Von der Geschichte des Bergwerkes in Prettau.


Von Franz Tramberger.
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Die kleine Ortschaft Prettau liegt 24,3 Kilometer von Sand in Taufers entfernt, bildet die letzte Menschenansiedlung im langgestreckten Ahrntale und hat infolge ihrer Höhenlage hochalpines Alima. Frühling und Herbst sind völlig unbekannte Jahreszeiten, der Sommer ist herrlich, aber nur von kurzer Dauer und kennt an manchen Tagen, selbst oft im August, Schneeflockentreiben, während der Winter dort seine Heimat hat und über Gebühr lange haushält in dieser Gegend. Die landschaftlichen Reize sind überwältigend schön, ringsum leuchtet es in den Zacken und Felsen der Bergwände, gegen Norden zu erhebt sich in ganzer Breite die Randkette von Tirol; in wenigen Stunden schon befindet man sich auf Salzburger Boden. Weit ausgedehnte Almenmatten liegen vor uns, auf denen an Sommertagen freies, frohes Leben herrscht, mitten hineingebettet und bunt zerstreut grüßen uns die menschlichen Behausungen und das trautliebe Kirchlein von Prettau. Infolge der ringsum aufstrebenden Berggehänge, in die sich vielfach jäh abfallende Schluchten und Täler zeichnen, ist Prettau sehr lawinengefährlich, besonders die sogenannte „Klamm“, durch welche der steile Weg nach St. Peter in Ahrn führt, umrauscht vom tosenden Talbache, der jungen Ahr. Viele Unglücksfälle verzeichnet dort die Chronik, oft und oft war man von der Außenwelt lange Zeit gänzlich abgesperrt, fast alljährlich muß man sich durch gewaltige Lawinenmassen tunnelartige Ausgänge verschaffen. Und trotz dieses harten Lebens, das dort durch die natürliche Lage des Ortes geschaffen wird, hängt der Prettauer mit ganzer Seele an seiner heimatlichen deutschen Scholle und liebt sie wie kaum ein zweiter; er ist ein gutmütiger Charakter, ein noch echter und unverwüstlicher Tiroler, ein braver, edler, starker, kerngesunder und frommer Berglandssohn mit treublickenden Augen und einem vom Zeitgeiste unberührten Herzen. Mit seinem Lose ist er zufriedener als mancher Krösus, geht mit Lust und Liebe seiner schweren Arbeit nach und fühlt sich wohl und glücklich in seiner friedvollen Weltabgeschiedenheit, während ihm das bunte Leben draußen in der Welt, wenn er es einmal versucht, nur Ekel abgewinnt.

In den alten getäfelten, trauten Bauernstuben von Prettau verweilt noch, wohl gehütet und wohl gepflegt, beim geheizten Mauerofen und bei surrenden Spinnrädern das redselige Märchen aus grauer Zeit, dort sticht man noch die Sagenkränze und erzählt sich am liebsten von den längst verblichenen Tagen der Vorväterzeiten. Viele dieser Sagen spinnen sich um das Prettauer Bergwerk, das einst dort im Betriebe stand und fast die ganze männliche Bewohnerschaft beschäftigte. Die Knappen von Prettau bilden noch heute vielfach den Gesprächsstoff; zahlreiche Namen, wie die „Knappenhäuser“, das „Knappeck“ etc. haben die Erinnerung daran bewahrt und viele verliehene Knappenrechte werden heute noch auf Grund Ersitzung in voller Rechtskraft ausgeübt.

Das alte Werk war ein Kupfererzbergwerk. Über die Entdeckung der Erzstollen und den Beginn des Bergbaues sind keine verläßlichen Nachrichten vorhanden, doch aller Wahrscheinlichkeit nach fällt derselbe in das 15. Jahrhundert. Das Bergwerk befand sich am Berge Rettenbach und heute noch sind dessen Überreste und der Pulverturm, in dessen Nähe sogar einmal Silbererz gefunden wurde, teilweise sichtbar; einige Gruben wurden erst während der Kriegszeit erneuert.

