DAS GRAUSIGE GATTERL
(EINE GEISTERGESCHICHTE AUS HOPFGARTEN)

VON GEORG OPPERER

Zwischen dem Höger-Hochoben und dem Höger-Brandl, zwei zum Höger in Hopfgarten gehörigen Grundstücken, grenzt eine Waldspitze des Petererböndl an den auf die Hohe Salve führenden Weg. Hier zweigt ein Steig über das Petererböndl zum Mölling ab. Am Eingang ist ein Gatterl angebracht: „Das grausige Gatterl“.

An dieser Stelle hat vor "a Weil" ein leibhaftiger Teufel die Engelamtbesucher des Salvenberges argen Schrecken eingejagt.

Die gegenwärtige sorgendurchdrungene Zeit verträgt wohl eine Anleihe beim urwüchsigen Humor unserer Väter, dem auch das in Rede stehende Gatterl die unheimliche Bezeichnung verdankt.
Das betreffende Ereignis ist äußerst ulkigen Ursprunges und Wert erzählt und dadurch der Vergessenheit entrissen zu werden.

Beim Kummerlederer lebte und waltete zur selben Zeit eine flinke Maid, die seit dem Tode ihrer Mutter dem umfangreichen Hauswesen vorstand: die Kummerergredl.

Ebenda pflegten die Schmiedgesellen von Penzen und Haslauer in fröhlicher Gesellschaft bei Spiel, Gesang, Tanz und Geschichten erzählen ihre Feierstunden zu verbringen und genossen bei den Gerberleuten weitgehendste Gastfreundschaft. Es war das ein altes Herkommen, zur Zeit, in welcher unsere Geschichte spielt, in Anbetracht der Anziehungskraft der Gredl aber nicht mehr als Mittel zum Zweck.

Gredl fand wohl gefallen an den Gesängen, den Kraftwettspielen und besonders an den meist überabenteuerlichen Erzählungen der Schmiede - sie waren ja "bereist" und verfügten über einen gewissen Schliff -, aber für einen der zahlreichen Verehrer dieses Kreises erwärmen konnte sie sich nicht.

Viel lieber, sogar sehr gern sah sie dagegen den Kaminkehrer-Daniel, einfrüh verwaister Sprößling einer italienischen Steinbrecherfamilie, den der Kaminkehrer angenommen und später in sein Metier eingeführt hatte. Der geborene Südländer nannte große, schmachtende Augen sein eigen und ein schmeichelhaftes, grenzenlos devotes Wesen und eine dementsprechende Redensart.

Diese fremdartigen Eigenschaften belustigten die Gredl teilweise, teilweise gefielen sie ihr und langsam verfiel sie dem Banne dieser Eindrücke, wozu der leidenschaftliche Funke, der ab und zu aus Daniels Augen dunkel
hervorblitzte, das Seine beitrug. Gredl verliebte sich in den Kaminkehrer.

Das Verhältnis blieb den Schmiedgesellen nicht lange verborgen. Die Rivalen fanden sich zu gemeiner Rache.
Am Forstgehilfen Zahner erstand ihnen hierin ein willkommenes Werkzeug.

Zahner, ein schmucker, lebhafter Bursche, hatte auf seinen Dienst- und Pirschgängen das seelenlose Mädel beim Kummerer entdeckt und bewarb sich eifrigst und stürmisch um sie.

Die Hoffnungen des Forstgehilfen auf einen Erfolg seiner Werbung einerseits, die Eifersucht Daniels anderseits wurde seitens der, gegen letzteren verschworenen Schmiedgesellen eifrig geschürt.

Sie heckten immer neue Possen aus, die sowohl gegen den Kaminkehrer als den Förster und die Gredl ausgespielt wurden.

Der Schmiedhannes, einer der verbittertsten unter den Verschmähten setzte diesen Quertreibereien durch einen besonderen Plan die Krone auf.

An einem Adventsonntag in aller Früh - es war empfindlich kalt, der Schnee quietschte unter den Tritten -, machte sich Hannes äußerst geräuschvoll an der Tür zum Wagenschupfen beim Gredl zu schaffen. Zufällig kam ein zweiter der Schmiedfritz dazu und wunderte sich darüber.

Mußt a nit auf mi aufpass'n, host eh ah nix z' suachn um die Zeit, verwies ihn Hannes unwillig.

I paß dir e nit auf, Hannes. Da host an falschen an mir, aber i kimm grad vom Kummerer, mia hab'n heut an zach'n Prevaranzen g'macht und weil i di grad siach, muaß i da a Neuigkeit dazähl'n, s' is z'lustig zum aloan wissn!

Der Hannes rüttelte mit aller Gewalt an der Schupfentür , sie wollte nicht nachgeben. "Was nacha ?" frug er nun neugierig etwas heftig „Vielleicht von der Gredl öppas?"

"Ja von der Gredl und vom Zahner hi, hi", lachte Fritz heimtückisch.

Oben in der Schupfen raschelte etwas im Stroh.

Dort hatte nämlich der Kaminkehrer Daniel für den größten Teil des Jahres sein Nachtlager aufgeschlagen, denn bei allem Ge-schmack für ein fallweises Herausputzen bestand zwischen Daniel und dem Wasser eine beständige Fehde.

Um sich nicht täglich waschen zu müssen, zog er das Strohlager einem Bett vor. Von seinem Lager hatte ihn schon Hannes durch sein Umarbeiten beim Schupfentor aufgeschreckt. Auf das Gespräch unten wurde er erst aufmerksam, als es sich um die Gredl, seine Gredl drehte. Er streckte den schwarzen Kopf heraus und lauschte.

