DER MANN AUF DEM DACH
Ein Spengler in St. Johann in Tirol hatte im vorigen Jahr an seinem eigenen
Haus Reparaturen durchzuführen. Da er sehr sicherheitsbewußt
war, ging er nie auf irgendein Dach, auch nicht auf das seines eigenen,
dreistöckigen Hauses, ohne sich anzuseilen. Weil es auf dem Dach
keine stabile Befestigungsmöglichkeit für das Seil gab, führte
er es über den First zur anderen Seite hinunter, befestigte es an
der hinteren Stoßstange seines schweren Range Rovers und fing an,
die defekten Dachschindeln auszuwechseln. Er hatte allerdings die Rechnung
ohne seine Frau gemacht, die nichtsahnend mit dem Geländewagen zum
Einkaufen fuhr. Nach hundert Metern bemerkte sie zu spät die fatale
Situation: sie hatte ihren Mann am Seil über den First und vom Dach
gezogen, er war tot.
Aufgezeichnet im Sommer 1990 von Hans-Christoph Moll, Goch/Rhld., nach
der Erzählung eines Freundes, Skilehrer und Dachdecker in Kirchberg/Tirol,
der beteuerte, daß sich der Unfall tatsächlich so ereignet
hat. Allerdings gibt zu denken, daß er die Geschichte in mehreren
Versionen kannte. So soll der Verunglückte sicherheitshalber den
Zündschlüssel vom Wagen entfernt haben (aber die Frau besaß
einen Zweitschlüssel), außerdem soll er das Seil noch einmal
um den Schornstein herumgeführt haben.
In Wirklichkeit ist der Erzähler wohl einer verbreiteten Wandersage aufgesessen.
Quelle: Das Huhn mit dem Gipsbein, Neueste sagenhafte Geschichten von heute, Rolf Wilhelm Brednich, München 1993, Seite 111
Anmerkung: E-Mail-Zusendung von Walter Herbst, 20. Februar 2004:
"Das ist leider keine Sage sondern ist in Oberfranken
vor ca 10 Jahren wirklich passiert.
Dieses Bravourstück wurde sogar in der lokalen Presse veröffentlicht.
Ich könnte mich nun bei der Ortsangabe irren, ob es Lichtenfels,
Coburg oder Hof war."