11. Die Schlacht von Dettingen
Am äußersten Rande des Bayernlandes, wenige Kilometer vor
der hessischen Grenze, wo die Leute schon hessisch sprechen, liegt der
Ort Dettingen. Mit diesem Ort wird eine Schlacht in Verbindung gebracht,
über die man dort aber wenig Einzelheiten weiß, denn sowohl
die Kampfparteien wie auch der Verlauf der Schlacht muten recht merkwürdig
an. Die Gegner waren nämlich nicht Bayern und Preußen, wie
man heute vermuten möchte, weil sie sich hier begegnen und einander
nicht immer hold sind, sondern die Engländer und Hannoveraner auf
der einen Seite und auf der anderen die Franzosen, die gerne einen bayerischen
Regenten in Österreich gesehen.
Über die Schlacht selbst findet man in den Geschichtsbüchern
aus gutem Grunde wenig: Die Heere standen sich damals, es war die hohe
Zeit des Barock, schon einige Zeit gegenüber, als sich ein Kanonenschuß
löste, daraufhin dem Heerführer der Engländer das Roß
durchging und mitsamt seinem Reiter auf die feindlichen Reihen zugaloppierte.
Dieses mißverstanden die Engländer als Angriffsappell und setzten
dem Reiter hinterher. Diese Attacke kam für die Fran-zosen so unerwartet
und löste so große Panik aus, daß sie Hals über
Kopf die Flucht ergriffen und von den Engländern vernichtend geschlagen
wurden.
Ungeachtet der Verdienste des Generals Zufall veranstalteten die Engländer
eingedenk ihres Siegs eine rauschende Feier, zu der sie den damals in
England gefeiertsten Hofmusiker, den auch heute noch vielgerühmten
Meister Händel, mit der musikalischen Gestaltung beauftragten. Zu
diesem feierlichen "Te Deum" wurden praktisch alle im Lande
verfügbaren Pauken und Trompeten herbeigeschafft, deren Spiel dem
Ort wie der Musik des Meisters Händel ein unvergängliches Denkmal
setzten.
So blieb Maria Theresia in Österreich Kaiserin und die Bayern mußten
auch hinfort von den Österreichern lassen. Die Engländer unterließen
jedoch weitere Schritte gegen die Geschlagenen und ihren Möchtegernregenten.
So blieben die Bayern, sehr zum Leidwesen der Preußen, auch weiterhin
in den Gefilden nördlich des Mains sitzen, und noch heute künden
große Schilder an den Schnellstraßen bei Aschaffenburg an,
daß man sich dort, wo eigentlich schon die hessische und preußische
Sprache vorherrschen, im Lederhosenfreistaat befindet.
Dieses war den Preußen lange Zeit ein Dorn im Auge, mittlerweile
gilt jedoch die Kriegführung mit Schwertern und Schlachtrössern
als unvereinbar mit den guten Sitten und würde dem Ruf moderner Staatsbürger
schaden. So verfielen die Hessen, die heute anstelle der Preußen
am Untermain regieren, auf den Gedanken, stattdessen an der Grenze zu
dem besiegten, aber noch nicht eingenommenen Staat steinerne Ungetüme
zu errichten, die giftige Dämpfe ausspieen und so die Einwohnerzahl
verringerten und den Wald lichteten. Den Boden, der dort nicht mehr recht
tragen wollte, erwarben sie dann in großer Zahl und bauten Häuser,
in denen wohl oft niemand wohnt, wo nun aber wenigstens keine Bayern mehr
sich ausbreiten können. Zudem zogen Sie vielerlei Wege für die
Motorkutschen durch die einst unzugänglichen Wälder, auf denen
sie nun Jagd auf die meistens etwas langsameren Spessartbewohner machen.
Wenn dann der letzte Ureinwohner dem Land den Rücken gekehrt hat,
soll ein rauschendes Fest gefeiert werden, für das ein großer
Meister der Musik ein neues Werk erstellen soll. Das Opus, das dieser
zu schreiben hätte, wäre dann allerdings nicht mehr ein Dettinger,
sondern ein Karlsteiner, vielleicht sogar ein Alzenauer Te Deum. Für
den endgültigen Sieg über die Bayern plant man dieses noch größer,
reicher und eindrucksvoller zu gestalten als das des Meisters Händel.
Quelle: E-Mail-Zusendung von Hartmut Haas-Hyronimus, vom 8. November 2004, Hoimanns Erzählungen, Sage Nr. 10