407 – Auftritte in Hall und Volders


Volders, wohin schon die Parole der bäuerlichen Kompagnien lautete, und dafür entschied man sich. Der Oberstkommandierende selbst begab sich früh morgens (den 14.) dahin: In Hall angelangt, traf er alles wieder in heller Aufregung. Man wusste, dass der Sieger von Wörgl sich nähere, und machte dafür die militärische Führung verantwortlich. Chasteler sah sich wilden Insulten ausgesetzt. 1) Inmitten einer lärmenden Menge, deren Drohungen und Gesten nichts Gutes verhießen, zog er die Straße dahin, sodass es den Anschein hatte, er werde vom Volk zu diesem Marsch genötigt. Das ersah der Kronenwirt Straub, welcher mit seiner Kompagnie in der Nähe stand; er eilte herbei, um dem Bedrängten Luft zu machen. Aber die Lage wurde noch gefährlicher, als der General nun selbst Hand anlegen wollte gegen einen der ungestümsten Beleidiger. Schon richteten einzelne ihre Gewehre gegen ihn. Straub deckte ihn mit seiner eigenen Person und suchte ihn aus dem Gedränge zu bringen. Chasteler, dem selbst seine Ehrenzeichen während dieses Tumultes sollen vom Kleide gerissen worden sein, war wie vernichtet. Diesen jähen Sturz von der Gunst des jüngst noch zujubelnden Volkes bis zu einer Behandlung, welche das soldatische Ehrgefühl aufs tiefste verletzte, vermochte der Mann nicht zu ertragen. Wie erst, wenn er schon gewusst hätte, dass er ein von Napoleon Geächteter sei! 2) Durch Straub, seinen getreuen Eckart, nach Hall zurückgebracht, enteilte der Unglückliche auf der Ellbögener Straße nach Steinach, nicht ohne auch noch auf diesem Wege unsanften Äußerungen des Volkszornes begegnet zu sein. 3) Fenner und Roschmann fühlten sich ebenso wenig wie ihr Chef in Volders sicher und wandten sich an den stets dienstbereiten Kronenwirt. Der labte sie noch in seinem Gasthof, beförderte sie heiler Haut nach Innsbruck und ließ durch einige seiner faustkräftigsten Ordonnanzen die ärgsten Schreier mit Prügeln und Arreststrafe zur Ruhe verweisen.

1) Die chronologische Fixierung der einzelnen Auftritte in diesen bewegten Tagen bereitet viele Schwierigkeiten. Die Aufzeichnungen der Zeitgenossen lauten oft widerspruchsvoll oder verschwommen. Dass Chasteler noch am Abend des 13. vom Haller Pöbel gezwungen worden sei, nach Volders zu gehen, wird durch Straubs eigene Angaben widerlegt. Bei der ersten Insultierung in Hall bemühte sich Roschmann um Chastelers Rettung (Hormayr an E. Johann, 14. Mai).
2) Napoleons Tagesbefehl vom 8. Mai. Dazu der Befehl vom 17. Mai an Lefebre: s'il (Chast.) tombe entre nos mains, faites dans les 24 heures exécuter l'ordre du jour qui le concerne. Saski III. 308.
3) Vor Jahren erzählte mir ein alter Bauer in Patsch, wie er Zeuge war, dass den durchreisenden Chasteler beim untern Dorfwirt Schützen mit ihren Gewehrkolben bedrohten. In der Nähe von Lans traf der General die ausgerückte Studentenkompagnie und überraschte sie mit der Frage, wo der Feind stehe. Dabei versprach er, wieder zu kommen. Jordan, selbst Mitglied der Kompagnie, setzt dieser seiner Erzählung bei: „So sonderbar dies alles klingt, so ist es doch buchstäblich wahr. Wir machten unsere Glossen über diese Unwissenheit und dieses Erscheinen des Kommandierenden" (a. a. O.).



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 407

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.