Bergrevier Schwaz — Brixlegg


von Robert R. v. Srbik

Beginn und Aufstieg 1409 (?) bis 1538.

Der sagenumwobene Wiederbeginn des Bergbaues am Falkenstein fällt in den Anfang des 15. Jahrhunderts, nach Matthias Burglehner in das Jahr 1409. Urkundlich nachweisbar bestand dort schon einige Zeit vor 1427 Bergbaubetrieb. Da auch an anderen Orten in der Umgebung von Schwaz in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts ein erfolgversprechender Bergbau umging, tauschte Herzog Sigmund der Münzreiche von Tirol 1449 die dortigen Bergbaue am Falkenstein von den Schwazer Herren von Frundsberg gegen das Stadt- und Landgericht in Sterzing und die Herrschaft Petersberg im Oberinntal ein. Damals erhielt Schwaz auch eine Bergordnung. Aber schon 1465 verschrieb er aus Geldnot ausländischen Wucherern sein gesamtes Silber. Zuerst dem Muttinger in Augsburg gegen 35.000 Gulden, bis dieser Betrag abgezahlt wäre; was an Silber aus den Gruben nicht aufzubringen war, sollte durch Zolleinnahmen am Paß Lueg gedeckt werden. Dann (1488) waren es die Fugger. Bei diesem „Silberkauf“, wie er beschönigend genannt wurde, stellten die Fugger statt der in achtzehn Raten zu zahlenden 150.000 Gulden die Summe von 200.000 Gulden in die Rechnung ein.

Kaiser Maximilian I. bedurfte für seine hochfliegenden und weitausgreifenden Pläne große Summen, auch die zahlreichen Kriege erforderten viel Geld. Er wandte daher dem Schwazer Bergbau seine stete Obsorge zu. Schon 1490 eröffnete er den Erbstollen (Zubau) am Falkenstein. Mit den Fuggern schloss er in Form eines sog. „Gnadenbriefes“ ein neuerliches Abkommen. Im Bestreben eines raschen, hohen Ertrages betrieben die Gewerken schon damals Raubbau, indem sie nur die besten Erze verwendeten, alles andere aber auf die Halden warfen. Dadurch erreichte der Bergbau am Falkenstein in weniger als 100 Jahren bereits seinen Höhepunkt, wie nachstehende Übersicht zeigt:

Zeitraum Ertrag
kg Silber am
Falkenstein
Durch-
schnittlicher
Jahresertrag
1470 - 1494
228.471
9.139
1495 - 1519
282.271
11.290
1520 - 1544
248.603
9.944
1545 - 1569
164.582
6.583
1570 - 1594
125.379
6.015
1595 - 1619
74.807
2.992
1620 - 1623
7.972
1.993
1470 - 1623
1.132.085
6.900

Im Jahr 1523 stieg die Silbererzeugung am Falkenstein auf fast 60.000 Mark oder nahe an 16.000 Kilogramm. Wenige Jahre nach dem Tod des Kaisers Maximilian I. ging es allmählich abwärts. Dennoch lieferte der Bau am Falkenstein allein in den Jahren 1521 — 1564 Brandsilber im Werte von mehr als 2.000.000 Mark und fast 1.000.000 q Kupfer. Damals sollen dort angeblich 30.000 Mann beschäftigt gewesen sein. Die Knappschaft erfreute sich aber anfänglich keines guten Rufes. Der kaiserliche Fröner klagte 1505, unter ihnen befänden sich „viel böse Buben“, die aus „Bosheit“ so manches verderben.

Die Fugger begannen 1515 — ähnlich wie am Röhrerbühel — auch in Schwaz mit dem Tiefbau. Das Erz brachte man hierbei durch einfache Pferdegöppel (böhmische Kunst genannt) zutage. Die Wasserförderung geschah sehr mühselig durch Weitergeben der Lederkübel von Hand zu Hand, wobei 600 Leute beschäftigt waren, die einer über dem anderen vom „Schachtsumpfe“ (Sohle) bis an den Tag standen. Diese Betriebsart erwies sich natürlich als sehr kostspielig und verschlang jährlich die Unsumme von 200.000 Gulden. Man erprobte daher damals neuerdings im Münzerturm zu Hall das Modell eines neuen Wasserhebers mit Kettenbetrieb und führte auch dieses System im Erbstollen ein. Die Erfolge waren jedoch nicht entsprechend, so dass man 1537 wieder zu den alten Wasserhebern zurückkehrte. Diese Arbeiter trachteten im Bewusstsein ihrer Unentbehrlichkeit wiederholt, durch Androhung ihrer Arbeitseinstellung höhere Löhne zu erpressen.

