BASILISK
aus: E. Hoffmann-Krayer, H. Bächtold-Stäubli,
Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens,
Berlin und Leipzig 1932
Wenn ein alter Hahn (von 9, 14 oder 20 Jahren 1)) ein Ei in
den Mist legt und dies entweder durch die Wärme oder von einer Schlange
bzw. Kröte ausgebrütet wird, entsteht aus einem solchen dotterlosen
Basiliskenei" ein seltsames Fabeltier von der allgemeinen Gestalt eines
Hahns, aber mit Drachenflügeln, einem Adlerschnabel, einem Eidechsenschwanz
und mit einem Krönlein auf dem Kopf 2); denn er ist der
König undern Schlangen" 3). Dieses Untier, also ein Mischwesen
von Hahn und Drache, haust in Kellern, im Gestein, wo er Schätze
hütet 4), und besonders gern in tiefen Brunnenschächten
5). Es hat einen giftigen Hauch, macht Gras verdorren und Steine
zerspringen 6). Des Basilisken gefährlichste Eigenschaft
ist aber sein stechender Blick, der Menschen und Tiere tötet; entweder
fällt man sogleich um, oder man ist wie gebunden und kann sich weder
rühren noch von der Stelle fortbewegen 7).
Um das Ungeheuer unschädlich zu machen, nähert man sich ihm
mit Spiegeln; sieht es darin den eignen Blick, dann kommt es um 8).
Auch vermag es den Geruch des Wiesels nicht zu ertragen, weshalb man ein
Wiesel in seine Höhle bringt, um es zu töten 9).
Im Jahr 1474 wurde vom Rat in Basel ein elfjähriger Hahn, der ein
Ei gelegt haben sollte, zum Tode verurteilt, am 4. August enthauptet und
ins Feuer geworfen; auch das Ei wurde feierlich verbrannt 10).
Der Glaube an den Basilisken ist bei uns nicht bodenständig; er geht
über die Antike 11) in den Orient zurück. Das lehrt
schon der fremde Name: griech.
der kleine König", lat. regulus (eo, quod sit rex serpentium
Isid. orig. XII, 4). Nach Plinius 8, 38 ist er in Libyen zu Hause; die
Ägypter nannten ihn sit (kopt. sit); vgl. auch arab.
sif. Das Basiliskenei hat man in Ägypten mit dem giftigen
Ibisei, den Basilisken selbst wohl auch mit der Uraeusschlange in Zusammenhang
gebracht 12). Auf dem griechischen Wort beruht die Benennung
des Fabelwesens im Abendland.
Der Glaube an den Basilisken 13) ist ein Sonderbeispiel für
die Macht des bösen Blicks und beruht auf der Tatsache des bannenden,
faszinierenden Schlangenauges. Verbunden ist damit die Vorstellung vom
Hahnenei (d. h. einem mißgebildeten Hühnerei), das ebenso wenig
Gutes bringen kann - weil es eben naturwidrig ist - wie ein krähendes
Huhn, dem man nach dem Volksglauben ja auch den Hals umdrehen soll 14).
Man läßt daher einen Hahn, und gar einen schwarzen, nicht alt
werden. Auf alten Aderlaßschüsseln dient der Basilisk als krankheitvertreibendes
Symbol 15).
1) Grimm in Mythologie.
3, 454 Nr. 583; Seligmann Blick 1, 143ff.; Hovorka-Kronfeld 1,
53 f.; Bartsch Mecklenburg 2, 160; Kühnau Sagen 2,
387.
2) Lonicerus Kräuterbuch 1679, 629; Reiser Allgäu
1, 268 f.; Heyl Tirol 729 Nr. 53; Seligmann 1, 146ff.; Panzer Beitr.
1, 360 f.; 2, 373 f.; Lütolf Sagen 353; Müllenhoff Sagen
237 Nr. 325; Jecklin Volkstüml. (1916), 452; Schönwerth
Oberpfalz 2, 348; Grohmann Sagen 242 f.
3) Lonicerus a.a.0.
4) Waibel und Flamm 1, 111 f.; Lachmann Überl. 61.
5) Seligmann 1, 146; Fehrle Geopon. 19, 1.
6) Megenberg Buch d. Nat. 222.
7) Se1igmann 1, 133; ZdVfVk. 2, 317.
8) Grohmann Abergl. 18 f.; Kühnau Sagen 2, 382 ff.;
Meiche Sagen 399; Müllenhoff Sagen 237; Rochholz Naturmythen
192.
9) Stemplinger Sympathie 15; Höf1er Organotherapie
201; Vernaleken Alpensagen 266f.
10)Meyer Abergl. 73; Hovorka-Kronfeld 1, 53; ZrwVk. 1(1904), 72.
11) Pauly-Wissowa 3, 1, 100; Rohde Kl.Schr. 1, 397 f.; Keller Amt.
Tierw. 2, 297.
12) Spiegelberg Kopt. Handwörterb. (1921), 125; Keller a.a.0.
201.
13) Vgl. noch Hertz Abh. 187; Schwartz Studien 71; E. H. Meyer
Germ. Myth. 111; ferner ZdVfVk. 11 (1901), 317; A. de Cock Volksgeloof
1 (1920), 151 f., 172; Sébillot Folk-Lore 2, 309; 3, 268; 4, 432;
SAVk. 25, 189; Tetzner Slaven 311; Urquell 1 (1890), 33. 5o; Abe1
Vorweltliche Tiere (1923), 24 ff.
14) ZrwVk. 1 (1904), 73.
15) Hovorka-Kronfeld 1, 54.
Güntert.