KÜMMEL (Feldkümmel, Garbe, Wiesenkümmel; Carum carvi)

aus: E. Hoffmann-Krayer, H. Bächtold-Stäubli, Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens,
Berlin und Leipzig 1932

1. Botanisches. Doldenblütler mit doppelt fiederteiligen Blättern. Die vielstrahlige Dolde besitzt keine Hüllblätter. Die kleinen Blüten sind weiß. Häufig auf Wiesen, als Gewürzpflanze auch oft angebaut. Nur selten wird bei uns der aus den östlichen Mittelmeerländern stammende Kreuzkümmel (Gartenkümmel, römischer Kümmel; Cuminum cyminum) in Gärten gezogen. Er ist der Kümmel des antiken Griechenlands und Roms 1). Der Schwarzkümmel (siehe dort) ist botanisch nicht näher mit den beiden oben genannten Arten verwandt.

1) Marzell Kräuterbuch 244; Heilpflanzen 102 ff.; Schrader Reallexikon 2 1, 655; Tschirch Handbuch der Pharmakognosie 2 (1912), Jogi; G. Wallmann Beiträge zur Kenntnis von Carum, Cuminum und ihren Nebenarten. Auszug aus der Rostocker Inaug.-Dissertation 1922.

Kümmel, © Wolfgang Morscher

Kümmel
Botanischer Garten, Universität Innsbruck
© Wolfgang Morscher, 6. Juli 2001

2. Gleich vielen anderen stark aromatisch riechenden Doldenblütlern (siehe Dill, Fenchel, Liebstöckel, Meisterwurz, Petersilie) gilt der Kümmel seit alters als antidämonisch. Darauf bezieht sich die weitverbreitete Sage, daß die Zwerge (Holz-, Waldweibchen) durch Kümmelbrot vertrieben werden. Sie rufen "Kümmelbrot macht Angst und Not", "Kümmelbrot, unser Tod", "Sie haben mir gebacken Kümmelbrot, das bringt diesem Haus lauter Not", oder "...back keinen Kümmel ins Brot, so hilft dir Gott in aller Not" 2). Kümmel schützt gegen Behexung und Zauberei 3). Als antidämonisches Mittel erscheint der Kümmel auch, wenn dem unruhigen Kind ein Topf mit gekochten Kümmelkörnern unter das Bett gestellt wird 4), wenn Kümmel dem Toten (zusammen mit Salz) in den Sarg gegeben wird 5), wenn man Kümmel, um alle Krankheiten abzuhalten, in die Schweineställe streut 6), oder wenn die Wenden am Gründonnerstag Kümmelplätzchen essen, um das ganze Jahr von Flöhen verschont zu bleiben 7). Übrigens nennt schon Fischart in seiner "Flohhatz" 8) den "wilden Kümmich" als Bestandteil eines Absudes, mit dem man das Haus besprengt, um die Flöhe zu vertreiben. Der Kümmel ist auch wie viele antidämonische Kräuter hin und wieder 9) ein Bestandteil des Kräuterbüschels (siehe Krautweihe). Die Rumänen in der Bukowina räuchern die Windel eines Kindes, die über Nacht im Freien geblieben ist, mit Kümmel ein 10). Im Windischgarstner Tal (Oberösterreich) wurde dem Winde eine handvoll "Kim" (= Kümmel), Salz und Asche als Windfutter (siehe dort) in die Luft gestreut mit den Worten: "Wind, da hast Salz, Aschn, Kim, nimm's hoam zu dein Weib und Kind" 11). Auch hier handelt es sich wohl ursprünglich um ein antidämonisches Mittel.

2) Köhler Voigtland 460. 464; vgl. Eisel Voigtland 29; Bechstein Thüringen 2, 185; Witzschel Thüringen 1, 214; Pröhle Harzsagen 1854, 48; Grässe Preußen 1, 589; Haupt Lausitz 29; Grohmann Sagen 174; Kühnau Sagen 2, 65; Brot 40 f.; Vernaleken Mythen 216; Baumgarten Jahr und siehe Tage 9; Grimm Myth. 401; Simrock Mythologie 441; Meyer Germanische Mythen 136.
3) Drechsler 2, 211; Seligmann Blick 2, 74 f.
4) John Erzgebirge 55.
5) Ebd. 125.
6) Lausitz: Original-Mitteilung von Arndt 1911.
7) Schiller Tierbuch 2, 27; vgl. Höfler Ostern 11.
8) Reclam-Ausgabe 143.
9) Leoprechting Lechrain 190.
10) ZföVk. 3, 117.
11) Baumgarten Aus der Heimat 1862, 38.

3. Als Heilmittel (gegen Leibschmerzen usw.) ist am wirksamsten der Kümmel, der am Johannistag (vor Sonnenaufgang, während des 12-Uhr-Schlagens usw.) gesammelt worden ist, der sog. "Johannskemmech" 12). Auch der im "Dreißiger" 13) und der am Vitustag 14) gesammelte Kümmel gilt als besonders heilkräftig. Gegen Leibschneiden hilft der Kümmel, der während des Ave-Läutens mit den Zähnen (siehe Klee) gepflückt worden ist 15). Kümmelrauch oder das Unterlegen von Kümmelkraut erleichtert die Geburt 16), vielleicht auch ein ursprüngliches antidämonisches Mittel.

12) Höhn Volksheilkunde 1, 109; Fischer Schwäbisches Wörterbuch 4, 834; Marzell Bayerischer Volksbote 40; Drechsler 1, 142; Weinhold Neunzahl 27.
13) Höhn Volksheilkunde 1, 109.
14) Unterfranken: Original-Mitteilung von Hornung 1914.
16) Das Land 5, 384 = Drechsler 2, 318.
17) Meyer Baden 388; Zimmermann Volksheilkunde 57; Marzell Bayerischer Volksbote 165; Wuttke 378 § 574.

4. Wenn es viel Kümmel gibt, dann gibt es auch eine reiche Getreideernte. Ist der Kern des Kümmels klein, so wird es auch der des Dinkels (Rottweil), ist der Kümmel grob, so ist es auch das Korn (Mittelfranken) 17).

17) Fischer Schwäbisches Wörterbuch 4, 834; Marzell Bayerischer Volksbote 125.

5. Über den antiken Aberglauben beim Säen des Kümmels tüchtig zu schelten 18) vgl. Petersilie, Zwiebel.

18) Theophrast Hist. plant. 7, 3, 3; 9, 8, 8.


Marzell.