276 - Lodrons Wahrnehmungen


versehe. Die Dorfmeister entschuldigten vor dem Untersuchungsrichter alles mit der Aufregung wegen der Stellung. Die Bursche des Innsbrucker Mittelgebirges, welche flüchtig wurden, sagten, sie würden binnen kurzem, angeführt von Erzherzg Johann, wiederkehren. Auf Gassen und Plätzen konnte man hören: mit der bayrischen Regierung ist's bald aus, nächstens wird ein anderer Wind wehen. Spottlieder mit dem Refrain: „schwarz und gelb und gelb und schwarz" wechselten mit Hochrufen auf Kaiser Franz. 1) Die Anwesenheit Fellners in Unterinntal wurde von den Behörden ganz deutlich verspürt. Landrichter und Festungskommandant in Kufstein hörten schon Mitte März von Vorschüben österreichischer Truppen gegen die Grenze und merkten den Eindruck, den solche Nachrichten auf das Volk machten; letzterer, Major Aicher, versicherte wenigstens, in der ihm anvertrauten Festung sei man auf alles vorbereitet und man werde wissen „der Bojaren unsterblichen Ruhm zu erhalten". 2) In Oberinntal arrangierten die Bursche plötzlich wieder die verpönten Kreuzgänge (nach Kaltenbrunn), hinter denen die Behörde weniger kirchliche als andere Motive witterte. Auf Lodrons bedenkliche Anzeigen langte der königliche Befehl ein, streng, wenn nötig selbst standrechtlich vorzugehen. 3) Die darauf eingeleitete Untersuchung führte in den Gerichten Telfs und Innsbruck auf so viele Spuren, dass man mit dem Inquisitionsgeschäft nicht vorwärts kam. Dabei machte der Generalkommissär noch die Wahrnehmung, dass die richterlichen Organe nicht mit dem wünschenswerten Eifer arbeiteten. Dies bewog ihn zum Antrag, die Untersuchung über die aufständische Bewegung den politischen Behörden abzutreten. 4) Der König lehnte es als gesetz-und verfassungswidrig ab; Richter, die gegen ihre Pflicht handeln, sollen zur Anzeige gebracht werden.

Schon vermochte Lodron die Vorstellung nicht abzuweisen, dass eines Tages aufrührerische Massen sich der Hauptstadt bemächtigen könnten. Er wollte deshalb an die Entwaffnung der Bürgermiliz schreiten. Da gab es laute Verwünschungen. „Wir haben Montur und Waffen selbst angeschafft und werden sie zu schützen wissen", so riefen die einen; andere wieder, das sei der erste Schritt zur Wehrlosmachung der Nation, man soll sich das nicht gefallen lassen. Mit Mühe wurden unangenehme Auftritte hintangehalten. An die Rentämter erging der Befehl, ihre Kassenbestände an die Kreiskasse abzuliefern und nur soviel zurückzuhalten, damit beim Friedensbruch den Beamten ein dreimonatlicher Gehalt

1) Miegs Bericht.
2) Aicher an den König, 14. März 1809. M. St.
3) Lodron an den König, 13. März 1809. Lodron fragt schon an, wie es mit dem Archiv und den Kassen zu halten sei und wie sich die Beamten beim Vorrücken des Feindes zu benehmen hätten. König an Lodron, 16. März.
4) Lodron an den König, 25. März 1809.



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 276

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.