Brauchtum und Aberglaube aus dem Brandenberg.


Mitgeteilt von Franz Gaßner.
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Krankheit und Tod, Unglück im Stall und auf dem Felde sind Schicksalsschläge für den Bauern, deren Wucht noch verstärkt wird durch ihr nicht vorauszusehendes Erscheinen. Der Kundige aber sieht sie oft herannahen und weiß auch manches Mittel, sie zu verhüten. Religion und uraltes Brauchtum, krasser Aberglaube und Ahnen um unergründliche Kräfte in der Natur sind die Quellen, aus denen der Bauer Hoffnung und Kraft schöpft.

So darf in der Heiligen Nacht keine Wäsche auf der „Lab'n" hängen, sonst ist es im nächsten Jahr eine Kuhhaut. Wenn man in der Christnacht Weizen oder Hafer vor das Haus streut, so stiehlt der Habicht keine Henne. Gehen die Leute miteinander in die Mette, so bleibt auch das Vieh auf der Alm im Sommer beisammen. Und ein Bänklein, aus siebenerlei Holz in der Weihnacht gezimmert, zeigt die Hexen in der Mette verkehrt im Kirchenstuhl sitzend. Wäsche darf man an allen drei Rauchnächten nicht vor das Haus hängen, will man im kommenden Jahr gegen Unglück gefeit sein. Und am dritten Rauchabend, vor dem Dreikönigstag, muß die Bäuerin den letzten Flachsrest vom Spinnrad nehmen, zieht doch die „Gemat-Perchtl" vorbei, und die würde einer säumigen Hausfrau arges Ungemach bereiten. Eier, am Gründonnerstag gelegt, schützen ein Haus vor Blitzschlag. Palmbuschen im Acker bewahren ihn vor Hagelschlag. Drei geweihte Palmkätzchen, wenn man sie verschluckt, feien den Gläubigen gegen Halsweh. Kohle vom geweihten Karsamstagfeuer vertreibt das „Unziefer" aus Acker und Garten; wirft man sie in den Herd, so hält sie den Blitz vom Haus fern.

Am Frauentag muß man eine Kröte in den Barren werfen, dann ist der Bauer vor Viehschaden sicher. Sie schützt auch die Leute vor Krankheit, wenn sie um das Haus lebt; sie atmet die üble Luft ein. An einem Knödeltag — Dienstag, Donnerstag — darf man nicht auf die Alm fahren, weil sonst eine Kuh eingeht.

Mancher Griff im Alltag wird durch einen sinnigen Spruch geadelt, in eine höhere Ebene gehoben. Das Messer darf man nie in den Brotlaib stechen, sonst sticht man der Muttergottes ins Herz. Es darf auch nicht mit der Schneide nach oben im Kasten oder auf dem Tisch liegen; die Armen Seelen müßten darauf reiten. Am Samstagabend kocht die Brandenbergerin ihren Leuten Nudel — schwere, schwarze Küchel. Zuletzt aber soll sie den Armen Seelen ein paar Tropfen Schmalz ins Feuer spritzen.

Zahlreich sind die Zeichen, an denen ein baldiger Todesfall zu ersehen ist. Läßt eine Leiche den Mund oder das rechte Auge offen, so holt sie bald jemand in die Ewigkeit nach. Der „Herdhammerl", der im Holz tickt, und ein Rabe, der übers Dach fliegt, sie künden auch Tod im Hause voraus. Auch der Schlag der Kirchenuhr während der Wandlung sagt das Sterben eines Menschen in der Gemeinde an. Und fährt man dann den Toten zur letzten Ruhe über den tiefen Graben zur Kirche, sitzen oft alle Armen Seelen auf dem Schlitten, so daß die Rösser schwer und schwitzend über den steilen Kirchrain gehen.

Recht mannigfaltig sind auch die Mittel, Krankheiten zu verhüten oder zu vertreiben. Gekreuzte Strümpfe vor dem Bett sollen ebenso helfen wie wenn man über drei Wasser geht, die in den gleichen See fließen. Den Verband einer Wunde soll der Kranke in ein Baumloch stecken; er heilt dann. Wasser, aus dem ein Roß getrunken hat, heilt unfehlbar Warzen. Zur Vertreibung dieses so häufigen Schönheitsfehlers gibt es wohl die wichtigsten und meisten Mittel. Geschnittene Haare dürfen nicht ins Feuer geworfen werden, weil sonst der Geschorene an Kopfschmerzen zu leiden hat. Ähnlich geht es einem Kinde, dessen Fingernägel in den Herd kommen; es wird einen wehen Finger bekommen. Einem Kinde soll man die Nägel vor einem Jahre überhaupt nicht schneiden, will man nicht, daß sie ihm dick werden. Recht „menschenfreundlich" ist jener Spruch gegen den Schluckauf, mit dem wir unsere Betrachtung schließen wollen:

Schnaggl, Schnaggl,
häng di an Haggl,
laß mi in Reit —
pack andere Leit!

Quelle: Franz Gaßner, Brauchtum und Aberglaube aus dem Brandenberg, in: Tiroler Heimatblätter, 14. Jahrgang, Heft 1, Jänner 1936, S. 32 - 33.
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