1. Die Gaben der Frau Hulda

Es lebten auf einem Gehöft bei Haibach nahe der Stadt Aschaffenburg zwei Jungfrauen, die waren des ständigen Dienens und des Stallgeruchs leid und so sannen sie beide, ihrem tristen Alltag zu entkommen. Es war von ihnen die eine strebsam, klug und fleißig, und emsig hielt sie die Küche und den Stall in Ordnung. Die andere war träge und heikel, nicht nur, dass man sie stets zum Werke antreiben mußte, auch konnte man ihr nichts recht machen. Doch konnte sie das nicht geleistete stets gut verbergen und wußte nicht selten mit dem spärlichen Ertrag ihrer geringen Mühe stattliches Lob einzustreichen.

Als nun an einem sonnigen Spätsommertage die Fleißige am Findberg, der sich hinter dem Dorfe erhebt, Beeren gesammelt hatte, drückte sie die Hitze gar sehr und sie setzte sich an einem alten Brunnen nieder. Da fiel ihr Eimerchen mit den Beeren hinab, und wie sie es schnell greifen wollte, verlor sie den Halt und stürzte selbst in die Tiefe. Tief war der Schacht, und es schien ihr bald, als würde sie am andern Ende der Erde herauskommen, da aber plötzlich ward sie weich von dick behangenen Ästen und dichtem Moos aufgefangen und fand sich auf einer sattgrünen Wiese unter einem Apfelbaum wieder. Da sie aber aufstand und die Blätter aus ihren Haaren und Kleidern schütteln wollte, hörte sie die Äpfel jammern, "oh nimm uns doch herab, sonst müssen wir jämmerlich verfaulen und werden zum Fraß der Würmer und des Ungeziefers." Gerne erfüllte die Jungfrau den reifen Früchten ihren Wunsch, füllte ihre Schürze mit ihnen und begab sich auf den Weg, um wohl ihren Besitzer aufzusuchen. Da saß am Wegesrand ein Stoß feinen, frisch geschnittenen Buchenholzes, der jammerte, oh nimm mich doch mit, sonst muß ich wohl verrotten und statt dass ich im Ofen euch Wärme gebe, bleibt von mir nur ein Häuflein Dreck übrig. Und die Maid nahm ein Wägelchen, das in der Nähe stand, lud das Holz auf und zog weiter ihres Wegs. Da kam sie an einer Herde Schafe vorbei, die blökten gar jämmerlich, dass das Gras abgeweidet und ihr Pelz schon so dick, dass sie kaum noch sich rühren könnten, sie sollte doch ihre Wolle abnehmen und mit ihnen auf saftigere Wiesen weiterziehen. Die Jungfrau nahm ein Scherchen aus ihrer Schürze, schnitt den Schnucken ihre Wolle kurz, packte diese noch auf ihr Wägelchen und setzte ihren Weg fort, bis sie an eine seltsame Hütte kam, wo eine noch merkwürdigere Alte sie bereits erwartete. "Ich bin die Frau Hulda", sagte sie, "willst Du mir dienen?" Das Mädchen willigte ein, kochte und putzte der Alten, besorgte ihre Kleidung und lockerte ihre Betten, und jedesmal, wenn sie sie am Fenster ausschüttelte, fiel weißer Schnee auf die sanften Hänge des Spessarts, so dass die Kinder ihre wahre Freude beim Schlittenfahren hatten und für die Brettrutscher eigens Seilzüge eingerichtet wurden, damit sie nicht mühselig wieder die Berge hinaufsteigen mußten.

Nach einem Jahr aber begann sie dann doch in Schwermut zu verfallen, weil sie keine ihrer Gespielinnen gesehen und ihr Werk ihr doch recht eintönig wurde. Die Frau Hulda sah ihr trauriges Gesicht und es kam ihr gar nicht erst in den Sinn, sie zum weiteren Bleiben zu bewegen. Sie dankte der braven Maid für die Hilfe, die sie ihr geleistet, führte sie zu einem großen Tor, und als die darunter stand, da regnete es Gold- und Silberstücke herunter, so dass sie ganz damit bedeckt war. Dazu ward ihr noch offenbaret, wo im Gestein des Spessart diese Schätze zu holen seien und voller Freude und Stolz kehrte die Maid wieder zu den Ihren zurück und reichte ihnen, was die Frau Hulda ihr als Lohn gegeben.

