Die drei weißen Tauben

Es war einmal eine Mutter, welche einen braven Sohn mit Namen Hansl hatte. Als dieser neunzehn Jahre alt war, ging er in die weite Welt, um sich einen Dienst zu suchen. Eines Abends verirrte er sich in einem ungeheuren Wald, aus welchem er nicht mehr herausfinden konnte. Da erblickte Hansl plötzlich in der Ferne ein Licht, auf welches er sogleich zuging. Er fand eine alte baufällige Hütte, welche von einem alten und häßlichen Mann bewohnt war.

Als Hansl in dieselbe eintrat, fragte ihn der alte Mann barsch um sein Begehr.

»Ich weiß selbst nicht, was ich hier begehren sollte«, antwortete Hansl, als er die ärmliche Einrichtung der Hütte bemerkte; »denn ich bin in die Welt gegangen, um mein Glück zu machen, und ich möchte gern bei einem wohlhabenden Mann dienen, wenn mich ein solcher annehmen wollte.«

»Nun, wenn du willst, so bleib bei mir«, sagte der Mann, »du hast zwar bei mir nicht viel Arbeit, aber du musst ein Jahr und drei Tage bei mir aushallen, sonst würde es dir schlecht ergehen.«

Hansl bedachte sich eine Weile, dann willigte er ein und blieb.

Das Jahr verstrich; und der alte Mann sagte am dritten Tag zum Hansl: »Die bedungene Zeit ist um, und da du mir so treu gedient hast, so nimm dir als wohlverdienten Lohn so viel Gold, als du tragen kannst, und diese weiße Taube, welche ich dir unter folgender Bedingung schenke: Wenn du nämlich in deine Heimat kommst, so erbau dir eine Burg und reiß dieser Taube drei Federn aus; dann wird aus ihr eine blühende Jungfrau werden, welche dein Weib sein soll. Die drei Federn aber verbirg so gut als möglich, denn wenn sie deine Frau wieder einmal in ihre Macht bekäme, so würde dich Unheil treffen.«

Hansl bedankte sich bei dem guten alten Mann und machte sich dann auf den Weg nach der Heimat. Dort ließ er sich von dem vielen Gold eine Burg erbauen, welche er Taubenburg nannte. Als das prachtvolle Gebäude fertig war, riss er der Taube drei Federn aus, und sie verwandelte sich sogleich in eine schöne Jungfrau, mit der er drei Jahre glücklich und zufrieden lebte. Nach dieser Zeit hatte sich Hansl eines Tages auf die Jagd begeben, und seine Mutter saß mit der jungen Frau allein zu Hause. »Wirklich, man kann die ganze Welt durchgehen«, sagte Hansls Mutter, »so wird man doch kein so schönes Weib finden, wie du eines bist.«

»Oh, ich würde noch viel schöner sein, wenn ich die Federn besäße, welche mein Mann verborgen hat«, antwortete die Jungfrau traurig.

Da die Mutter sehr neugierig war und den Ort wusste, wo Hansl die Federn verborgen hatte, so holte sie dieselben schnell herbei und überreichte sie der jungen Frau. Sie steckte die Federn schnell in ihren Leib, und augenblicklich war sie wieder eine Taube mit schwarzen Flügeln. Sie setzte sich darauf an ein offenes Fenster und erwartete die Rückkunft ihres Mannes. Als er eintrat, bedankte sie sich bei ihm für alles Gute und flog fort.

Hansl war untröstlich über diesen Vorfall, doch geschehen war geschehen, und er musste sich dem Schicksal fügen. Hansl entschloss sich nun, den alten hässlichen Mann im Wald aufzusuchen und denselben um Hilfe zu bitten. Doch dieser konnte ihm nicht mehr helfen, sondern gab ihm einen Auftrag an seinen Bruder, welcher ungeheuer weit von der Hütte entfernt war und dem alle Vögel und Tiere Untertan waren.

Er befahl einem Zwerg, Hansl zu seinem Bruder, dem Beherrscher aller Vögel und Tiere, zu führen. Der Zwerg rannte wie besessen vor dem Hansl her, und in kurzer Zeit war Hansl mit dem Zwerg am Ziel seiner Reise.

Der Beherrscher aller Vögel und Tiere war noch hässlicher als sein Bruder, und Hansl erschrak heftig, als er ihn erblickte.

