725 - Melleck


Es war ein Machtaufgebot von 50 000 Mann. Aufgabe war: das Land entwaffnen, unterwerfen, die Chefs anzeigen, die Beschwerden der Bewohner entgegennehmen und Mittel treffen zur Abhilfe. Kommissäre sollen Klagen, wenn ohne Waffen vorgebracht, anhören, General Baraguay d'Hilliers die Neuorganisierung des Landes in die Hand nehmen.

Am 16. Oktober gelangte Napoleons Befehl nach Salzburg, unverzüglich schritt Drouet an den Vollzug. 20 000 Mann setzten sich gegen die unterinntalischen Pässe in Bewegung: die Division Deroy gegen Kufstein, Wrede gegen Kössen, die Division Kronprinz gegen Lofer. Diese letztere hatte es mit Speckbacher aufzunehmen. Durch frühere Erfahrungen klug gemacht, entwarf Drouet, dem sich auch Prinz Ludwig beigesellt hatte, einen genau durchdachten Umgehungsplan. 1) In vier Kolonnen, welche ortskundige Jäger führten, fand die Annäherung statt. Eine unter den Majoren Obermayer und Seiboltsdorff erstieg von Reichenhall aus die Steinbachalpe, eine zweite (Habermann) stahl sich durch den Litzelbachgraben und Bernauerwald zum Bodenbüchel, eine dritte unter Rechberg erklomm den Kugelbachberg, um nach Schnaizelreuth abzusteigen, eine vierte zog unter Oberst Ströhl durch das Saalachtal. Die äußerst beschwerlichen Nachtmärsche vollzogen sich ohne jedes Hemmnis vonseiten des Gegners. Es herrschte winterliches Herbstwetter, Regen vermischt mit Schnee. Die Tiroler, des langen Vorpostendienstes satt, versahen denselben lässig und hielten sich schon durch die Witterung gedeckt. So absolvierte jede Kolonne die ihr zugewiesene schwere Aufgabe und traf pünktlich am vorgeschriebenen Marschziel ein. Die vor Melleck stehenden bäuerlichen Piketts wurden ohne weiteres aufgehoben, Speckbacher sah sich in Melleck selbst am Vormittag des 17. von allen Seiten zugleich angegriffen. Mit furchtbarer Plötzlichkeit stürmten die Bayern in das Dorf. Es schien nur mehr die Frage, wie teuer der Kommandant sein Leben verkaufe. Wie ein Rasender wirft sich Speckbacher den Eindringlingen entgegen, es entspinnt sich ein Raufen und Ringen von Brust gegen Brust. Der baumstarke Recke wird zu Boden gerungen unter Stichen und Kolbenstößen. Das Blut rötet seine zerrissenen Kleider, die Waffen sind ihm schon entwunden. Aber noch hat er seine Fäuste, kräftig genug pulsiert noch in ihm das Leben. Emporschnellend wirft er die Nächsten zur Seite und gewinnt damit Raum zur Flucht. Einen nahen Felsen erklimmend, enteilt er den Bedrängern, unberührt von den Geschossen, die sie ihm noch nachsenden. Aber wo blieb Anderl, der Sohn, der noch am Beginn des Überfalles an der Seite des Vaters gestanden ? Diese Frage durchstürmt im ersten Augenblick der eigenen Rettung Speckbachers Herz. Das Teuerste, was er hat, zu befreien, will er aufs neue dem Feinde

1) Maretich, Die Kämpfe im Passe Strub a. a. O. p. 169 ff.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 725

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.