Aus einem mit einem Bergknappen aufgenommenen berggerichtlichen Protokolle vom Jahre 1531, geht hervor, daß dieser Bergbau im Jahre 1511 bereits in vollem Betriebe war. Laut mehreren „Kaufbriefen“ von den Jahren 1519 bis 1535 ist zu ersehen, daß auf den Erzlagern am Berge Rettenbach mehrere Gewerkschaften sich befanden, die ihre getrennten Schmelzhütten hatten. Im Jahre 1533 traten diese getrennten Gewerkschaften durch einen berggerichtlichen Vergleich in einer einzigen Gewerkschaft zusammen und diese vereinte Gewerkschaft ließ die Schmelzwerke bis auf jenes in Steinhaus, der Zentrale des Ahrntales, (12,7 km von Sand in Taufers entfernt), und in Arzbach bei St. Johann in Ahrn (9,7 km von Sand in Taufers entfernt) eingehen, doch blieben bis zum Jahre 1560 immer noch mehrere Gewerkschaften bestehen und erst vom Jahre 1560 an laufen die Agenden für die vereinte Gewerkschaft. Im Jahre 1568 erscheint Baron Christoph von Wolkenstein als Bergwerks-Lehens-Inhaber und mittels Urkunde d. d. Innsbruck, den 10. September l595, wurde dieser Baron Christoph von Wolkenstein mit einer außerordentlichen „Erweiterung des Grubenfeldes“ belehnt. Unter den Nachkommen des genannten Freiherrn gingen die Geschäfte der Gewerkschaft derart passiv, daß die Gläubiger das Bergwerk in eigenen Betrieb übernahmen. Von diesen kaufte es im Jahre 1676 Stephan von Wenzler, der es noch im nämlichen Jahre zur einen Hälfte an Herrn Georg Tannauer von Tannenberg und zur anderen Hälfte an die Herren Brüder Bartlmäus und Antonius von Wenzel weitergab. Diese beiden Familien, von denen die erste in den Grafenstand, die zweite in den Freiherrnstand mit dem Prädikate „von Sternbach“ erhoben wurde, blieben im Besitze dieses Bergwerkes bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts; ihre Nachfolger waren die Herren Grafen von Enzenberg, die heute noch zahlreiche, zum einstigen Bergwerke gehörige Behausungen in Steinhaus und Prettau besitzen, darunter den Gasthof zur „Gewerkschaft“ in Steinhaus, jetzt landläufiger „zur Post“ genannt, den dazugehörigen geräumigen „Kornkasten“ nebst den Stallungen usw. Eine Inschrift am „Kornkasten“ erinnert noch heute an die Blütezeit des Bergwerkes und an den allmählichen Verfall desselben durch die auswärtige Konkurrenz. Die Verse stimmen wehmütig.

Wer zum erstenmale die Ortschaft Steinhaus, eine Fraktion der Gemeinden St. Johann und St. Jakob in Ahrn, betritt, dem fallen stets die vielen starken und steingemauerten Baulichkeiten im alten Baustil auf, die durchwegs einen rosaroten Ton in der Tünchung zeigen; dies sind die Besitzungen der Grafen von Enzenberg.

Die vollständige Auflassung des Bergwerkes erfolgte in den 80-er Jahren des verflossenen Jahrhunderts. Während der Kriegszeit und der regen Nachfrage nach Kupfer wurde der Betrieb durch die österreichische Militärverwaltung in geringem Umfange und mit einem kargen Erträgnis wieder aufgenommen, später aber gänzlich eingestellt. Immerhin aber wäre die Ausbeute bei rationeller Ausnützung der Erzlager noch heute nicht gering zu schätzen.

Im Jahre 1844 waren beim Bergwerke mit Inbegriff des Aufsichtspersonals 190 ständige Arbeiter tätig, in früheren Jahren war die Knappenzahl oft noch bedeutender. Die Erzbeförderung geschah durch folgende 6 von oben bergabwärts gezählte Stollen:
1. durch den Stollen von St. Jakobus,
2. durch den Stollen von St. Marx,
3. durch den Stollen von St. Johannes,
4. durch den Stollen von St. Christoph,
5. durch den Stollen von St. Nikolaus und
6. durch den Stollen von St. Ignazi.