»Fürchte dich nicht, mein Sohn«, sagte dieser jedoch, »und erzähl mir, was dich zu mir führt.«

»Herr«, sagte Hans, »dein Bruder sendet dir durch mich seinen untertänigen Gruß und lässt dich bitten, du möchtest mir sagen, wo ich die drei verzauberten Tauben suchen soll, welche sich alle hundert Jahre in seinem Teich zu baden pflegen.«

»Ich selbst weiß es nicht«, entgegnete der Alte, »aber ich will die Vögel und alle Tiere befragen, welche unter meinem Gebot stehen.«

Er nahm nun ein Pfeifchen, ließ einen gellenden Pfiff ertönen, und augenblicklich wimmelte die ganze Gegend von Tieren, welche wie aus einem Mund schrien: »Was befiehlt unser Beherrscher?«

Der Zauberer befragte nun die Tiere, ob sie nicht die Tauben wüssten oder doch gesehen hätten, welche sich im Teich seines jüngsten Bruders alle hundert Jahre zu baden pflegen.

Alles schwieg, kein Tier gab eine Antwort.

»Nun, du siehst«, sagte der Zauberer, »dass es keiner meiner Untertanen weiß, wo diese Tauben hingekommen sind, und ich bin daher nicht imstande, dich zu befriedigen; aber einen Rat will ich dir geben, welcher dir gewiss frommen wird. Geh nämlich zu meinem Bruder, dem Beherrscher aller Hexen, Zwerge, Riesen und Kobolde, der wird dir gewiss Auskunft geben können.«

Nach diesen Worten befahl der Zauberer einem zweiköpfigen Riesenadler, den Hansl auf seinen Rücken zu nehmen und ihn zu seinem Bruder, dem Beherrscher aller Kobolde, zu tragen.

Der Riesenadler vollführte den Auftrag, und abends befand sich Hansl vor dem Beherrscher der Kobolde. Dieser, der älteste der drei Brüder, war ein schöner und riesiger Mann; sein Haupt, von langen, blonden Haaren umwallt, war mit einem Kranz aus Eichenlaub geziert; in seiner gewaltigen Rechten hielt er eine entwurzelte Tanne.

Hansl fasste sogleich zu dem Riesen Vertrauen und trug ihm seine Angelegenheit vor. Der Riese stampfte mit dem Baum auf die Erde, dass sie erzitterte, und sogleich wimmelte die ganze Gegend von schwarzen Ungeheuern, welche die Untertanen des Riesen waren. Alle riefen mit Donnerstimmen: »Was befiehlt unser Herrscher?«

Der Riese befragte nun seine Teufel, ob sie nicht die Tauben irgendwo gesehen hätten, welche sich in dem Teich seines jüngsten Bruders zu baden pflegen. Alle Ungeheuer schwiegen.

Der Riese sah sich um und vermisste einen Kobold. »Wo ist der Hinkende?« fragte er.

»Hier bin ich«, sagte der Hinkende außer Atem, denn er war schnell gelaufen, um noch zur rechten Zeit anzukommen.

Der Riese fragte ihn nun ebenfalls, ob er die Tauben nicht gesehen habe.

»Ich habe sie gerade über ein großes Meer gejagt«, antwortete er, »ich konnte sie aber nicht erwischen, da die drei Tauben mitten im Meer einen goldenden Palast haben, welchen sie bewohnen.«

»Schon gut«, sagte der Riese, »diesen Menschen trägst du zu dem Palast der drei Tauben«; und zum Hansl gewendet, raunte er ihm unter anderm ins Ohr: »Wenn dich der Kobold fragt, wie schnell er mit dir fliegen solle, so sage: 'So schnell, wie ein Geist geht.'«

Der Hinkende lud den Hansl auf seinen Rücken, und flugs ging es durch die Lüfte.

So flogen sie zwei Tage lang und hatten nur noch den Raum von sieben Meilen zurückzulegen. Man konnte schon das weithin schimmernde Dach des Palastes sehen, da fragte plötzlich der Kobold den Hansl: »Siehst du das Dach?«

»Nein«, antwortete dieser und drückte die Augen zu, denn es war ihm auch befohlen worden, dass er auf jede Frage des Kobolds mit nein antworten solle, sonst hätte ihn der Kobold fallen lassen.

Nun kamen sie auf drei Meilen dem Palast nahe, und der Kobold fragte abermals: »Siehst du den Palast?«

Und abermals verneinte Hansl die Frage.

Endlich waren sie über dem Dach, und wieder fragte der Kobold, ob er das Dach sehe, und abermals gab er eine verneinende Antwort.

»Du musst blind sein, Kerl«, brüllte das Ungetüm, trug den Hansl in den Palast hinein und setzte ihn auf eine Tafel, an welcher eben die drei Prinzessinnen speisten.

