UNTER-RETZBACH
Unter-Retzbach, Niederösterreich
ursprünglich ein Schalenstein, bei dem in einiger Entfernung etwa um 1680 (im Jahre 1708 wird gesagt, "ungefähr vor 30 Jahren") eine Quelle entsprang, deren Wasser man bald als heilsam erachtete. Es wurde sodann in der Nähe des Steines ein Kreuz (1681) errichtet und um 1686 eine größere Wallfahrtskapelle, die den Namen "Unsere Liebe Frau am Stein" erhielt. Sie wurde von Einsiedlern betreut, die dort ein Eremitorium hatten, doch gehörte die Kapelle zu der Zisterze Lilienfeld. 1751 wurde die Kapelle vergrößert und wurde mit einer Priesterwohnung versehen. 1785 mußte die Wallfahrtskapelle abgebrochen werden. Der Andachtsgegenstand kam weg (s. unten), doch wurde an der Stelle der Wallfahrtskapelle, später eine Feldkapelle mit einer Immaculata errichtet. -
Andachtsgegenstand: Marienstatue mit Kind (17. Jahrhundert) kam in die Margaretakapelle nach Mitterretzbach.
Legende:
Anlaß zur Wallfahrt war wohl die Verchristlichung eines Schalensteines, der neben der Kapelle liegt und von dem die Redensart geht: "Das kannst du beim hl. Stein suchen!". Die Löcher im Schalenstein erklärt man damit, daß Christus dort gekniet wäre.
Hintergrundinformation aus volkskundlicher Sicht:
Um 1708 wird berichtet: ... . . gedachter orth zum stein genannt, weil aldort ein ziemlich großer natürlicher stein liegt, in welchem Elff löcher oder grüblein zu sehen, in welche löcher die Kirchfärter, nejus quo authore aut qua vana persuasione inducti auß meinem Bründel daß wasser tragen undt sich darauß waschen, auch davon trinken. Es hat auch vor Zeiten ein Einsiedler bey diesem brünlein gewohnt, welcher das Wasser auß gemelten Bründel in die umbligenden örther ja gar biß auff Znam (Znaim) getragen . . .". Der Stein, der elf Schalen aufweist, stand sicher schon vor Errichtung der Kapelle bei der Bevölkerung im kultischen Ansehen. Dieser Stein sollte um 1709 vertilgt werden, doch setzte sich der Abt Sigismund von Lilienfeld für die Erhaltung desselben ein, "in Hoffnung das Solcher noch fürderhin unverletzter von einem venrale. Consistorio von darumben wurdte geduldet werden all die weilen . . . von einigen, diesen Stein betreffenden Aberglauben niemandt etwaß bewußt noch vor einen abergläubischen Stein gehalten, sondern nur daß ein wunderlicher, von der Natur formierter Stein bewahrt wurdte undt obgleich zuweilen sich ein undt andere Persohn darauf waschete, so währen doch 100 undt mehr so es unterwegs lasseten undt geschehete solches waschen allein erquickh- und erfrischung halber, welche Personnen nachmals nicht bey oder durch den Stein, sondern bei Gott durch die Fürbitt Mariae alß der Capellen Patronin Hilft suchen u. gewarthen thatten, 2 do hatte dise Capellen von sothanen Stein Ihren anfang, wie auch den Nahmen alß nemblich dise Capellen Vnser Lieben Frauen beym oder am stain bekhomen undt also bei Vertilgung des Stains die Capellen Ihres Nahmens muesste beraubet werden".
Seine Bitte ist wohl erhört worden, obschon bei dem Schalenstein "mit Hineingießung des Wassers einige superstitiones ad hanc, valde inclinationem germanicae plebis observiert wurden".
Bei Bestand der Wallfahrt Wallfahrtszuzug aus Niederösterreich und Mähren. Von Retz aus einst am 15. Juni und 2. Juli große Prozessionen.
Quelle: Gustav Gugitz, Österreichs Gnadenstätten in Kult und Brauch, Wien 1955, Bd 2, S. 207 - 208.
Ergänzungen sind gerne willkommen!