Damit hatten die Beiden gerechnet und Fritz legt los:

"Ja, so umma droi is die Gredl aufgstand'n. Sie will in Markt gehen, zum Engelamt hats gsagt. Heunt is aber das Engelamt für die Salvenberger - d'Moasterin verkündet ins ja den ganzen Kirchenkalender, woaßt e -, dößweg'n hab' i mir denkt, da steckt öppas anders dahinter und bin ihr nachg'schlich'n und richtig, bei der Waldkapelle hot der Zahner auf sie gwartet. Sie send über Schwo-aga ganga, wahrscheinlich übers Petererböndl ins Marktl. Is ja der nächste Weg hi, hi," kicherte Fritz "und schean ton hots ihm. Wennst di schleunst, kannst beim Gatterl ober dem Höger-Hochoben abpass'n und derschröck’n" .

"Fallt ma nit ei'." murrt Hanes. "I laß heut das Trinkgeld vom Glasherrn für's Hacken liefern nit hint und guat'e Jaus'n. Döswe-gen mecht i ja den Schlitt'n außa habn, wenn i aufbracht. Mir is e liaba, sie geht mit dem
Zahner als mit dem wällischen Kaminkehrer."

"I hob nur gmoant", gab Fritz eingeschüchtert zurück.

Da huschte eine schwarze Gestalt hinter den Bodnerhäusern vorbei, dem Ziachenhäusl zu. Es war Daniel, der die Gelegenheit zum "derschröck'n" jedenfalls für sich in Anapruch nehmen wollte. Hannes und Fritz hielten sich die Bäuche vor Lachen. Das wollten sie ja.

Beim Gatterl zum Petererböndl hatten sie eine Drahtschlinge gelegt und obendrein war dort ein dritter im Bund, als Klaubauf verkleidet und mit einer Gabel, deren Zinken rot, wie glühend angestrichen, postiert, sowie
auch für ein improvisiertes Liebespaar besorgt war.

Der Daniel eilte, von wilder Eifersucht gepeitscht, seinem Verhängnis entgegen.

Ohne zu verschnaufen stürmte er den Salvenweg hinter dem Höger hinauf und durch das Gatterl. - Da, was war das! Er verfing sich mit den Füßen in etwas und kam zu Fall. Als es ihm endlich gelungen war, sich auf die Knie aufzurichten, sah er den leibhaftigen Teufel vor sich.

"'eilige Muttergott's! 'eilige Schutzengel ", jammerte er. Es lief ihm eisig. über den Rücken. Und nun entdeckte er die Gredl mit dem Zahner schöckernd und kosend. Ihre Gestalten hoben sich deutlich vom Schnee ab.
Sie waren es sicher. Das waren für Daniel wirklich Höllenqualen.

In seiner Verzweiflung schrie er in den Wald hinein: "Schuft! Luda Gredl! "

Da tritt wieder sein Peiniger mit der glühenden Gabel aus dem Dickicht. Daniel lag noch immer auf den Knien. Der Schrecken machte ihm das Herz weich. Man sagte ihm nach, daß sich dieser Gemütseindruck bis in die Hose fortsetzte.

Er versuchte von der Schlinge loszukommen und riß und zerrte bis er total erschöpft vor Angst und Müdigkeit laut stöhnend an den Zaun hinsank.

Da kamen die ersten Kirchleut mit brennenden Bucheln den Weg herunter. Sie erschreckten von den unheimlichen Lauten zurück.

„Da is grausig' in Gottsnam!“ jammerten die Weiberleut.

Niemand wollte weiter.

Der Wittaler entschloß sich, den Bann zu lösen. Etwas steif, verlegen näherte er sich dem Gatterl. Da kauerte am Zaun der Teufel. Lugg lass'n wollte eben der Wittaler schon nicht mehr. Einige Stoßgebete murmelnd, trat
er beherzt an den Teufel heran, ihm mit der Buchel in das Gesicht leuchtend.

Er erkannte den Kaminkehrer.

„Du wällischer Haderlump, du nixnutziger. Magst gern Leut für an Narrnhalt'n? Den G'spaß werd i dir austreib'n!“

Der Wittaler nahm ihn bei den Ohren und schüttelte den schon halb Erforenen ab.
„Scheppri - i - bitt - di - laß - mi aus - die Schmied - und die Gredl - und - der - Zahner“ kam es ruckweise buchstäblich wie heraus-gebeutelt aus dem Munde Daniels. „Ankengt horns mi“ jammerte er weiter.

„Aufkengt sollst wern“ sagte der Wittaler, „Laggl verdammter“.

Die Kirchleute waren zu einer kleinen Versammlung angewachsen. Man überzeugte sich von der Individualität des Teufels, der tatsächlich in einer Schlinge hing. Die gruselige Stimmung löste sich in herzliches Lachen auf.
Der Plan des Schmiedhannes war bis ins Kleinste gelungen und erlitt durch das Einschreiten des Wittaler sogar eine Zugabe.

Der Daniel kehrte von da ab in Hopfgarten keinen Kamin mehr. Er verschwand wie versenkt. Die Geschichte vom „Grausigen Gatterl“ sorgte lange Jahre hindurch für dessen Andenken. Der Huttererbinder, der Gstöttner, das blinde Zimmermeisterl und der Glasereranderl haben sich in ihren Konzilien beim Glaserer noch davon erzählt. Dort wurde es vom Schreiber erlauscht.

Quelle: Georg Opperer
von Gottfried Opperer freundlicherweise am 7. Jänner 2004 per Email zur Verfügung gestellt