262 - Maria Ludovika


Zukunft, von seinem Wiederkommen gesprochen. 1) Es war ein würdevoller Appell an das dynastische Gefühl und an den bei früheren Kämpfen dem Kaiserhause bewiesenen Opfermut. Von diesem Stück ließ der Erzherzog auch Abdrücke in Großfolio herstellen, damit es auch an den Kirchtüren angeschlagen würde. Stadion hat es vor dem Druck eingesehen. Er wie Johann war mit Hormayrs Arbeit zufrieden. Nur eine Persönlichkeit war, als sie die bereits hinausgegebene Proklamation las, entsetzt, es war die Kaiserin Maria Ludovika, die zwar kriegseifrige, aber strenge Vertreterin der Legitimität. Johanns Unterschrift, des hochverehrten Schwagers, unter einem solchen Aufruf zu finden, hat sie „ganz betäubt“, sie vermisste daran seinen „rechtschaffenen, biederen Charakter und Scharfsinn“ und stand ratlos vor der Frage, mit welchem Recht Österreich „die Tiroler aufmuntert zur Empörung, zur Untreue gegen ihren rechtmäßigen Gebieter". 2)

Solche Erwägungen und Skrupel waren dem Verfasser dieser Pfeile und seinen Gönnern fremd. Hormayr hat in den Aufrufen alle Minen springen lassen, und wo immer er einen verwundeten Fleck am Leibe des Tiroler Volkes fand, da goss er Salz hinein, damit die Flamme leidenschaftlicher Feindschaft hervorbreche. Finanzielle Aussaugung, Verletzung

1) Hormayr sagt: „Ich habe diese Stelle absichtlich aufgenommen, weil dies wirklich eingetreten ist und weil die Franzosen sonst gewohnt waren, ein solches leider nur zu oft geschehenes Nichteintreffen zu den derbsten Lächerlichkeiten zu benützen.“ Dass Hormayr der Verfasser ist, muss gegenüber Rapp, p. 71 betont werden. Der Preuße Stägemann schreibt: Der Armeebefehl des E. Karl ist „sehr kräftig und schön“. „Was der E. Johann und der Kaiser sagen, ist schon matt und vielleicht nicht von Gentz.“ (21. Apr. 1809.) Aus der Franzosenzeit, Ergänzungen zu d. Brief, u. Akt. z. Gesch. Preußens, herausg. v. Franz Rühl, p. 137. Eine typographische getreue Reproduktion der Oktavauflage des erzhorzoglichen Aufrufs bei Just, Als die Völker erwachten, p. 62.
2) Kaiserin an E. Johann, 16. April 1809. Abgedr. bei Krones, Tirol 1812 — 16 u. E. Joh. p. 255 und Zwiedineck, E. Joh. im Feldzug 1809 p. 15. Johann bemerkt darüber in s. Aufzeichnungen: „Dieser Brief verdient einen Kommentar. Wenn ich das strenge Recht gelten lasse, so ist die Ansicht der Kaiserin richtig, und wollte Gott, es dächte alles so. Aber sie vergisst, dass Tirol Österreich entrissen wurde nicht allein gegen den Willen des Regenten, sondern des gesamten Volkes, dass die Bedingungen, wodurch die Verfassung aufrecht erhalten werden sollte, vielfach verletzt wurden. Das ganze Volk ergab sich in sein Schicksal in der Hoffnung einer Rückkehr zum alten Fürstenhaus mit dem festen Vorsatz, die erste Gelegenheit zu ergreifen, um dies auszuführen. Nicht aufregen war mein Bestreben, ich hatte im Gegenteil seit 1805 alles angewendet, um einen Ausbruch zu verhindern, um zu beruhigen. Was jetzt geschah, war nichts anderes, als das Volk tun lassen, was es wollte. Beweis: dass unsere Streitkräfte erst nach vollbrachter Befreiung durch das Volk eintrafen. Das Prinzip, welches die Kaiserin aufstellt, ist richtig. Dazu gehört aber ein anderes, das man nie vergesse, dass jeder Staat, jede Besitzung durch Verträge zwischen Regierten und Regenten entstanden, also nur durch den freien Willen beider aufgehoben werden kann. Die Teilung Polens war die erste Übertretung dieses Grundsatzes. Diese himmelschreiende Sünde hat reichliche Zinsen in ihren Folgen getragen. Napoleon, seinem Ehrgeiz folgend, hat schonungslos alle Verhältnisse mit Füssen getreten, die Länder genommen, behalten oder anderen gegeben, zertrennt und diese schlechte Mäkelei getrieben. Andere Mächte folgten diesem Beispiel. Wurden je die Völker gefragt? Hätte man Tirol, das eine Verfassung besaß, wo alle Stände der Nation das Wort führten, gefragt, so wäre die Antwort gewesen, bei Österreich wollen wir bleiben, weil wir es da am besten haben und unsere Rechte da gewahrt werden. Solange nicht der Grundsatz unverletzt erhalten wird, dass jeder Staat sich mit dem begnüge, was er hat, und seine Vergrößerungen in seinem Innern zur Beglückung derer, welche den Staat bilden, sie mögen heißen, wie sie wollen, sucht, so lange wird kein dauernder Friede, keine Ruhe und Zufriedenheit herrschen. Das lehrt die Geschichte, das beherzige man. Die Kaiserin war eine edle, hochherzige Frau, sie wollte das Gute; aber Erfahrung fehlte.“



Quelle: Josef Hirn, Tirols Erhebung im Jahre 1809, Innsbruck 1909, S. 262

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.