Wie sonst klagten die Fugger, die seit 1521 an der Spitze der Schwazer Gewerken standen, auch hier bei jeder Gelegenheit über die hohen Betriebskosten, legten auch erwiesenermaßen falsche Berichte vor und drohten, wie z. B. 1522, mit dem Niederlegen der Arbeit. Der Landesfürst war daher nur zu oft gezwungen, ihnen Geldunterstützungen (Gnad und Hilfe) zukommen zu lassen.

Eine ernste Gefahr drohte dem Bergbau 1525 durch den Aufstand der Schwazer Knappen, da gleichzeitig auch südlich des Brenner die bekannten großen Bauernunruhen ausgebrochen waren und die Befürchtung eines Zusammenwirkens bestand. Der äußere Anlass des Knappenaufstandes war ein Konflikt mit den Schmelzherren wegen Freigabe von Feiertagen nach altem Brauch. Die Schwazer Knappen entsandten damals zum Innsbrucker Junilandtag als bisher ungewohnte Sondervertretung eine Abordnung aus ihrer Mitte. Ferdinand I. griff jedoch beruhigend ein und wandte die Gefahr ab; die protestantischen Prediger in Schwaz und Rattenberg zog man jedoch auf alle Fälle ohne Aufsehen „gefänglich“ ein. Die Schmelzherren benützten die schwierige Lage des Landesherrn zu Erpressungen von Beihilfen und drohten wieder mit dem Heimsagen (Niederlegen) der Arbeit. Tatsächlich hatten sie jedoch ihre Kapitalien in den Werken investiert, hüteten sich also wohl, diese durch Einstellen des Betriebes zu verlieren, und zogen aus der Zwangslage des Landesfürsten billigen Gewinn.

Obwohl 1520 bis 1531 am Falkenstein 458.000 Mark Silber oder 128.526 Kilogramm erzeugt wurden, ging der Betrieb dennoch infolge des intensiven Raubbaues bald zurück; 1526 waren dort 142 Gruben mit 4600 Mann im Betrieb, 1531 nur mehr 38 Gruben mit entsprechend verminderter Belegschaft. Von den Erträgnissen musste der Kaiser seine Schulden an die wucherischen Geldgeber zahlen, vor allem an die Fugger, denen er 1534 die Summe von 36.660 Mark Silber, 1535 sogar noch um 1000 Mark mehr zurückerstattete.

Angesichts dieser Verhältnisse und bei der drohenden Gefahr, dass der Falkenstein „ersaufe“ (von eindringendem Wasser erfüllt werde), war der Kaiser gezwungen, 1535 den Schwazer Gewerken ein bedeutendes Hilfsgeld zu zahlen und ihnen überdies ihre Abgaben und Schulden nachzusehen. Derart wurde er zu einem steten Schwanken zwischen den Knappen, den Schmelzherren und den Wucherern gezwungen, was alles zum Nachteil eines rationellen Betriebes war. Die Knappen machten sich diese Zwangslage natürlich auch zu nutze, wie sich beim Aufstand der Wasserheber am Falkenstein 1537 zeigte, wo eine neue „Wasserkunst“ wieder einmal versagt hatte. Zumeist waren diese Wasserkünstler Italiener.

2. Beginn des Verfalles (1540 bis 1594).

Der Höhepunkt des Schwazer Bergwerkbetriebes war im Jahre 1523, als 15.675 Kilogramm Silber gewonnen wurden. Von 1540 an begannen die Betriebskosten die Einnahmen allmählich immer mehr zu übersteigen. In diesem Zeitraum sank die jährliche Silbererzeugung im Durchschnitt auf nur mehr 7329 Kilogramm. Namentlich seit 1564 erfolgte der Niedergang sehr schnell.

