820 - Dipauli in Bozen



vor Mitte Dezember betrat er die Hauptstadt seines Vaterlandes wieder, dessen Schicksale er bisher in München kummervoll verfolgt hatte. Dass durch Tirol ein Schnitt werde geführt werden, darüber bestand in bayrischen Regierungskreisen kein Zweifel mehr. Es handelte sich nur noch darum, dass diese Operation sich mit möglichst geringem Verlust für Bayern vollziehe. Ritter bewog Dipauli zur Abfassung einer Staatsschrift, deren sich Bayern bedienen könnte. Der Appellationsrat lieferte sie alsbald. Darin wurde ausgeführt, dass nur die Etschbrücke bei Lavis eine brauchbare natürliche Grenze bilde, sodass auch die Gerichte Cavalese, Mezzolombardo, Cles und Malé, natürlich auch Ladinien beim deutschen Südtirol zu verbleiben hätten. Man kann sich denken, mit welchem Gefühl ein Dipauli sich solcher Arbeit widmete. Wie aber, wenn seine eigenen Landsleute in Bozen solche Bemühungen noch durchquerten? Diese Befürchtung schien ihm wichtig genug, um, von Ritter noch bestärkt, den Versuch zu wagen, das Gewicht seines persönlichen Dazwischentretens in die Wagschale zu werfen. Dipauli ging also im Februar selbst nach Bozen unter dem Vorwand von Privatgeschäften. Seine Bekehrungsschritte bei den maßgebenden Patriziern waren nicht ohne Erfolg. Im Namen der Stadt richtete Bürgermeister Menz an die bayrische Hofkommission eine Erklärung, worin er die Zumutung zurückweist, als hätte Bozen „bei der französischen Regierung Einleitungen getroffen, um eine Regierungsänderung zu bewirken". Man will nichts unternommen haben, was den Pflichten eines bayrischen Untertans widerspräche. Vielmehr erwartet man „mit Sehnsucht den Augenblick, in welchem die rechtmäßige Regierung in ihre volle Wirksamkeit eintreten wird, um den König von dem ungeteilten Wunsch überzeugen zu können, der die Bewohner der Stadt Bozen beseelt, mit dem übrigen Tirol ungeteilt bei der Krone Bayern zu bleiben." 1)

Freilich, solang Baraguay in Bozen residierte, war kein Verlass. Da werde, so fürchtete man, „die bayrische Einwirkung stets auf dem Sprunge stehen".2) Noch immer sprach der General davon, dass die Grenze über Klausen laufen werde. Bezeichnete er auch einmal den Eisackkreis als bayrisches Okkupationsgebiet, so zeigte er im nächsten Moment, was von diesem Wort zu halten, da er die von den angekommenen bayrischen Beamten verwalteten Kassen in Beschlag nahm. 3)

Die von München aus bestellten bürgerlichen Funktionäre hatten dauernd einen schweren Stand, oder eigentlich gar keinen. Baraguay

1) Dat. 23. Febr. Ritter bemerkt in seinem Schreiben an den König (26. Febr.) ausdrücklich: „Dies ist die Folge der Mission Dipaulis."
2) Der Mautbeamte Baron Lassberg an Ritter, Bozen 12. Febr.
8) Ritter: „Drouet erkundigt sich hier genau um die Grenzen des Innkreises. weil außer diesem nichts von bayrischen Truppen besetzt werden darf. Ein nicht gar tröstliches Omen. Die ernannten Landrichter sitzen noch immer in Innsbruck und müssen teuer leben, Drouet lässt keinen abgehen."



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 820

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.