IX. Lebensweise

1. Die Elfen leben in großen Genossenschaften, manchmal frei, manchmal unter einem Oberhaupt. In den schottischen Hochländern weiß man nichts von der Königin, deren wohl in Irland und England gedacht wird. In Wales haben sie einen König, der von einem Hof umgeben ist; auch in Schweden (Schwed. Lieder III. 158. 159.), wo sie die menschlichen Einrichtungen nachahmen. In Island ist das Verhältnis am meisten ausgebildet. Dort ist der unterirdische Staat dem menschlichen fast ganz ähnlich. Ein Elfenkönig wohnt in Norwegen und dahin reist der Statthalter nebst einigen Untertanen alle zwei Jahre, Bericht abzustatten; dann wird Recht gesprochen und gehandhabt. In deutschen Gedichten des Mittelalters erscheinen Zwergenkönige, die mächtig in ausgedehnten Reichen herrschen. Elberich trägt eine Krone (Otnit Str. III.) und ist König über große, unterirdische Reiche, er sagt zum Otnit (Str. 173):

ich hàn eigens landes mê dan dîner drì.

So ist auch Laurin ein König und gebietet über eine Menge Zwerge.

2. Aller Orten besteht die Lust und Beschäftigung der Elfen im Tanz. Unermüdlich bringen sie ganze Nächte in diesem Vergnügen zu und nur der Strahl der aufgehenden Sonne zwingt sie einzuhalten und sich zu verbergen. Kreise, die sie in das tauige Gras getreten, erblickt man außer Schottland auch in Scandinavion und Norddeutschland und jeder ruft bei ihrem Anblick: "Da haben die Elfen getanzt!" Auf der Insel Man zeigten sich sogar die Spuren ihrer zarten Fußtritte im Schnee. Der Jüngling, der den Tanz der Elfinnen im Mondschein sieht, kann die Augen nicht abwenden, so verführerisch ist er (Danske Viser I. 235. 237. 238.). Eine deutsche Sage (Nr. 31.) beschreibt ein Hochzeitfest der Unterirdischen, der Graf Eulenburg tanzt mit ihnen, muß sich aber, wie jener irische Tänzer (s. unten) so schnell in den leichten Wirbeln der Geister umdrehen, daß er fast den Atem verliert. Bergmännlein kommen aus den Schächten hervor, die Nixen aus der Tiefe, um Anteil an dem Tanz der Menschen zu nehmen und zeichnen sich durch besondere Zierlichkeit und Geschicklichkeit aus (Nr. 39. 51. 58.). Auch sieht man die Nixen auf dem Wasserspiegel tanzen (Nr. 61.) und die Zwerge vor den Riesen (Dieterich und Hildebr. Str. 159.). Dänische Sagen davon hat Thiele I. 48.

Gleicherweise die serbischen Vilen (wie die Elfinnen jung und schön, mit langen Haaren, auf Bergen und in Wäldern wohnend) halten auf Wiesen ihren Reihentanz (Kolo); ein Lied in der Wukischen Sammlung (Thl. I. Nr. 75.) beginnt:

O Kirschbaum, Kirschbaum,
heb die Äste oben,
unter dir die Vilen
führen Zaubertänze;
Radischa vor ihnen
schwingt Thau mit der Geisel
führt zwei Vilen,
redet zu der dritten.


3. Verbunden mit der Liebe zum Tanz ist die Liebe zur Musik. Wo die Elfen ein Fest feiern, da bringen sie auch die Musik mit, ebensowenig fehlt sie bei ihren großen Zügen; darin stimmen die Sagen aller Völker überein. Die Wasserjungfrauen wissen unbekannte Lieder zu singen (Deutsche S. Nr. 306.) und der Zauber ist nicht zu beschreiben (Danske Viser I. 234.), den der Gesang der Elfinnen auf die ganze Natur hervorbringt, alles horcht darauf und scheint gleichsam zu erstarren. Eine schottische Elfin kommt zu einem Landmann, bittet ihn, ihr ein altgälisches Lied zu singen und belohnt ihn reichlich dafür. Auch Elberich hat die Musik nicht vergessen, wie der schwedische Nix oder der Strömkarl, der in der Tiefe des Wassers sitzend den Elfen zum Tanz aufspielt, oder der Bräutigam, der durch sein Spiel den Nix zwingt, ihm seine Braut zurückzubringen (Danske Viser I. 328. Svenska Visor III. 140.), hat er eine Harfe:

