311 - Ditfurths Fall


einige Kameraden, sie schlichen über die Straße und kletterten an den Röhren hinüber. Hurtig sprangen sie über das Brückengeländer, stürzten sich auf die Geschützmannschaft und jauchzten den Zurückgebliebenen zu, welche nun in hellen Haufen über die Brücke hereinstürmten. Wieder begann lebhaftes Gewehrfeuer, die städtischen Deputierten mussten sich mit dem General eiligst in die Laubengänge zurückziehen. Die Kanone an der Brücke war die erste Beute der Bauern, welche sich mit den Artilleriepferden beritten machten und das Geschütz nebst Pulverwagen triumphierend nach Hötting zogen.

Mit dem Eindringen der Oberländer war das Schicksal der Stadt entschieden. Bald erschienen auch die Scharen von der Seite des Iselberges, die Stubaier unter Pfurtscheller, die vom Iglser Mittelgebirge und die Wiltener unter Patsch. Sie trafen als die Letzten ein. Wohl hatten auch sie schon am Morgen einen Vorstoß gewagt. Aber mitten im Dorfe Wilten überraschte sie eine von der Feldgasse hereinreitende Eskadron, unter deren Säbelhieben Hauptmann Schandl von Ellbögen nebst mehreren Gefährten beim Oberrauchschen Hause dahinsank. Wie Spreu zerstreute sich der Haufe und sammelte sich erst am Isel wieder. Als sie neuerdings vorgingen, fanden sie den Wiltener Friedhof stark von Infanterie besetzt, welche hinter der Umfassungsmauer des Gottesackers ein lebhaftes Feuer gegen die Angreifer unterhielt. Es mag wohl Munitionsmangel gewesen sein, welcher endlich das Militär bewog, diese vorteilhafte Stellung aufzugeben. Nun ging es unaufhaltsam hinab durch die Dorfstraße bis zum Servitenkloster. Da hörten die Bauern schon furchtbares Gelärme von der Altstadt herauf, welches ihnen das Nahen der siegreichen Genossen verkündete. Aber nochmals gab es hemmenden Aufenthalt. In der Neustadt (M. Theresienstrasse) stand Kinkels Reserve aufgestellt und bedrohte die Eindringlinge mit mörderischen Salven. Sie mussten sich in die einmündenden Seitengässchen schlagen. Einem Teil gelang es in das Trappsche Haus zu dringen, von wo sie, die rückwärts liegenden Gärten passierend, die Spitalkirche erreichten. Aus ihr und den angrenzenden Häusern, wo sich, wie namentlich im Spital, auch schon die von Axams eingenistet hatten, richteten sie ihre Rohre auf das in der Straße aufgestellte Karree.

Kinkel hatte sich von den Lauben weg mit einem Teile seines Stabes in das Gebäude der Hauptwache zurückgezogen. Vor demselben tobte nun der wildeste Kampf. Der ritterliche Ditfurth, bereits verwundet, führt den Befehl. Obgleich von allen Seiten umschlossen, kennt er, eine echte Soldatennatur, nichts von Kapitulation. Umherreitend unter den Seinen ordnet er die wankenden Reihen und fordert auf zum Ausharren. Aber hoch zu Ross ist er ganz besonders die Zielscheibe der Schützen. Von mehreren Kugeln wieder getroffen sinkt der Held bewusstlos zur Erde. Damit ist auch das Ende des blutigen Schauspiels gekommen. Die



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 311

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.