Diese waren morgens und abends Tauben; in der übrigen Tageszeit konnten sie menschliche Gestalt annehmen. Die drei verzauberten Jungfrauen erschraken über den unerwarteten Besuch, doch sein Weib erkannte ihn sogleich.

Sie begrüßte ihn und sagte: »Du kommst gerade recht, um mich zu erlösen.«

Hansl blieb eine geraume Zeit bei ihnen.

In dem Palast befanden sich zwölf Zimmer, in welchen er seine Zeit zubringen konnte, nur in das dreizehnte durfte er nicht gehen, das war ihm streng verboten.

Doch Hansl gedachte das Gebot nicht lange zu halten. Eines Tages, als die Prinzessinnen nicht zu Hause waren, nahm er den Schlüssel und ging in das dreizehnte Zimmer. Er fand es beinahe ganz leer, nur in der Mitte desselben war ein Tisch, auf welchem drei Gläser voll Wasser standen. Über dem Tisch hing ein riesiger Drache, dessen drei Köpfe an der Decke des Zimmers angenagelt waren.

Der Drache lebte noch, und als er Hansl sah, ersuchte er denselben, ihm ein Glas Wasser zu reichen, er werde ihm dafür einmal das Leben retten.

Hansl besann sich nicht lange, reichte dem Drachen ein Glas Wasser, und als er dieses ausgetrunken hatte, fiel ein großer Nagel herab, und das Ungeheuer hatte einen Kopf frei.

Jetzt bat er ihn um das zweite Glas Wasser, wofür er dem Hansl auch einmal das Leben zu retten versprach. Hansl gab ihm auch dieses bereitwilligst, und der Drache hatte dann zwei Köpfe frei.

»Nun gib mir auch das dritte Glas«, brüllte er den Hansl an, »du musst, ob du willst oder nicht.«

Erschrocken reichte ihm Hansl auch das dritte Glas Wasser.

Nun war der Drache ganz frei, und er flog sogleich zum Meer, wo er die drei Tauben so lange herum jagte, bis er eine erwischt hatte. Es war das Weib Hansls.

Als die anderen zwei Tauben nach Hause kamen, machten sie dem Hansl die heftigsten Vorwürfe und sagten ihm: »Wir hatten uns gefreut, endlich einmal erlöst zu werden, und jetzt hast du unser Los verschlimmert, so dass wir bis zum Jüngsten Tag verzaubert sein müssen.«

Hansl selbst war betrübt über den Verlust seines Weibes. Die drei Prinzessinnen hatten aber noch drei Brüder, welche in Pferde verzaubert waren. Der jüngste derselben war in einem entlegenen Stall des Palastes, der andere war im Stall des Drachen, und der älteste befand sich bei der Judasteufelin.

Eines Tages kam Hansl durch Zufall in den Stall des jüngsten Pferdes, und als er hörte, dass das Pferd sprechen konnte, klagte er demselben sein Elend.

Das Pferd sprach: »Gerade jetzt ist der Drache nicht zu Hause, benütze daher diese Zeit, und stiehl ihm die Taube. Setz dich dann auf mich, und ich werde dich durch die Lüfte davontragen.«

So geschah es auch. Als der Drache nach Hause kam, war seine Lieblingstaube verschwunden. Er erriet bald, was sich während seiner Abwesenheit zugetragen haben mochte, und setzte sich auf ein Pferd, jagte dem Räuber nach und holte ihn bald ein. »Elender«, schrie er dem Hansl zu, »wie kannst du dich unterstehen und mir die Taube stehlen? Ich sollte dich zerreißen, aber ich will meinem Wort treu bleiben und dir für diesmal das Leben schenken.«

Hansl war nun wieder untröstlich. Nach einiger Zeit sagte das Pferd abermals zum Hansl: »Weil der Drache wieder nicht zu Hause ist, so können wir ihm vielleicht jetzt die Taube stehlen.«

Als der Drache nach Hause kam, fragte er das Pferd, wo die Taube hingekommen sei, und es sagte: »Die Taube ist gestohlen und wahrscheinlich nicht mehr einzuholen, da sie schon einen zu großen Vorsprung haben.«

Er setzte sich schnell auf das Pferd und jagte wie im Flug fort. Bald hatte er den Hansl eingeholt und schenkte demselben abermals für das zweite Glas Wasser das Leben.

Als aber Hansl zum dritten Mal die Taube gestohlen hatte und wieder vom Drachen eingeholt wurde, zerriss ihn derselbe in Stücke.

