DER SPIELRATZ
(EINE PREVERANZENGESCHICHTE)

VON GEORG OPPERER

in: Grenzbote 1928


Simel war ein arger Spielratz. Wenn es gegangen wäre, hätte er am liebsten sein ganzes Leben mit Kartenspielen, mit Preveranzen zugebracht. Aber er mußte auch leben, arbeiten und schlafen, und sogar soviel Zeit nahm er sich zwischen diesen Aufgaben und dem Spiel, daß er sich verliebte, ja sogar
verlobte. Daß es zum Heiraten kommen sollte, dafür sorgte die Braut, denn der Simerl war kein übler Mensch, und so kam der Hochzeitstag heran. Simerl hatte alle Vorbereitungen dazu teilnahmslos über sich ergehen lassen oder unter seinem Preveranzen vergessen.

Seine Spielgefährten beschlossen, den Simerl auch das Heiraten vergessen zu machen. Sie fingen ihn am Hochzeitstag, als er sich zum Kirchgang in das Gasthaus, in welchem die Hochzeitsfeier stattfinden sollte, begeben wollte, ab und luden ihn zu einem Preveranzen ein. Simerl machte einen Blick auf die Uhr:

Ein Bühl geht noch! Die setzten sich in ein nächstgelegenes Gasthaus zusammen und waren eifrigst dem Spiel ergeben.

Inzwischen wartete die Hochzeitsgesellschaft mit Ungeduld auf den Bräutigam.

Als dieser zur Stunde, zu welcher die Hochzeit stattfinden sollte, noch nicht eintraf, wurde der Mesner in das Haus des Bräutigams gesandt, um diesen zu holen. Als er von der unverrichteter Sache zurückkam, machte er
sich auf dem Weg rund um alle Gasthäuser. Dabei hatte der Mesner Glück. Er fand Simerl beim „Lampl“, aber so vom Spielteufel besessen, daß er mit seiner schüchternen vorgetragenen Botschaft kein Gehör fand. Der Mesner setzte sich zu Simerl an den Tisch, dieser hielt ihn für einen Kibitz. Der Mesner hat aber nie eine Spielkarte in der Hand gehabt, ja er kannte sie gar nicht. Der Mesner versuchte in den kleinen Pausen, die im Spielhoangert eintreten, dem Simerl seine Botschaft möglichst schonend auszurichten, denn er fürchtete sich völlig vor hitzköpfigen Preveranzern.

"Hast ganz auf dein Tag vergessen, Simerl?" suchte er denselben sanfte zu erinnern.

"Heut ist nit mein Tag" brummte Simerl, die Karten aufhebend und schon wieder im Spiel vertieft, überhörte er das weitere Zureden des Mesners, der ergänzend sagte: „Dein Hochzeitstag mein ich!" .

„Oachl!“ schreit Simerl, der „fünf“ ersteigert hatte. Diesen Ausdruck verstand der Mesner. „Oachl geht“ heißt im Volksausdruck wie: Nix geht. Er war entrüstet über diese Gleichgültigkeit und meinte aufgeregt, daß das doch kein Spiel sei. Simerl verstand darunter eine Kritik für seine Karten, die er gerade in der Hand hielt, und schrie den Mesner an: „Spiel ist freilich koans, aber helf’n (mitspielen) tua i decht!"

„Hast denn gar kein Herz für deine Braut!“ bohrt der Mesner weiter. Simerl meint, er weise auf die Herzaß, die er im Spiel hat und fragt: „Moanst du die Sau? Was nutzt mir die, wenns nit zufällig a Bock is“ Der Mesner kennt sich nimmer aus. Beim nächsten Ausgeben bekommt Simerl eine schöne Farbserie in die Hand. Er ersteigert „acht“ und erhält sie zugeschlagen. Im Tepper liegt’s auch günstig. Er überlegt eine Weile, seine Karten ordnend und zum Auslegen wählend. „Was geht?“ fragen ungeduldig die zwei anderen Spieler.
Und er Mesner benutzt die Pause, ein letztes Mal auf Simerl einzudringen. Er stoßt ihn sanft mit dem Ellbogen und mahnt: „Geht jetzt, Simerl, laß dich nit lang bettln“ „Bett'ln werd i ?“ schreit Simerl „du Hirschegger. Mord’n tua i !“ und schlagt mit der Faust auf den Tisch.

Der Mesner springt auf diese von ihm als Drohung aufgefaßte Spielansage erschrocken auf und flüchtete aus der Stube zurück zur Hochzeitsgesellschaft wo er vom Zustand des Simerl erzählte.

„Ist halt nichts zu machen“, tröstete der Herr Pfarrer „müssen wir dieTrauung einfach verschieben. Aber ‘s Kirch’n müssen wir abhalten. Geh’ ns Z’sammleuten, Mesner.“

Im „Lampl“ haben die Preveranzer inzwischen das Bühl ausgespielt. Simerl, der den „Mord“ gewonnen hat, zieht eben den letzten Sechser aus der Schanz, als es „z’ sammläutet“ .Er horcht auf und fragt: „was is denn heut los, daß so groß läuten?“ - „Dei Hochzeit ist!“ teilen ihm die beiden Freunde als Neuigkeit mit. Simerl kommt auf einmal zum Bewußtsein seiner Lage, versteht nun blitzartig die Ermahnungen des Mesners und enteilt mit der Entschuldigung: „Himmi-saggra da muaß ja i a dabei sein.“ dem Freundeskreis.

Quelle: Georg Opperer, in: "Der Grenzbote", 1928
von Gottfried Opperer freundlicherweise am 7. Jänner 2004 per Email zur Verfügung gestellt