Der Vater indes war von dem Golde wenig erbauet. Zuerst müsste es der Scheidekünstler prüfen und taxieren, und wenn er und noch der Steuereintreiber ihren Anteil erhalten, bliebe nicht mehr viel dafür, dass die Jungfrau der Hulden ein Jahr gedient. Wenn er aber das Gold und Silber aus dem Gestein herauskratzen sollte, sei er mit den Rüben und dem Korn auf dem Acker doch besser daran. So lebte die Jungfrau von ihrem Golde ein Weilchen fröhlich und unbeschwert, mußte sich dann aber doch wieder mit dem einfachen Landleben bescheiden, das ihr aber, da sie emsig und wohlgemut war, nicht schwerfiel und so hatte sie doch ein gutes Auskommen.

Ihre Schwester hätte nun jedoch auch gern ein paar Stücke Goldes ihr eigen genannt, denn wenn ein stolzer Freier ihr den Hof hätte machen sollen, mußt sie ihm doch einiges als Mitgift anbieten. So begab sie sich zu dem Brunnen am Findberg, warf wie weiland ihre Schwester ihr Körbchen hinab, stürzte sich hinterher und fand sich unter dem gleichen Baume wieder. Da die Äpfel an dem Baume jedoch wieder genauso jammerten, ließ sie sie ohne schweres Gewissen hängen und sagte sich, jemand werde sie schon holen und ansonsten sei ja dann trefflich für die Fruchtbarkeit des Bo-dens gesorgt. Auch das Holz am Wegesrand ließ sie sitzen, ebenso wie sich die Schafe fast zu Tode blöken konnten, dass sie sie doch scheren und zu einer saftigen Weide führen möge. Der Hulda sagte sie wohl ihre Dienste zu, saß dann aber nur faul im Hause herum und im Winter blieb dann im Spessart der Schnee aus, so dass die Eigentümer der Seilzüge für die Schneebretter groß jammerten. Als dann das Jahr vorbei, ward auch sie zu einem anderen Tor geführet, wo dann aber kein Gold und Silber, sondern schwarzes, klebriges Pech auf sie herniederkam.

Nun war bei der Maid der Schrecken und die Sorge groß, ob ihr denn für diesen Lohn ein Auskommen und ein Freier bescheret sein konnte. So kehrte sie denn auch nicht gleich auf ihr Gehöft zurück sondern suchte in der nahegelegenen Stadt Aschaffenburg um Rat nach, wie man sie denn von ihrer schwarzen Zierde befreien könnte. Dort aber fand ihre Bedeckung über die Maßen großen Zuspruch, denn, so sagte man, aus diesem Pech gewänne man mit nur gerin-gem Aufwand allerlei nützliches Öl und Harz, auch Straßen könnte man trefflich damit durch die Lande ziehen, deren es doch gar zu wenige im Spessartwalde gäbe. Sie möge doch die Stelle zeigen, wo derartige Schätze über sie gekommen seien. Daselbst aber, bei dem Örtchen Stockstadt, entsprang noch dem Boden der schwarze Segen und es warden Pumpen eingerichtet, die ihn der Erde in erklecklichen Mengen entlockten. Nicht fürstlich war das Leben, das Pech und Schmiere der Maid so bescherten, aber Sorgen und Not hatten doch ein für allemal ein Ende und gar bald fand sich ein Freier, der nicht nur die Jungfrau, sondern auch deren schwarze Kostbarkeit so schätzte, dass er sie in seine Heimstatt holte und dort konnte sie ihr Lebtag am Ofen sitzen und dem Müßiggang frönen.

Was die beiden Jungfern erlebt, sprach sich nun im Lande herum und schon bald sann auch eine Magd aus Alzenau, die Hulda aufzusuchen, um ein Leben ohne Mühen und Sorgen führen zu können; denn dieselbe war sich für grobe Arbeiten zu fein, und wollte dies einer von ihr, so ward er heftig beschimpft und kein Werk stellte sie vollends fertig, so dass an allen Ecken und Enden angefangene Kleider, Flechtwerk und Tonzeug herumlagen. Auch diese Jungfrau fand den Weg durch den Brunnen, und als sie die Äpfel jammern hörte, da schalt sie, warum man denn einen Baum gepflanzt, den man nachher nicht ernten könnte. Als sie das Holz am Rande klagen hörte, hieß sie die Waldarbeiter Narren, da sie Bäume gefällt und zersäget, wo sich doch kein Käufer fände, und allerorten billiges Holz zu haben sei und jagte sie fort. Nicht besser erging es den Schafen, denen sie zurief, dass ihre Wolle nichts wert sei und sie sollten sie doch selber fressen, wenn sie schon darben müßten. Bei der Hulda war ihr nichts recht, und wenn etwas zu besorgen war, nahm sie vom Golde der Hulda und ließ es sich von herbeigerufenen Dienstboten ausführen. So war die Hulda froh, als das Jahr um war, und als die schreckliche Maid zu einem wiederum andren Tor hinausging, kam ein Schwall von Lehm und Erde auf sie herab, so dass sie durch ihren eigenen Schmutz waten mußte.

