694 - Hofer und die Geiseln


spielte sich zwischen Innsbruck und dem Feinde eine gewisse diplomatische Korrespondenz ab, angeregt von der lebhaften Teilnahme Hofers für seine in Gefangenschaft liegenden Landsleute. Die Wegführung von Geiseln durch Lefebre hat den Sandwirt aufs tiefste empört. Besonders nahe ging ihm das Schicksal des ehrwürdigen Grafen Sarnthein. Schon gleich nach seinem Einzug in Innsbruck am 15. August machte er der Gräfin eine Beileidsvisite, suchte sie zu trösten und teilte ihr mit, dass er sich wegen Freigabe an den Marschall wenden wolle. 1) In der Tat ging alsbald ein energisches Schreiben an Lefebre, wo die Auswechslung gegen Offiziere angeboten wurde. 2) Deroy beförderte es an den König mit empfehlenden Worten: da wäre Gelegenheit mit Hofer anzuknüpfen, welcher vielleicht gewonnen werden könnte. 3) Max Josef resolvierte darauf kurz, es lasse sich darüber nichts entscheiden, bevor er wisse, wie die Franzosen denken. Napoleon aber ließ sagen, mit Aufständischen gebe es kein Verhandeln. Die Geiseln blieben zunächst in München, wo Sarnthein bekanntlich bald verschied.

Die Nachricht von Sarntheins Tod rief abermals Hofers schmerzliche Erinnerung an die Geiseln wach. Außerdem drückte ihn noch ein anderer Kummer. Bei Beginn des Aufstandes hatte sich Misstrauen und feindlicher Sinn der Bayern auch gegen die zufällig bei ihnen sich aufhaltenden Tiroler gewendet. Es waren meist Dienstboten und Hausierer. Weit ärger als Ausweisung war, was über sie verhängt wurde. Eifrig wurde nach ihnen gefahndet, und wie Übeltäter wurden sie in die Gefängnisse geworfen. 4) Der Generalkommissär des Isarkreises konstruierte

1) Knoflach a. a. O.
2) Hofer an Lefebre, 16. Aug.: „Mit höchstem Missvergnügen habe ich bei meiner Ankunft in Innsbruck gehört, dass E. E. die wackeren ehrlichen Männer, den 77jährigen Grafen Sarnthein, den ebenso braven und rechtschaffenen Baron Schneeburg und selbst eine Frau, die Bar. Sternbach, mitgeschleppt hat. Ich hoffe, Sie werden diese unschuldigen Leute nächstens unbeschädigt zurücksenden, wogegen ich ebenso viele Stabsoffiziere, welche mir benannt werden, über die Grenze frei lassen will. Wenn E. E. diese Gefangenen nicht gut behandeln lassen, so sollen die von uns Gefangenen auf das schärfste behandelt werden, wie es schon die unmenschliche Grausamkeit verdient hätte, mit welcher einige tot aufgefundene Landesverteidiger behandelt wurden." M. St
3) Deroy setzt bei: „Nur die Engländer sind zu fürchten, weil sie, wie es heißt, den Aufstand mit Geld unterstützen wollen." Von englischem Gelde ist um diese Zeit in Tirol noch keine Spur. — Oberst Epplen bat den König, seine in Tirol gefangene Frau gegen die Bar. Sternbach auszulösen, es ward abgeschlagen. M. St.
4) Polizeidirektor v. Sterten an Montgelas, 24. Mai: „Die Zahl der Tiroler, welche hier in den Polizeiarrest gebracht werden, wird so groß, dass man keinen Platz mehr hat. Es sind fast 50 da. Ich möchte raten, sie frei zu lassen. Denn sie sitzen schon lange da und haben sich so weit entfernt von Tirol aufgehalten, dass sie sicherlich am Aufstand nicht beteiligt waren. Unterdessen gehen ihre Waren (Obst) zugrunde und müssen ihre Pferde verpflegt werden." Anfang Juni wurden aus dem Gericht Miesbach allein wieder 36 eingebracht, obgleich gegen sie „kein militärisches Verschulden" vorlag. Sie kamen zu München in das Korrektionshaus, wo schon mehr als 100 ihrer Landsleute waren. Die Pferde der Hausierer wurden jetzt verkauft, aus dem Erlös bestritt man ihre Verköstigung. Die Akt. dar. in M. St. Unter den Gefangenen in München war ein 76jähriger Mann, Kassian Hofer von Innsbruck, welcher das Objekt besonders eifriger Untersuchung bildete, weil man in ihm einen Bruder des Sandwirts vermutete. Schon am 12. Mai ersucht die Schutzdeputation Hormayr um Repressalien wegen harter Behandlung der Gefangenen in München.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 694

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.