384 - Kein Landtag, nur Schutzdeputation


die Freunde des Althergebrachten stützen konnte, zu einer Politik des Lavierens verurteilt. Er bestellte einen Professorenausschuss zur Beratung, auf welche Art „Lehrvorträge und Lehrbücher, wie sie vor der bayrischen Organisation vorgeschrieben waren, ohne Stockung und Aufliegenheit wieder eingeführt werden können". Zugleich erinnerte er daran, dass nach dem Besitzergreifungspatent doch auch „neue Verfügungen, die im Einzelnen genützt haben, ohne dem Ganzen Nachteil zu bringen, fortbestehen sollten", deshalb sei es nicht seine Absicht, „gemeinnützige Lehrfächer ohne weiteres abzuschaffen", „besonders wenn sie nicht von dem charakteristischen Zeitgeist ausgehen, nicht Enzyklopädisten, Kosmopoliten und heiße Köpfe mit kaltem Herzen bilden und durch lauter flüchtige Reizmittel auf den Verstand den Charakter des kommenden Geschlechtes desorganisieren". 1) Bevor ein neuer oder der alte österreichische Lehrplan eingeführt würde, sollte auf eine Entlastung der durch die jüngsten Ereignisse stark zerstreuten, jetzt sogar ins Feld gerückten akademischen Jugend freundlichst gedacht und ihr die Prüfungsarbeit erleichtert werden. Jener Ausschuss hatte auch zu überlegen, ob nicht solche „Nebenfächer, welche bloß Subdivisionen eines literarischen Hauptzweiges sind", ausgeschaltet werden könnten. Für die Deportierten wurde provisorisch Ersatz geschaffen, die Lehrkanzel von Schultes musste einer der Mediziner versehen; 2) die Stelle der zwei ausgewiesenen Theologen sollte der mit den Bayern zerfallene Ingenuin Koch und der literarische Wortführer des bayernfeindlichen Klerus, Kooperator Köck, einnehmen.

Auf Hormayrs Betreiben war vor und bei Beginn des Aufstandes das verfassungsrechtliche Moment mit kräftigen Tönen in den Vordergrund geschoben worden. War doch schon für den 1. Mai eine Art Landtag in Brixen ins Auge gefasst. Dass derselbe in diesen kriegerisch bewegten Tagen nicht zusammentrat, war dem Intendanten gewiss nicht zu verdenken. 3) Als Ersatz dafür ließ er die Innsbrucker Schutzdeputation gelten, welcher mitunter erlaubt wurde, im Namen einer ganzen Landschaft das Wort zu führen. Das war z. B. der Fall beim ersten Bekanntwerden der erfolgreichen Sendung Straubs und Huters. Aus dem Schosse der Deputation erfloss darauf das Dankschreiben der „treugehorsamsten vier Stände des Landes Tirol" für die Gewährung der Geld- und Munitionshilfe sowie für die Sendung Chastelers, „eines der klügsten, tapfersten und der

1) Ebend.
2) S. ob. p. 342, Anm. 2.
3) Hormayr, welcher der „ehrwürdigen" Institution der Landtage so viele schöne Worte gewidmet hat, verteidigte die Nichtberufung später also: „Als ob es nach den eingetretenen Unglücksfällen etwas Tolleres hätte geben können, als gerade, wo die höchste Einheit und Energie not tat, die Büchse der Pandora zu öffnen. Das Landvolk hatte man ohnedies. Überall waren Schutzdeputationen. Die ständischen Perücken im Frack konnten wahrlich den Kohl nicht fett machen."   Hormayr II, 50.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 384

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.