632 - Hofer übernimmt die Regentschaft


preiszugeben. Die eindringlichen Vorstellungen schienen endlich nicht ohne Eindruck auf den Oberkommandanten zu sein. Zunächst hob er das Mahl auf und eilte zur bedrohten Hofburg. Sein Erscheinen genügte, um die fragwürdigen Kerle zu verscheuchen. Als sein Begleiter führte ihn Pusch durch die Räume. Mit großer Rührung betrat der Sandwirt das Sterbegemach Franz Stephans, das in eine Kapelle verwandelt worden war. Niederkniend betete er für die Seelenruhe des Kaisers. Auch der Riesensaal wurde besichtigt. Zu den hohen Fenstern tretend sah Hofer die wogende Menge am Rennplatz. Da erfasst ihn Unwille, und wieder redet er, den Balkon beschreitend, zum Volk: „Ös saggra Schwänz! Zwui treibts enk no ålleweil umer? Öpper zum Leutplågn und Stealn? Und Schützen sein a no drunter? Schamts enk nit? Wås håbts ös no in der Stådt z'tien? Geats liaber in Feind nåch ins Unterland, er kånn no nit weit sein. Obaus glei fort, såg i enk! I will koan mer då söchn. Und wenn's mier nit folgts, so will i enker Kommadant nit mear sein!" Auch diesmal erwies sich die Rede wirksam genug, um den Platz sich leeren zu lassen. Hofer ließ noch die Sturmglocken ziehen und seinen Befehl zur Verfolgung des Feindes durch Trommler ausrufen. Der größere Teil kam dem insofern nach, als er die Stadt verließ, aber nicht, um ins Unterland sondern um in die Heimat zu gehen. Mit einem ruhigen Abend schloss dieser Tag voll Aufregung.

Hofer hatte die Burg noch nicht verlassen, als Bürger und Geistliche bei ihm vorsprachen und das Ansinnen, das in Stadlers Haus an ihn gestellt worden, erneuerten. Sein Sträuben war bald zu Ende. Mit den Worten: „Wenns Landl gråd mi håbn will, so sollts mi håbn, so guat i's dermåchn kån, åber im Nåmen des Koasers" soll er zugestimmt haben. Damit begann das Bauernregiment, aber nicht das eines revolutionären Gaismayr, sondern des frommen und kaisertreuen Sandwirts. Es war nicht anders denkbar: die politische Macht musste auf denjenigen übergehen, in dessen Hand augenblicklich die militärische lag.

Wiederholt hat Hofer während dieses bewegungsreichen Tages die Verfolgung des Feindes gefordert. 1) Begleiten wir dessen Zug bis zur Landesgrenze. Lefebre selbst war mit dem Gros, ohne angegriffen zu werden, bis zum Ausgang der Nacht nach Schwaz gekommen. Seine Nachhut unter Oberst Maingrenot, der erst gegen Morgen Hall verließ, bekam schon mit Verfolgern zu tun. Speckbacher und Haspinger hatten sich. mit einigen Meraner Kompanien und den Schützen der Haller Gegend beizeiten aufgemacht. Der Rotbart wurde zwar in der Stadt

1) Pichls Tagebuch zum 15. August: „Es kamen Boten des Hofer und forderten die Leute zur Brettfall, um die fliehenden Franzosen aufzuhalten. Von Zell gehorchte niemand, aber viele von Stumm, Ried und Uderns." — Siard Hasers Aufzeichnungen bei H. v. Wörndle, p. 41.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 632

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.