Die Ursachen hie von waren mancherlei Art. Sie lagen in der Abnahme des Erzreichtums mit wachsender Teufe, in dem Überhandnehmen des Wassers, namentlich im Erbstollen am Falkenstein, ferner in den steten Konflikten der Knappschaft mit den Gewerken und schließlich in dem materiellen Niedergang der weniger kapitalskräftigen inländischen Gewerken. Da man den ausländischen nicht alles überlassen wollte, übernahm die Regierung die Anteile der einheimischen zugrunde gegangenen Gewerken. Sie hatte aber selbst zum Betrieb zu wenig Kapital, so dass auch in diesen Besitz- und Geldverhältnissen eine Ursache des zunehmenden Verfalles liegt.

Die Wasserzunahme machte sich besonders in dem tiefen Erbstollen geltend. Man erhoffte daher alles von einer Wasserhebmaschine, die 1553 der Salzburger Anton Lasser erfand. Diese Vorrichtung, damals als ein neues Weltwunder bestaunt, von den Gewerken aber nur widerstrebend zugelassen, war ein oberschlächtiges doppeltes Wasserrad zur Hebung von Erz, Perg (Taubgestein) und Wasser. Es ersetzte über 600 Wasserheber bis 40 Klafter (etwa 70 m) Tiefe und war bis 125 Klafter (etwa 240 m Tiefe) wirksam. Matthias Burglehner gibt in seinem vielbändigen Werk „Tiroler Adler“ hie von eine ausführliche, bewundernde Beschreibung. Durch 46 Jahre stand Lassers Maschine im Erbstollen in Verwendung, bis sie infolge Abnützung und der zunehmenden Tiefe nicht mehr genügen konnte. In der folgenden Periode mussten daher neue Versuche einsetzen.

Die erwähnten steten Konflikte der Knappen, die selbst in den Regierungsakten häufig „die arme Bergwerksgesellschaft“ genannt wurden, mit den Gewerken waren in den niedrigen Arbeitslöhnen begründet, ferner in den hohen Proviantkosten, die ihnen die Gewerken aufrechneten, und in der versuchten Einführung des sogenannten „dreifachen Scheidwerkes“. Hierdurch namentlich wurden die Knappen bei der Bewertung des Fördergutes benachteiligt, da das Erz zu einem viel niedrigeren Tarif eingelöst werden sollte. Aber auch die Knappen ließen sich aus Not, um sich gegen Willkür schadlos zu halten, manchmal Erzdiebstähle, unehrliche Machenschaften bei Ablieferung des erhauten Erzes und Bestechungen der Steiger zu schulden kommen.

Dazu traten noch politisch-religiöse Momente. Sie zeigten sich beim Schmalkaldeneinfall 1545, der eine Verschwörung der Knappen mit sich brachte. Sie wurde jedoch mit größter Strenge von der Regierung unterdrückt, ein Knappe hingerichtet, 4 mussten das Land verlassen. Bei den im folgenden Jahre aufgebotenen 6000 Schwazer Knappen, die seit jeher als besonders kriegstüchtig galten, machten sich unter ihnen Sympathien für die Schmalkaldner geltend, auch Briefe wurden aufgefangen, die für sie sehr belastend waren. Beim Einfall des Kurfürsten Moritz von Sachsen (1552) ereigneten sich wieder Knappenrevolten gegen die Beamten. Auch die Haltung der „Schmalkaldischen Gewerken“ war kaum zweifelhaft. Die Regierung vergalt dies durch zwangsweise Ablieferung des Schwazer Silbers an die Münze in Hall, nicht mehr wie bisher ans Ausland. Hierdurch litten die Gewerken Schaden, der von ihnen aber auf die Knappen überwälzt wurde. Daher verschlechterte sich deren Lage bedeutend.

Die wichtigste Grube war um die Mitte des 16. Jahrhunderts noch immer der Falkenstein. Die Gesamtausdehnung aller Stollen und Schächte betrug 1556 über 100 Kilometer, er umfasste 36 Bergbaue mit nahezu 150 Stollen und beschäftigte nahezu 10.000 Knappen samt dem Erbstollen (Ausdehnung gemessen in Lehen = 7 Klafter = 13.259 m).

Von 1563 an machte sich jedoch ein starker Rückgang des Erträgnisses geltend. Er war nicht in letzter Linie durch eine Seuche veranlasst, „Infektion“ genannt, die durch 3 Jahre in Schwaz und Umgebung wütete und 6000 Menschen, darunter 1000 Knappen, dahinraffte. Viele entflohen aus Furcht vor der Ansteckung dem Bergbau 1).