Im letzteren Stollen wurde im Jahre 1844 durch 583 Bergklafter eine Eisenbahn behufs leichterer Erzförderung eingerichtet. Alle diese Stollen standen im Innern des Grubenbaues in Verbindung. Mit Hilfe des oben erwähnten Arbeitspersonals schürfte man nach dem Durchschnitte der 10 Jahre von 1832 bis 1842 jährlich 2340 Zentner Stuferz und 63.825 Zentner Pocherz und aus dem Pocherzquantum wurden nach demselben Durchschnitte mittels 2 Pochwerken, jedes mit 24 Pochschießer und 12 Stoßherden versehen, jährlich 19.664 Zentner Pochschlich erzeugt.

Die in den Gruben vorkommenden Wässer saßen zum größten Teile ab und enthielten schwefelsaures Kupfer; man nennte sie Zementwässer. Aus diesen Zementwässern wurden nach obigem Durchschnitte jährlich mit 310 Zentner Eisenverbrauch 153 Zentner Zementschlamm erzeugt.

Der Holzbedarf des Bergbaues wurde aus einem zu diesem Zwecke verliehenen Walde gedeckt; außerdem wurde noch zum Heizen der ,,Scheiderstuben“, besonders der oberen, Torf aus dem ober dem Bergbaue befindlichen, nahezu 30.000 Quadratklafter messenden und in der Röthealpe liegenden Torflager verwendet; infolge der Höhe des Lagers kam jedoch dieses Holzsurrogat etwas zu hoch zu stehen.

Schmelzwerke waren in der ersten Zeit mehrere in Betrieb, im Laufe der Zeit wurden dieselben jedoch aufgelassen und es blieb nur mehr das große Schmelzwerk in Arzbach bei St. Johann in Ahrn bestehen, welches in den achtziger Jahren durch einen großen Muhrbruch gänzlich verschüttet wurde. Ein Werkskamin ragt noch heute aus dem mit Strauchwerk verwachsenen Trümmerfelde, worüber die Talstraße führt, empor, während die Arzbachhöfe (Großarzbacher, Ober-, Unter- und Innerarzbacherhof) von der Berglehne herübergrüßen. Es war eine schauerliche Nacht, in der dieses Schmelzwerk samt allen seinen Nebenbaulichkeiten ein Opfer des Wildbaches wurde. Ein kleines Aquarell, im Besitze des Hotels „Post“ in Sand in Taufers, zeigt noch die malerische Lage dieses Werkes und dessen große Ausdehnung.

Noch im Jahre 1844 waren mit Inbegriff des Aufsichtspersonals 32 Personen ständig angestellt, ferners arbeiteten dort 3 Zimmerleute, 2 Werkschmiede und 1 Maurer für den ganzen Werksbedarf. Ein Nachtwächter mit Grubenlicht und Hellebarde besorgte vorschriftsmäßig den Feuerdienst.

Die Kupfererzeugung betrug in den Jahren 1832 bis 1842 z. B. jährlich im Durchschnitte: an Stufenerz und Schlich 981 Zentner, an Zementschlamm 89 Zentner, zusammen sohin 1070 Zentner.

Von diesem Kupferquantum wurden bei 150 Zentner in den gewerkschaftlichen Fabriken in Schwaz und Stans zu verschiedenen Waren verarbeitet, das restliche Kupfer wanderte in das Ausland.


Ob der Bergknappe von Prettau in künftigen Zeiten noch einmal mit seinem fröhlichen „Glück auf“ zur Grube fahren wird?

Quelle: Franz Tramberger, Von der Geschichte des Bergwerks in Prettau, in: Der Schlern, Südtiroler Halbmonatsschrift für Heimatkunde und Heimatpflege. Zeitschrift des Vereines für Heimatschutz in Südtirol. 2. Jahrgang, 1. Februar 1921, 3. Heft, S. 61 - 63.
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