Schwarzer See

Das Becken von Kitzbühel eröffnet sich dem Blick nicht eher, als bis man sich schon ganz in der Nähe der Stadt befindet. Bei der kleinen Schenke am 'Klausenbach' sieht man wohl die Wände des Hochkaiser über dem Waldgebirge, bald auch den Schwarzen See, von Wiesen umgeben, und das stattliche Gebäude des Bierkellers am Fichtengehölz, beliebten Wallfahrtsorten der Kitzbüheler Gäste, doch erst um eine Biegung des grünen Hanges erscheinen die weißen Türme.

Die Stadt Kitzbühel hat viele Ähnlichkeit mit den großen Marktflecken in Salzburg, Oberösterreich oder Bayern. Wie in jenen steht hier die vorzüglichste Häusergruppe links und rechts in einer breiten Gasse, der ersten, eigentlich einzigen der Stadt. Nicht minder ist die Reinlichkeit bemerkenswert, durch welche sich die frisch aussehenden alten Häuser von den Wohnsitzen in Landstädtchen gleicher Größe unterscheiden, welche weiter im Inneren des Landes liegen. Um diese Gegenüberstellung durch Beispiele deutlicher zu machen, führe ich Orte an, wie Sterzing oder Glurns. Fällt solche schon in Hinsicht auf die Äußerlichkeiten zum großen Vorteile der Stadt an der Großen Ache aus, so wüßten diejenigen, welche hier einige Sommer- oder Herbstmonate verweilt haben, noch weit mehr des Lobenswürdigen über die Pflege in den Wirtshäusern zu erzählen. Es wäre in der Tat wünschenswert, wenn im südlichen Teile des Landes in solchen Dingen soviel an Notwendigem nicht vernachlässigt würde, was hier manchem als aufgedrungener Überfluß erscheint.

Kitzbühel liegt in einer prächtigen saftgrünen Mulde, aber es ist keine Landschaft im Stil des gewaltigen Berglandes. Gegen die Augenweide jedoch, welche aus dem Anblick abgerissener Wände, Schneefelder und jäher Abstürze entsteht, hat es den gewaltigen Vorteil seines unabsehbaren Pflanzenwuchses. Wohin man immer schaut, stehen Waldgruppen, ziehen sich Wege durch Sträucher und Wiesen hin, kleine Bächlein sind von saftigen Blättern, Lattich und Blumen fast versteckt, und in der weiten Runde erscheint bis zur Höhe der Schieferberge hinauf kein Fleck ohne Bäume oder frühlingsglänzende Matten. Über diese aber weht eine Luft hin, deren stärkenden und erquickenden Einfluß die Ärzte loben, welche seit einigen Jahren ihre Pfleglinge in dieses Tal schicken.

Quelle: Das Österreichische Seenbuch, Heinrich Noë, München 1867, S. 273 - 276.