Das Pferd jedoch suchte die Stücke des unglücklichen Hans zusammen, bestrich sie mit einer Salbe, und Hansl war wiederhergestellt. Dann sagte das Pferd zu ihm: »Wenn du meinen Rat befolgen willst, so geh zu der Judasteufelin, und diene ihr drei Tage als Knecht. Als Lohn für deine Dienste verlang das schlechteste Pferd, denn dies ist mein Bruder, welchen die Judasteufelin ungemein martert; er wird dir dann bei deinem Vorhaben sehr gute Dienste leisten.«

Hansl befolgte den Rat und machte sich auf den Weg zur Judasteufelin. Unterwegs sah er eine ungeheure Fliege im Netz einer Spinne, und da er sehr mitleidig war, befreite er dieselbe.

Die Fliege aber sprach: » Wenn du dich einmal in großer Not befindest, so denk an mich, und ich werde dir helfen.«

Er setzte nun seinen Weg fort, und bald bemerkte er in einiger Entfernung einen Fuchs, welcher in eine Grube gefallen war. Er befreite auch den Fuchs, und derselbe versprach ihm ebenfalls seine Hilfe, wenn er einmal seiner gedenke.

Bald darauf gelangte Hansl an ein Meer, über welches er nicht kommen konnte. Indem er nun sinnend am Strand des Meeres einher ging, sah er einen ungeheuren Krebs auf dem Rücken im Sand liegen. Hansl wandte ihn um, und aus Dankbarkeit für den ihm geleisteten Dienst rief er alle Krebse zusammen und befahl ihnen, eine Brücke zu bauen. Und so gelangte Hansl über das Meer.

Die Judasteufelin sah ihn schon von weitem und kam ihm grinsend entgegen, um ihn zu bewillkommnen und zu fragen, ob er bei ihr dienen wolle.

Hansl nahm den Dienst an, und die Judasteufelin sagte zu ihm: »Bei mir dauert der Dienst nur drei Tage, und du brauchst sonst nichts zu tun, als die Pferde zu weiden; verlierst du aber ein Pferd von der Herde, so haue ich dir den Kopf ab und hänge denselben hier auf den Pfahl. Elf Köpfe prangen schon dort auf den Pfählen, der zwölfte Pfahl wartet auf dich.«

Hansl vermochte kein Wort zu erwidern, denn sowohl die Hässlichkeit als auch die Drohung hatten seine Zunge gelähmt. Die Judasteufelin befahl dem Hansl, ihr zu folgen. Sie gab ihm zu essen und noch ein großes Stück Brot mit auf die Weide.

Hansl trieb nun die Pferde fort, und als er auf der Weide anlangte, fühlte er schon großen Hunger. Er sah sich nun genötigt, das Stück Brot zu essen, obwohl ihm das magere Pferd dies verboten hatte. Kaum war das Brot verzehrt, als er auch schon vom Schlaf überwältigt wurde.

Als er erwachte, waren die Pferde fort. Er jammerte und suchte, aber es half nichts, er fand die Pferde nicht mehr. Schon wollte er heimkehren, als ihm plötzlich die Fliege einfiel, wie sie im Netz zappelte, und er dachte bei sich, so werde er in kurzer Zeit wahrscheinlich auch am Pfahl zappeln. Kaum gedachte er also der Fliege, als diese auch schon geflogen kam und die Pferde im Galopp vor sich hertrieb. Hansl war außer sich vor Freude, bedankte sich bei ihr und trieb dann die Pferde nach Hause.

Die Judasteufelin wartete schon auf ihn, und als sie die Herde vollzählig fand, brüllte sie vor Zorn und Wut. Sie nahm nun einen dicken Knotenstock und prügelte sowohl den Hansl als auch die ganze Herde, am allermeisten jedoch das magere Pferd, welches sie so stark schlug, dass Stücke Fleisch von dessen Körper herabhingen. Dann nahm sie eine Salbe, bestrich die wunden Stellen; und augenblicklich war das Pferd wiederhergestellt.

Am anderen Tag trieb Hansl wieder die Pferde fort, und er bekam abermals ein Stück Brot mit auf den Weg. Hansl aber nahm das Brot, zerbröckelte es und warf es in den Sand. Doch bald zwang ihn der Hunger, die Brosamen wieder zusammenzulesen und sie untermischt mit Erde zu verspeisen. Er schlief wieder ein, und als er nach langem Schlaf erwachte, waren die Pferde wieder verschwunden. Hansl schrie und rannte wie besessen herum, fand er doch die Pferde nicht. In seiner Verzweiflung dachte er an den Fuchs. Dieser kam und trieb die Pferde auf ihren alten Weideplatz zurück. Hansl trieb sie wieder nach Hause, und als die Judasteufelin sah, dass kein Pferd abging, wurde sie noch zorniger als das erste Mal, und Hansl und die Pferde bekamen noch mehr Schläge.

