357 - Urteil über Khuen und Graff


Den Aldosser fuhr Hormayr an: „Ist das der noble Bursche? Der ist nicht wert, dass ihn Soldaten bewachen, Bauern übernehmt ihn!" Dem Grafen Khuen hielt der Intendant vor, dass er Spionage getrieben, und, obgleich im Genuss einer kaiserlichen Pension, mit bayrischen Offizieren und Beamten intimen Verkehr gepflogen habe. Der Graf verwahrte sich gegen Beleidigungen und erlaubte sich, die Kompetenz Hormayrs zu einem solchen Verfahren zu bestreiten. Dafür regnete es über ihn einen Strom von Beschimpfungen, die Bauern mussten ihm die Uniform vom Leibe reißen. Als Khuen nochmals Einwendungen erhob, zwang ihn Hormayr, auf die Knie zu sinken, während die Umstehenden ihre Gewehre anschlugen. Der Intendant rief: „Bitten Sie diese Bauern da um Ihr Leben, als Christen werden sie es Ihnen schenken." Totenbleich leistete der Graf die Abbitte. Gleichartig behandelte der Freiherr den ihm schon persönlich widerwärtigen Baron Graff. Die Dazwischenkunft der Frau des jungen Giovanelli machte der unwürdigen Verhörszene ein Ende. Über Khuen und Graff wurde die Deportation verhängt, Aldosser nach Meran abgeführt. 1)

Neben diesen hochnotpeinlichen Prozeduren, bei denen Hormayr ebenso seiner Popularitätssucht wie seinem leidenschaftlichen Hass die Zügel schießen ließ, lag ihm noch eine andere Angelegenheit am Herzen. Bozen war ihm die Stadt „der großen Resourcen". Als er noch in Brixen weilte, hatte er durch Aretin den Mitgliedern des ehemaligen Merkantilmagistrates schreiben lassen, es sei bei seinem Erscheinen in Bozen eine ansehnliche Summe bereit zu halten. Zu seinem Ärger fand er bei seiner Ankunft noch keine Vorbereitungen dazu getroffen. Das Schreiben kam erst nach ihm an, absichtlich aufgehalten, wie er meinte, durch die

1) Aldosser saß nicht lang. Er schrieb einen Brief, wo er den Kapuzinern eine Gabe anwies. Wie er berechnet, öffneten die bäuerlichen Wachen das Schreiben und meinten, als sie es gelesen, dieser Gefangene könne doch nicht so schlimm sein. Sie ließen ihn darauf laufen. Wegen der Behandlung Graffs suchte sich Hormayr später (21. Okt. 1809) vor dem Grafen Zichy zu rechtfertigen. Er habe ihn entfernen müssen zu dessen eigener Sicherheit, um ihn vor der Volkswut zu schützen, man habe ihm denselben als einen äußerst gefährlichen Menschen bezeichnet; erst wiederholte Klagen der Tiroler Deputierten und ein eigener Befehl des E. Johann hätten ihn auf denselben aufmerksam gemacht. In den konfiszierten Papieren Graffs, so erzählt da Hormayr, habe er Briefe „der bayrischen Matadors", des Aretin, Mieg, Hofstetten, Heffels usw. gefunden, wo sie um Stundung für die Bezahlung ihrer Schulden baten. — Das mit Graff rivalisierende Kaufhaus Gummer in Bozen gestattete sich eine recht unschöne Geschäftspraktik. Es erließ ein Zirkular, worin gewarnt wurde, mit der Firma Graff sich in Geschäfte einzulassen, weil der Chef des Hauses als Staatsverräter deportiert wurde und es keinem Zweifel unterliege, dass auch sein Vermögen noch konfisziert werde. (Belege dafür im Archiv Carli.) Hormayr findet (in dem ob. zit. Brief) an einem solchen Vorgehen nichts auszusetzen: „Nebenbuhler im Handel gebrauchen alle unangenehmen Ereignisse gegen ihre Rivalen, das ist schon einmal der Lauf der Welt."



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 357

Rechtschreibung behutsam angepasst.
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