539 - Hofer gegen den Stillstand


inspiriert vom leidenschaftlichen Kolb, zum Wortführer derer, die jeden Gedanken an die Möglichkeit eines demütigenden Waffenstillstandes weit von sich wiesen. Am 22. erging sein glühender Aufruf: „Da der allgemeine Feind der Throne, der Religion und des Wohlstandes der Völker mit der Kraft der Waffen nicht mehr sein Auslangen findet, so hat er zur List seine Zuflucht genommen. Er streut aus, als ob vom Kaiser ein Waffenstillstand geschlossen worden wäre, dessen Folgen die vollständige Vernichtung der österreichischen Monarchie bedeuten würden. Da aber der Kaiser selbst jüngst die ewige Vereinigung Tirols mit Österreich sanktionierte, so weiß man, dass dieses Gerücht nicht wahr ist. Es ist unerhört! Der Feind kündet einen Vertrag an, von dem der Kaiser und Erzherzog Johann nichts wissen, sondern dagegen protestieren. Es müssen also dagegen alle Maßregeln ergriffen werden. Jeder muss zu den Waffen greifen. Ich mache es mir zum Vergnügen, euer Führer zu sein. Die Schützenkompagnien von jedem Gericht finden sich so schnell als möglich hier in Lienz und in Unterinntal ein. Sind von einem Gericht solche Kompagnien schon im Dienst, so wird doch gewiss von jedem Gericht noch eine Massenkompagnie erscheinen. Die Zeit ist kurz. Rettet den Kaiser, rettet euch selbst, rettet euer Hab und Gut. Wer der gerechten Sache entgegenarbeitet, ist nicht nur ein Feind des Vaterlandes, sondern soll der Wut des Volkes preisgegeben werden und aus dem Lande verwiesen sein. Wer in Tirol wohnen will, muss es schützen. Wer es nicht schützt, wird im Lande nicht geduldet." 1) Dasselbe, nur in recht ledernen Kanzleistil gekleidet, sagte das Proklam der Schutzdeputation in Innsbruck vom gleichen Tage: „Man zweifelt nicht, dass eine an die bedrohten Grenzen sich drängende Gesamtkraft geregelter Landeskompagnien die unverdiente Folgerung, welche das militärische Oberkommando aus dem Abzug mancher ausgedienten Kompagnie und etwaigen Anmeldungen um ihre Löhnungen auf Rechnung eines erkaltenden Eifers zu legen und dadurch die Fruchtlosigkeit militärischer Unterstützung zu rechtfertigen schien, von sich abzulehnen trachten wird."

Buol verbrachte in Brixen Tage folternder Ungewissheit. Von den französischen Generalen Dutaillis in München, Rusca in Kärnten, Lefebre in Salzburg kamen Notifizierungen des Waffenstillstandes und, damit verbunden, die Aufforderung das Land zu räumen. Als österreichischer Offizier konnte

1) Lienz, 22. Juli: Bram sagt in seinem Bericht a. a. O. über die damalige Lage in Lienz: „Kolb und seine Leute erfanden immer neue Lügen, die sie verbreiteten, und versahen das Volk mit Waffen. Da musste man vorsichtig sein, man durfte keinen Zweifel äußern über das, was ausgesprengt wurde. Der Waffenstillstand wurde öffentlich geleugnet. Hofer besichtigte die Schanzen von Chrysanthen und ließ Schützenkompagnien aus entfernten Gegenden nach Lienz kommen."



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 539

Rechtschreibung behutsam angepasst.
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