Der dritte Morgen kam heran, und wieder trieb Hansl seine Pferde hinaus ins Freie. Die Judasteufelin gab ihm abermals Brot mit und gebot ihm streng, ja das ganze Brot zu essen. Hansl aber warf es wieder weg, doch erging es ihm nicht besser als früher, und er mußte es suchen, um damit seinen ungewöhnlichen Hunger zu stillen. Der Genuß des Brotes hatte dieselbe Wirkung wie früher, und Hansl schlief ein. Die Pferde wussten nun nicht mehr, wo sie sich verbergen sollten, um nicht gefunden zu werden, und sprangen daher ins Meer.

Als Hansl frühzeitig erwachte und die Pferde abermals fort waren, hatte er noch übrige Zeit, um sie zu suchen. Doch war sein Suchen vergebens.

»Dreimal«, sagte er, »haben mir Tiere aus der Not geholfen; wer wird mir jetzt helfen? Der Fuchs und die Fliege halfen mir die Pferde finden, der Krebs half mir übers Meer, und nun habe ich niemand, auf den ich bauen könnte.«

Auf einmal bewegte sich das Meer, und alle Pferde kamen unter jämmerlichem Geheul wieder heraus. Denn als sich Hansl an den Krebs erinnerte, rief derselbe alle Krebse zusammen und befahl ihnen, die Pferde so lange zu zwicken, bis sie das Meer verließen.

Hansl trieb nun freudig die Pferde nach Hause. Jetzt hatte er ausgedient und verlangte von der Judasteufelin das magere Pferd als Lohn.

»Warum denn gerade das magere Pferd?« fragte die Judasteufelin. »Du hast mir ja treu und redlich gedient, ich will dich besser dafür belohnen und dir das schönste Pferd geben.«

Hansl aber bestand darauf, dass er kein anderes als das magere Pferd wolle, und so musste ihm die Judasteufelin seine Bitte gewähren und ihm das verlangte Pferd geben.

Trotzdem wollte sie den Hansl verderben, und sie gab ihm daher noch ein Pferd, welches er reiten sollte, damit er das magere Pferd etwas schone. Hansl folgte auch der Judasteufelin und bestieg das andere Pferd.

Doch der böse Plan dieser Hexe sollte auch diesmal vereitelt werden, denn ehe sie zu dem Tor des Hexenpalastes kamen, sagte ihm das magere Pferd im Stillen, er möchte von dem stolzen Pferd absteigen und sich auf das magere Pferd setzen, denn sonst würde es ihm schlecht ergehen. Hansl sprang schnell herab und bestieg das magere Pferd.

»Der Teufel hat dich gewarnt, du Elender«, brummte das stolze Pferd und verschwand hierauf. Wenn Hansl sitzen geblieben wäre, so hätte sich das Pferd unter dem Tor in die Luft gehoben und auf diese Weise dem Hansl den Kopf eingeschlagen.

Hansl ritt nun getrost zu dem Palast der drei Tauben.

Eines Tages sagte das magere Pferd zum Hansl: »Weil der Drache gerade schläft, so wollen wir ihm jetzt seine Taube stehlen.«

Hansl nahm sie auch und setzte sich dann schnell auf das magere Pferd, welches dabei so riesig wurde, dass es über das Dach des Palastes sehen konnte.

Als der Drache erwachte, fragte er das Pferd in seinem Stall, wer denn jetzt die Taube gestohlen habe.

Das Pferd sagte: »Hansl hat es wieder getan, und es ist an keine Wiedererlangung mehr zu denken, weil Hansl das Pferd der Judasteufelin reitet.«

Der Drache beachtete dies nicht und setzte sich auf das Pferd und jagte den Entflohenen nach. In kurzer Zeit hatte er den Hansl erreicht, und er wollte ihm wie gewöhnlich zuerst die Taube entreißen, aber diesmal gelang es ihm nicht; denn kaum wollte er Hans anlegen, als ihm das Pferd der Judasteufelin mit dem Huf einen so gewaltigen Schlag gab, daß der Drache betäubt aus dem Sattel flog. Schnell tötete Hansl den betäubten Drachen, und dadurch waren die drei Prinzessinnen und auch die Prinzen erlöst.

So hatte Hansl endlich sein Weib wiedererlangt und begab sich mit ihm nach der Heimat.

Quelle: Theodor Vernaleken, Kinder- und Hausmärchen in den Alpenländern, Wien 1863.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Sabine Strasser, März 2006.
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