1) Verhaltungsmaßnahmen gegen die „Pestilenz“ enthielt das Schwazer Pestbüchlein von Dr. Johann Milchtaler, Leibarzt zu Schwaz, aus dem Jahr 1534. — S. Bergrevier Sterzing.

Die Gewerken litten zwar auch unter diesen Verhältnissen, obwohl sie wegen ihres Kapitals die Lage viel leichter ertrugen. Trotzdem bezahlten sie im Jahre 1566 den Knappen nicht ihre Löhne, weshalb Unruhen ausbrachen. Dazu trat eine bayrische Grenzsperre für Getreideeinfuhr, was sich die Gewerken sogleich zu nutze machten, um den Knappen den Proviant teurer zu verkaufen. Der Kaiser war daher zur Vermeidung noch ärgeren Schadens gezwungen, den Gewerken abermals Gnad und Hilfe zu gewähren, die Einlösung der Mark Silber um einen halben Gulden zu verbessern und 1000 Gulden unter die darbenden Knappen zu verteilen.

Aber auch unter den Gewerken traten in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts finanzielle Zusammenbrüche ein. Die weniger kapitalskräftigen inländischen Gewerken, unter ihnen auch der verdiente Schwazer Patrizier Hans Stöckel, der in 40 Jahren dem Landesherrn von seinem Gewinn 800.000 Gulden an Abgaben gezahlt hatte, stellten ihre Zahlungen ein, ebenso erging es Mannlich und einigen anderen. Sie waren, wie die Kammer sich ausdrückte, am Bergbau „gestorben und verdorben“. Es blieben schließlich nur die ausländischen Gewerken übrig, vor allem die reichen Fugger. Um ihnen nicht alles zu überlassen, und die Knappen „am Berge zu erhalten“, brachte Erzherzog Ferdinand II. fast ein Drittel des Falkensteins an sich, wenngleich dieser nicht mehr so „höflich“ war wie einstens, überdies wegen seiner Tiefe auch ungesund und gefährlich.

Die Gegenreformation wurde in Schwaz nicht so streng wie in Kitzbühel durchgeführt. Man konfiszierte zwar auch in Schwaz 1570 die protestantischen Bücher, legte aber wenigstens keine Proskriptionslisten an. Die Regierung suchte angesichts der drohenden Stilllegung des Bergbaues mehr mit Milde zu erreichen, auch Innsbrucker Jesuiten trachteten damals, in Schwaz durch ihre Predigten zu wirken. Der schädigende Einfluss der Gegenreformation war daher hier viel geringer als in Kitzbühel, wo infolge der harten Maßnahmen gegen die protestantischen Bergleute der Ertrag nur ein Fünftel der Vorjahre betrug (in Star Erz gemessen, d. i. etwa = l Wiener Zentner = 56 Kilogramm).