Arg ward die Maid nun ob ihres braunen Gewandes verhöhnt und keiner wollte ihr erst Herberge geben. In ihrer Heimatstadt besah man sich jedoch das erdige Gewand, sah, dass es im Ofen einen vortrefflichen Stein ergäbe und schon bald wurden rings um die Stadt gewaltige Gruben ausgehoben, wo vorher noch Wald gestanden war, und die Steine, die dort aus dem braunen Lehm gefertigt wurden, gingen in alle Lande und machten die Urheberin des neuen Ge-werbes zu einer reichen Frau. Große Karossen brachten sie in aller Herren Länder und in den nobelsten Häusern ward sie gern ge-sehen. Und nicht wenige sagten, dass redliche Arbeit angesichts eines solchen Schicksals wohl nur zu einem einfachen Leben gereiche.

Dieses erwog nun auch noch eine weitere Maid, die in ihrem Dorfe keinen guten Ruf hatte, weil sie mit so manchem Handel ihre Käufer übers Ohr gehauen und mit ihren Geschäften oft mehr Schaden gestiftet als selber gewonnen hatte. Arbeiten kam ihr nicht in den Sinn, da für sie auch noch mit dem nutzlosesten Tand mehr einzustreichen war als mit stundenlangen Mühen. Auch sie fand ihren Weg durch den Brunnenschacht, den Baum aber, dessen Äpfel sie angefleht, ließ sie gleich umhauen und die Wiese, auf der er stand, gänzlich umpflügen. Den Holzhaufen hieß sie, wie den Wald, aus dem er kam, niederzubrennen, da er nur unnütz Arbeit machte, für die niemand aufkommen möchte, und die Schafe, die sie um Schur baten, wurden geschlachtet.

Dann bot sie scheinheilig der Hulda ihre Dienste an, doch sie verscherbelte in kurzer Zeit deren ganze Einrichtung und schließlich ihre Ländereien und bald hatte sie aus dem ehrenwerten Hause eine Räuberhöhle gemacht. Als sie dies ein Jahr getrieben, warf die Hulda sie hinaus und stieß sie zu dem Tore, das die erste der Jungfrauen reich gemacht; damit aber dies nicht auch ihr zugutekäme, öffnete die Hulda über ihr den Abtritt, so dass sich der Kot und Schmutz des ganzen Jahres, das sie bei ihr verbracht, über sie ergoß.

Dieses gab der Maid fürs erste zu denken, und lange strich sie, von jeder Gesellschaft gemieden, umher. Als aber der Kot zu trocknen begann, wagte sie sich in die Stadt und suchte, ihren braunen Lohn, zu welcher Anwendung auch immer, an den Mann zu bringen. Und siehe da, es fanden sich Leute, die ihr Gut wohl zum Verfeuern für gut befanden, und auch so mancher Gärtner wollte seine Erde damit bereichert sehen.Viele Taler bekam die Jungfrau wohl nicht dafür, und etliche wollten ihr gar nichts geben, aber so manche der Städte und Dörfer im Land wußten nicht, wohin mit dem Unrat, so dass sie ihr große Mengen an Gold und Geld dafür anvertrauten, dass sie einen Abnehmer fände. Und so kam die schandbare Maid zu dem größten Vermögen von allen, die die Hulda aufgesucht, so dass ihr bald die die Mächtigsten des Landes zu Füßen lagen und um ihre Hand anhielten.

Die Hulda soll daraufhin ihren Brunnen mit Erde bedeckt haben, so dass ihn heute keiner mehr findet und in Haibach auch niemand mehr weiß, wo er einst gestanden haben soll. Im Spessart klagen seither die Gäste, die des Winters kommen, dass der Schnee Jahr für Jahr ausbliebe. Das Schicksal der vier Maiden zeigt jedoch dem, der ins Frankenland kommt, das nunmehr ja zu den Bayern gehört, dass hier die Uhren anders gehen und nicht jeder, der etwas Gutes mitbringt, dafür auch gebührend entlohnt wird. Dies ist oft denen vorbehalten, die die ansehnlichsten Massen garstigen Kotes zu bereiten wissen.

Quelle: E-Mail-Zusendung von Hartmut Haas-Hyronimus, vom 8. November 2004, Hoimanns Erzählungen, Trilogie/1