Otnit Str. 522. er ruorte also geswinde die Seiten allesamt
in einem suezen dône, daz der sal erdôz.

Von dem Hausgeist Goldemar (Meibom script. I. 286.) heißt es: lusit dulcissime in instrumento musicali chordis aptato. Ein anderer singt (Deutsche Sagen I. S. 113.) und der irische Cluricaun pfeift sich zur Arbeit. In Norwegen heißt die Musik der Unterirdischen Huldre slaat und klingt dumpf und klagend. In Irland und Schottland schallt sie nächtlich aus den Riesenhügeln und Shians der Elfen. Ein Shetländer, der musikalisches Gehör hatte, lernte die Melodie eines nächtlich vorüberziehenden Haufens. Auf Seeland wie im südlichen Schweden kennt man ein Elfenkönigstück, das jeden der es hört, alt und jung, selbst leblose Dinge, zum Tanz treibt, wie jene irische Melodie des jungen Sackpfeifers (s. unten), und der Spieler selbst kann nicht ablassen, wenn er nicht versteht das Lied genau rückwärts zu spielen oder ihm jemand von hinten die Saiten der Geige zerschneidet.

4. Gleich den Menschen begehen die Elfen zwei große Feste, bei dem höchsten und tiefsten Stand der Sonne, in feierlichen Umzügen. Am ersten Mai, morgens, wie die Sonne sich erhebt, steigt der irische Held O' Donoghue, unter dessen Herrschaft vordem die goldne Zeit auf Erden war, mit seinen leuchtenden Elfen aus der Tiefe des Sees Killarney und hält im höchsten Glanz und vollkommner Lust, selbst auf einem milchweißen Pferde reitend, seinen Zug über das Wasser. Seine Erscheinung verkündigt Segen für das Land und glücklich, wer ihn erblickt.

Weihnachten, wenn die Sonne am tiefsten gesunken ist, halten die Unterirdischen mit wilder, Schrecken erregender Lust ihren mitternächtlichen Umzug. Es sind die grün gekleideten Elfen, die durch Wälder und Einöden dahin brausen: man hört das Geräusch ihrer Pferde, das Hallogeschrei, den Klang der Hörner (Waldron p. 132.). Deshalb heißen sie das wütende Heer, die wütenden Jäger und auf Möen der Anführer Grön Jette (Thiele I. 196.). Der Ausdruck selbst ist alt, denn der Dichter Reinfrieds von Braunschweig (f. 4b) sagt: "Er rauschet wie das wütende Heer" und in dem oben erwähnten Gedicht Ruodigers (fol. 17d) schwört einer "bei dem wütenden Heer". Es ist ebenso gefährlich dem rasenden Zug zu folgen, ja ihn nur zu sehen, als der Anblick des O'Dono-ghue segensreich ist. Auch hier jagt ein Anführer voraus, wozu die deutsche Sage die Frau Holle in ihrer bösen Eigenschaft (Nr. 4. 5.) und die Tutosel (Nr. 311.) macht; oder es wurde der Hackelberg (Nr. 248.), Rodenstein (Nr. 169.), der Ritter von Davensberg (Münster. Sagen. 1825. S. 168. 169.), in Dänemark Waldemar, Palnatoke und Abel (Thiele I. 52. 90. 110. II. 63.) vorangestellt. Sie reiten auf schwarzen, häßlichen und zerzausten Pferden.