Abermals brach im Jahre 1583 in Schwaz ein Knappenaufstand auf. Die Ursache war der Versuch der Gewerken, gegen den alten Brauch, das „dreifache Scheidwerk“ einzuführen und den „Pfennwert“ (Kosten für den Proviant der Knappen) zu erhöhen. Während früher das Fördergut einfach in schmelzwürdiges und Taubgestein geschieden wurde, wollten die Gewerken nunmehr dessen dreifache Scheidung nach der Güte in „Stufe, Kern und Klein“ durchführen. Hierdurch wurden die alten Kniffe der Knappen unmöglich, erzhaltiges Gestein zu zerschlagen und dem minderwertigen Material beizumengen, das infolgedessen, oberflächlich betrachtet, ein gutes Aussehen gewann und daher trotz seines schlechten Gehaltes verhüttet wurde. Die Knappen aber erhielten hiefür entsprechendes Entgelt wie für gutes Material. Das dreifache Scheidwerk ging nun viel genauer vor, sichtete in drei Gruppen und drückte überdies den Lohn der Knappen, deren Schiebungen nutzlos wurden. Gegen diesen neuen Brauch und die wiederholte unbegründete Erhöhung des Pfennwertes erhoben sie sich im Jahre 1583. In die Innsbrucker Hofburg zogen damals zum Erzherzog 1700 Knappen. Die ihnen versprochene Untersuchungskommission suchte sie zur Wiederaufnahme der Arbeit zu bewegen, half aber ihren Beschwerden nicht ab, weshalb sie abermals mit ihrem Erscheinen in Innsbruck drohten. Der Erzherzog verfügte daraufhin gegen sie die Aufbietung des Landsturmes von Imst und Kufstein; sie gelang jedoch nicht. Um „die ehrlichen Gesöllen des Ausschusses am Falkenstein“, wie sie sich selbst nannten, auf gütlichem Wege zu beruhigen, wurden die missliebigen Beamten abgesetzt und die Fugger mussten wenigstens einen Teil der schuldigen Löhne zahlen. Aber niemand war von dieser, die Entscheidung nur hinausschiebenden Lösung befriedigt. Nach wenigen Jahren (1589) brach daher ein neuerlicher Knappenaufstand wegen des dreifachen Scheidwerkes, „Reben“ genannt oder „Robben“ (Durchsieben), und wegen der Verpflegung aus, dem diesmal ein Verlassen der Bergbaue durch zahlreiche Knappen folgte. Am Falkenstein und Erbstollen waren im Jahre 1582 noch 4056 Knappen beschäftigt, 1590 nur mehr 2757, d. i. um rund 1300 Mann weniger als vor 8 Jahren. Viele nahmen die weit lohnenderen Kriegsdienste, die Sold und Beute versprachen. In Schwaz herrschte eine immer mehr steigende Lebensmittel- und Geldnot. Die als Bergleute berühmten Schwazer Knappen, um deren Zusendung sogar der König von Spanien (1575) für seine Bergbaue vergeblich gebeten hatte, wandten sich dem Kriegsdienst zu, in dessen Betätigung sie seit alters den besten Ruf genossen. Der Bergbau aber, seiner besten Knappen beraubt, drohte immer mehr zu erliegen.

3. Fortschreitender Verfall (1595 bis 1665).

Das dreifache Scheidwerk war von der Regierung 1585 nur probeweise zugelassen worden, die Gewerken, namentlich die an ihrer Spitze stehenden Fugger, handhabten es jedoch auch weiterhin trotz des beharrlichen Widerstandes der Knappen. So kam es 1595 aus dem gleichen Grund wie zuletzt 1589 wieder zu einem Knappenaufstand. Auch diesmal drohten die Fugger mit der Stilllegung, wenn ihre Forderung nicht bewilligt würde. Die Regierung zögerte noch und verlangte wie gewöhnlich zunächst einen Kommissionsbericht, endlich aber befahl sie im Namen Seiner Kaiserlichen Majestät 1596 ganz kategorisch den Fuggern das einheitliche Scheidwerk. Diesmal mussten sie also nachgeben, antworteten aber mit der Aufsage einer Anzahl Gruben im Rattenberger und Schwazer Revier, drohten mit der Einstellung der Unschlittlieferung für die Beleuchtung und hielten sich im übrigen wie gewöhnlich an den Knappen schadlos, die sie mehr als je bedrückten. So zogen sie z. B. den im Bergwerk als Säuberjungen und Truhenläufer arbeitenden Kindern von ihrem ohnedies ärmlichen Lohn die Schulden ihrer verstorbenen Eltern ab und verteuerten wieder eigenmächtig den Proviant. Diese Übergriffe verbot 1599 die Regierung, die auch diesmal wie bisher die Knappen gegen ihre Bedrücker in Schutz nahm.

Um den Betrieb aufrecht zu erhalten, unterstützte die Regierung auch die sog. „Freigrübler“ bei ihren Klagen wegen des hohen Proviantgeldes. Sie waren überzählige oder freiwillige Arbeiter, denen man auf eigene Rechnung und Gefahr den Bergbau in minder ergiebigen Gruben gestattete. Um sie trotz ihrer Klagen über den hohen Pfennwert bei der Arbeit zu halten, deren Fördergut sie gegen Bezahlung an die Schmelzhütten ablieferten, erging die Verfügung der Regierung, sie sollten künftig ihren gesamten Lohn nur mehr in Geld erhalten, Geld somit auch statt des Proviants. Diese gewiss gut gemeinte Lösung erbitterte aber die Freigrübler wider alles Erwarten; denn das Geld, so sagten sie, erhielten sie entweder nur unregelmäßig oder sie könnten sich den teuren Proviant von den Gewerken nicht um ihren geringen Lohn kaufen. Die Regierung war daher, um sich ihrer Weiterarbeit zu versichern, gezwungen, den Freigrüblern aus eigener Tasche durch den heimlichen Verkauf von 50 kg Kundler Kupfer eine Geldaushilfe zu geben.

