Die drei kleinen Hühnchen
Es waren einmal drei kleine Hühnchen, welche der Vater und die Mutter
aus dem Hause gejagt hatten: ein weißes, ein schwarzes und ein rotes.
Nachdem sie eine Weile geweint hatten, sagten sie zueinander: "Was
sollen wir machen?" Sie gingen auf Abenteuer aus und wanderten weit,
weit, weit davon. Nachdem sie eine Zeitlang gewandert waren, fanden sie
einen großen Steinhaufen. Sie machten halt und sagten zueinander:
"Wenn wir mit diesen Steinen eine kleine Hütte bauen würden?"
Gesagt, getan; sie machten sich an die Arbeit. Als die Hütte fertig
war, sagte das rote Hühnchen, welches das schlauste war: "Ich
will versuchen, ob sie gut schließt." Es schloß sich
ein und wollte den andern nicht öffnen. Das schwarze und das weiße
Hühnchen sahen, daß hier auf keine Barmherzigkeit zu hoffen
sei, und gingen weiter.
Sie fanden einen anderen Steinhaufen und sagten zueinander: "Wenn
wir eine kleine Hütte bauen würden?" Gesagt, getan; sie
machten sich an die Arbeit. Als die Hütte fertig war, sagte das schwarze:
"Ich will versuchen, ob sie gut schließt!" Es schloß
sich ein und wollte dem weißen nicht öffnen.
Das arme weiße ging unter Tränen davon; es begann zu laufen,
aber das nützte es nichts, nirgends fand es etwas. Die Nacht überraschte
es, da hielt es inne und weinte: "Ach, was soll aus mir werden?"
Im gleichen Augenblicke bemerkte es eine schöne Frau, welche zu ihm
sprach: "Was machst du da, liebes kleines Hühnchen? Warum weinst
du?" Das kleine Hühnchen erzählte ihr, was geschehen war.
Die schöne Frau aber war die heilige Jungfrau, sie sagte zu ihm:
"Weine nicht mehr, du wirst eine schönere Hütte bekommen
als deine Schwestern. Aber behalte gut in acht, was ich dir sage: wenn
jemand an deine Türe klopft, so darfst du nicht öffnen, denn
es möchte der Wolf sein, der dich fressen will." Mit diesen
Worten verschwand die heilige Jungfrau und an ihrer Stelle stand ein schönes
Schloß.
Der Wolf kam zur Hütte des kleinen roten Hühnchens und sagte
zu ihm: "Mach mir auf!" Das kleine Hühnchen antwortete:
"Nein, nein, nein, du bist der Wolf, du würdest mich fressen!"
Der Wolf sagte zu ihm: "Ich werde trampeln und trampeln, bis deine
Hütte einbricht!" Das kleine Hühnchen erwiderte: "Du
magst trampeln und trampeln, meine Hütte wird nicht einbrechen!"
Er trampelte und trampelte, die Hütte brach ein und der Wolf fraß
es.
Dann ging er zur Hütte des kleinen schwarzen Hühnchens und sagte
zu ihm: "Kleines Hühnchen, mach mir auf!" "Nein, nein,
nein, du bist der Wolf, du würdest mich fressen!" "Ich
werde trampeln und trampeln, bis deine Hütte einbricht!" "Du
magst trampeln und trampeln, meine Hütte wird nicht einbrechen."
Er trampelte und trampelte, die Hütte brach ein und der Wolf fraß
es.
Er ging zur Hütte des kleinen weißen Hühnchens und sagte
zu ihm: "Kleines Hühnchen, mach mir auf!" "Nein, nein,
nein, du bist der Wolf, du würdest mich fressen!" "Ich
werde trampeln und trampeln, bis deine Hütte einbricht!" "Du
magst trampeln und trampeln, meine Hütte wird nicht einbrechen."
Er trampelte und trampelte, aber die Hütte brach nicht ein und der
Wolf kam um. Der Hahn krähte und das alberne Geschichtchen ist aus.
Quelle: Ernst Tegethoff, Französische Volksmärchen. Jena, 1923. Band 2, Nr. 48