12. Die Feldkahler Bauernhügel
Im Kahlgrund im Spessart, unweit der Orte Mömbris und Schöllkrippen,
lebten vor vielen hundert Jahren zwei Bauern. Sie waren gute Nachbarn
und es gab kaum einmal Streit unter ihnen, da die Landschaft noch wenig
Bewohner und mehr als reichlich guten Boden für jeden hatte. So hielten
Wiesen und Wege ihre Äcker auseinander und jeder freute sich, den
anderen zu sehen und Frauen und Kinder gingen im Hause des Nachbarn aus
und ein.
Mit der Zeit kamen aber mehr Bewohner ins Land, die Familien wurden größer
und der Boden wallte nicht mehr so viel hergeben wie in den glücklichen
Jahren der Vergangenheit. So verschwand eine Wiese nach der anderen und
die Äcker der beiden kamen einander näher, bis sie nur noch
durch einen Weg getrennt waren, den beide benutzen mußten, um die
Karren mit den Feldfrüchten unter Dach und Fach zu bringen.
Weil es aber links und rechts des Wegs keinen Platz mehr zum Lagern der
Rüben und Kartoffeln, aber auch des Mists und der aus den Äckern
gelesenen Steine gab, kam es eines Tages zwischen den beiden zum Zwist.
Der eine Bauer, man nannte ihn Morhardt, hatte an seinem Ackerrain einen
Haufen Knollen und Wurzelwerk aufgeschichtet, als der andere, genannt
Heeg, mit einer Fuhre Mist kam, mit der er seinen Acker düngen wollte.
Da die Rüben des Morhardt den Weg versperrten, forderte Heeg diesen
auf, einige der Knollen beiseite zu räumen, worauf er aber nur zur
Antwort bekam, er solle seinen Dreck wieder heim schaffen, da merke man
den Gestank nicht so.
Wutentbrannt nahm der Heeg - er war bärenstark - seinen Wagen an
der Deichsel und leerte seinen Inhalt mitten auf die Knollen des Morhardt.
Wohl wissend, daß er dem Heeg unterlegen war, ließ es Morhardt
nicht zu einem Kampf kommen, schimpfte nicht einmal, aber als dar Heeg
am nächsten Morgen seine Ernte einfahren wollte und an seinen Acker
kam, fand er auf ihm einen riesigen Haufen von Steinen. So ging es weiter:
Als nächstes fand Morhardt in seinem Stroh eine Wagenladung Scherben,
als Heeg am nächsten Morgen an seinem Feld anlangte, hausten in seinen
Kartoffeln die Schweine des Morhardt, die Heeg dann nach Sailauf jagte,
wovon dieser Ort seinen Namen hat.
Schließlich begegneten sich die beiden Zankhähne an einem dunstigen
Herbstmorgen, Heeg auf einem Wagen mit Rüben, Morhardt auf einer
Fuhre stinkender Rettiche, Eier und verfaulter Knochen. Nun ging ein lustiges
Werfen an, Schützen wie Gefährte waren bald von einem Haufen
Unrat bedeckt. Um den Kampf zu beenden, ergriff Morhardt schließlich
einen Stein, Heeg eine große, harte Rübe, beide zielten auf
den Kopf des Gegners und sanken im gleichen Augenblick sterbend auf ihre
Haufen.
Die Kinder der Kampfhähne zeigten sich vernünftiger als ihre
Väter. Sie begruben den Streit mit ein paar ordentlichen Humpen Kahlgründer
Weins und die Väter, die ja, da sie sich gewaltsam aus dem Leben
gerissen hatten, nicht auf dem Kirchhof beerdigt werden durften, mit der
Erde, die die beiden Äcker trennte. So entstanden mehrere große
Hügel, deren Herkunft allmählich in Vergessenheit geriet. Die
Kinder gaben, um nicht auch in Streit zu geraten, die Landwirtschaft auf
und verdienten ihren Lebensunterhalt als Kalkbrenner und Jäger in
den Wäldern der Grafen von Rieneck.
Viele hundert Jahre spätere - die neue Zeit hatte begonnen - kam
jedoch ein Gelehrter der Historia nebst seinen Studiosi in diese Gegend
und erblickte in den fünf Haufen eine Stätte großer Bedeutung.
Tag und Nacht gruben er und seine Helfer, unterstützt von Bauleuten
und Bediensteten der nahegelegenen Dörfer. Kein Knöchlein durfte
vergessen werden, Scherbe für Scherbe, wurden die zerworfenen Krüge
wieder zusammengesetzte und von der Anordnung der Steine machte der Professor
einen Plan.
Überschwengliche Freude bereitete dem Ordinarius der Fund der Überreste
der beiden Bauern, auf stabilen Wagen, umgeben von Lebensmittelresten
und Gebrauchsartikeln des Haushalts. Alle seine Unterlagen wiesen seine
prähistorischen Funde als Grabstätten keltischer Fürsten
aus, die man, tausend Jahre vor unserer Zeitrechnung, zusammen mit Kriegswagen,
Hausstand und Verpflegung hier bestattet hatte. Zudem bewiesen die eingeschlagenen
Schädel deutlich, daß diese Fürsten im Kampf gefal-len
waren und die Hügel somit als Kultstätten hohen Ranges zu betrachten
waren.
So verfügen die Schimborner und Feldkahler, das sind die Bewohner
der nächstgelegenen Dörfer, nun über Kulturdenkmäler,
um die sie die ganze Umgebung beneidet. In Königshofen wollten deshalb
einige Geschichtsnarren in der folgenden Zeit die Gräber von zwei
Königen entdeckt haben, man fand unter ihnen jedoch nichts weiter
als befestigte, inzwischen verschüttete Misthaufen aus der Zeit vor
dem Kriege. Auch die Version der Blankenbacher, ein Ackerrain in der Nähe
der Schöllkrippener Straße sei ein Überrest des römischen
Limes, wird von Fachleuten stark bezweifelt. So kann sich Feldkahl allein
rühmen, eine Siedlung keltischen Ursprungs zu sein.
Quelle: E-Mail-Zusendung von Hartmut Haas-Hyronimus, vom 8. November 2004, Hoimanns Erzählungen, Sage Nr. 12