Wie schon früher (z. B. 1563 — 1566) brach auch zu Beginn des Jahres 1611 abermals eine Infektionskrankheit in Schwaz aus, die „hungarische Krankheit“ oder „Herzbräune“ genannt wurde. Es war keine Pest, wie man anfangs glaubte, sondern nach unseren heutigen Erfahrungen Hungertyphus, der so viele Todesopfer forderte. Schwaz war damals ohne jede ärztliche Hilfe, da auch Guarinoni, der berühmte Stiftsarzt von Hall, trotz seines Jahresgehaltes von 100 Talern für seine Besuche in Schwaz sich während dieser Zeit dort nicht sehen ließ. Es musste daher im Mai ein eigener Arzt angestellt werden, Dr. Paul Weinhart 1). Er nahm sich der Kranken mit großem Eifer und Geschick an und erklärte bald, dass vor allem Hunger, Kälte und unverständiges Verhalten die Schuld an den Erkrankungen trage. Das beste Heilmittel sei — ausreichende Nahrung. Gegen den Verkehr aus der verseuchten Gegend wurden nach damaligem Brauch Posten an den Grenzen des Krankheitsherdes aufgestellt, die sogar bis zum Frühjahr 1612 stehen blieben. In dieser bösen Zeit spendeten die Fugger und andere Gewerken zwar 500 Gulden für die Knappschaft, sie hielten sich aber dafür diesmal an der Regierung schadlos, indem sie als erhöhte Gnad und Hilfe 2000 Gulden — das Vierfache ihrer Spende! — forderten und auch erhielten.

1) Nicht zu verwechseln mit Dr. Franz Weinhart, der 1674 als Professor der „Medizinischen Institutionen“ an die 1670 gegründete Universität Innsbruck kam.

Die fortgesetzte Bedrückung der Knappen und die Preistreiberei mit Lebensmitteln hatte binnen kurzem (1614) abermals einen Knappenaufstand zur Folge. Angesichts des steten Drohens der Fugger mit der Stilllegung und ihrer nie endenden Forderungen um erneute Gnad und Hilfe, was der Regierung sehr viel Geld kostete, sah sie sich, um Bargeld zu erlangen, 1615 gezwungen, den früher kaiserlichen Besitz am Falkenstein den Fuggern zu verkaufen. Zur Ersparnis wurde ferner auch die Hütte in Kundl aufgelassen und mit jener in Brixlegg vereinigt. Die Fugger erreichten einen weiteren Vorteil durch die Bewilligung der Regierung, dass von nun an die Lasursteine (Schwazer Malachit) nur mehr an sie, nicht aber auch an andere Farbenmacher verkauft werden durften.

Nachdem 1623 abermals eine „Rottierung“ der Knappen aus den bereits genugsam bekannten Ursachen eingetreten war, wiederholte sich während des Dreißigjährigen Krieges alle paar Jahre dasselbe Schauspiel zwischen den drei Parteien, den Fuggern, dem Landesherrn und den Knappen; seitens der Gewerken Bedrückung der Arbeiter, Drohung mit Stilllegung und stete Forderung nach dem dreifachen Scheidwerk; Vermitteln der Regierung durch erhöhte Gnad und Hilfe, Nachsicht der Steuern und Zölle sowie Zahlung von Hilfsgeldern im Betrag von mehr als 6000 Gulden. Da aber infolgedessen das Geld für den am meisten leidenden Teil in dieser Tragödie der Wirtschaft, für die Knappen, fehlte, denen man, um dem ewigen Streit um das Proviantgeld endlich ein Ende zu machen, ihr Freigeld bar auszahlen wollte, aber nicht konnte, brach 1649, nachdem kaum der große deutsche Krieg beendet war, in Schwaz ein großer Knappenaufstand los, der ernster als alle früheren war — eine uns heute erklärliche Nachkriegserscheinung. Die Regierung nahm damals — im Gegensatz zu ihrer früher versöhnenden Haltung — gegen die sich aus den Vorräten bewaffneten Knappen Stellung, erklärte sie sämtlich ihrer ihnen rechtlich zukommenden Löhne wegen Unbotmäßigkeit für verlustig und besoldete mit diesem Geld ihre Kriegsknechte zur Niederwerfung des Aufstandes. Die Rädelsführer kamen ins Gefängnis, wurden auf den Pranger gestellt, landesverwiesen oder mussten Urfehde schwören. Den Fuggern, die trotz der Not gerade in diesen Zeiten eine Proviantverteuerung vornahmen und ihre in billigeren Tagen aufgekauften Getreidevorräte nunmehr teuer absetzen wollten, verbot dies kurzweg die Regierung. Aber diese Verfügung traf die Fugger nicht mehr schwer, denn sie hatten einige weitere, durch ihren Raubbau bereits erschöpfte Zechen schon stillgelegt und die Mehrzahl der Arbeiter entlassen. Die Härte der Regierung gegen die Knappen vertrieb auch noch viele vom Berg, so dass die Betriebe immer mehr zugrunde gingen und die Tiefbaue ersoffen. Denn das alte Lassersche Schöpfwerk war längst unbrauchbar geworden und die von Nürnberg, Augsburg, Mailand, ja selbst aus England verschriebenen Wasserkünstler und Techniker hatten nichts Brauchbares an dessen Stelle zu setzen gewusst.

