *
Es giebt gewiß noch an andern Orten solche
Teufels- oder Zaubersteine. Ob die Sagen davon mit dem Vorstehenden im
Wesentlichen übereinstimmen, weiß ich zwar nicht, glaube es
aber fast; denn zu irgend einem bösen Zweck mußte der Teufel
sich ihrer bedient haben.
Durch welche Kräfte der Stein, welcher beim Hainholze bei Zerbst
liegt, dahin kam, ob ihn physische Revolutionen oder Menschenhände
in diese flache sandige Gegend, wo kein Hügel, geschweige ein Gebirge
zu finden ist, brachten, das möchte wohl eine nicht zu beantwortende
Frage seyn. Eben so bleibt seine Bestimmung zweifelhaft. Vielleicht ist
er der Denkstein eines gefallenen Helden, oder ein Opferaltar unsrer heidnischen
Vorfahren, oder der Standpunkt für öffentliche Redner. Die Stücken
Eisen, die man noch in ihm stecken sieht, sind wahrscheinlich abgebrochene
Keile, womit man ihn vielleicht zu spalten versuchte.
Das Mährchen von ihm habe ich aus mündlichen Ueberlieferungen.
Das vom Sennewitzer Stein erzählt Dreyhaupt in seiner Beschreibung
des Saalkreises, Th. 2. Das von Görlitz findet sich in Grosser's
Lausitzischen Merkwürdigkeiten 1714. Th. 5. S. 12, aus denen es auch
in Büsching's Volkssagen 1e Abth. S. 177 aufgenommen wurde; und das
von Halberstadt erzählt Otmar in seinen Volkssagen S. 27.
Quelle: Friedrich Gottschalck, Die Sagen und Volksmährchen der Deutschen, Halle 1814