Auch in geselliger Beziehung trat unter der Knappschaft immer mehr Verödung ein. Die Regierung verbot damals sogar die zwar lärmenden, aber uralten sinnigen Hochzeitsbräuche der Knappen und gestattete nur selten Musik, Gesang und Tanz.

Es schien das Ende des Schwazer Bergbaues herangekommen. Um ihn in letzter Stunde noch fortzufristen, gab man jetzt, nach drei Jahren (1651), den an der Rebellion unschuldigen Knappen ihren ganzen damals konfiszierten Lohn heraus, die am letzten Aufstand Beteiligten erhielten nur die Hälfte. Auch das Land Tirol erinnerte sich nun endlich seiner bisher von den Gewerken, vor allem von den Fuggern, bis aufs Blut ausgenützten Knappen und gewährte 1652 zur Weiterführung des Bergbaues eine Beihilfe von 15.000 Gulden. Der Erzherzog steuerte selbst 20.000 Gulden bei und nahm Darlehen auf, um die Knappen zu bezahlen.

Zu dem Niedergang des Schwazer Bergbaues trug in einem guten Teile auch die Leitung des Bergwerksinspektorates von Tirol bei. Sie ruhte zuerst in der Hand eines Hofkaplans, dann erhielt sie ein Günstling des Erzherzogs Leopold, der Italiener Joseppo de Crotta. Da 1657 die Fugger ihren Besitz an den Schwazer Bergwerken kündeten, aus denen nun wohl nichts mehr herauszuholen war, übernahm ihn der österreichische Handel.

Das Bergwerksinspektorat Tirols hatte damals jener Crotta inne. Er beteiligte sich trotz seiner amtlichen Stellung als Gewerke, bedrückte die Knappen womöglich noch mehr als die berüchtigten Fugger, beseitigte ihn bloßstellende Akten und verwüstete aus Gewinnsucht und Unverstand die Wälder bei Gerlos und im Fleimstal, ohne jedoch die Holzknechte, Zimmerleute und Beamten zu bezahlen. Nachdem lange niemand gegen den erzherzoglichen Günstling etwas auszurichten vermocht hatte, wurden endlich auch seine Unterschleife als Zolleinnehmer in Fleims aufgedeckt. Leopolds Nachfolger, der tatkräftige und deutschgesinnte Sigismund, machte ihm rasch den Prozess. Crotta wurde 1664 verhaftet, entkam aber bei Corvara auf venezianisches Gebiet und entzog sich seinem wohlverdienten Schicksal.

Mit Erzherzog Sigismund starb im Jahre 1665 die Tiroler Nebenlinie aus und das Land Tirol gelangte an die habsburgische Hauptlinie. Kaiser Leopold I. kam selbst nach Schwaz, wurde dort von 1200 Knappen feierlich empfangen und versprach, alles zur Hebung des dortigen Bergbaues zu tun. Seinen Bemühungen ist es zu danken, dass der dort noch verborgene Bergsegen gehoben wurde und bis heute [1928] erfolgreich abgebaut wird. Seit seinem Regierungsantritt ist wieder ein Aufschwung zu verzeichnen, der nach langer Misswirtschaft den alten Bergbau zu neuem Leben erweckte.