Anton Knoflach's Tagebuch (Teil 2)


Den 10. August 1 U. n. M. Es ist eine fürchterliche Bewegung in der Stadt. So eben kam das Reg. Isenburg zurück und zog gegen den Schönberg. Die Baiern scheinen allen Muth, verloren zu haben. Meine herrlichen Landsleute haben sie in Schrecken gesetzt. Dank dir, Gott im Himmel, daß ich ein Tiroler bin! In Oberinnthal litten die Baiern sehr großen Verlust. Die ganze vorige Nacht kamen Blessirte an. Die Baiern haben sich außer Kranebitten gelagert; so weit wurden sie zurückgedrängt. Die Hofkommission flieht heute noch durch Unterinnthal nach München. Ich will Goll danken, wenn sie glücklich durchkommt; aber ich zweifle daran, denn die Pusterer sollen schon den Tauern überstiegen haben und im Unterinnthal angekommen seyn.

5 U. abends. In der Stadt ist der größere Theil niedergeschlagen. Einige freuen sich auf die Ankunft der Bauern. Ich fürchte, es läuft diesmal nicht so gut ab. Der Plünderung entgehen wir gewiß nicht. Alles Militär packt ein. Lefebre soll schon auf dem Rückzug von Sterzing seyn. Aus aller Soldaten Gesichtern lieset man Furcht und Zaghaftigkeit. Morgen können die Bauern wieder hier seyn. Ein Korps von 24/m Mann in dem kleinen Ländchen richtet nichts aus! Ich begreife es kaum. — Die Bauern kämpften diesmal mit Tiegerwuth. Nun wird eine Bauernregierung beginnen. Vielleicht fällt sie besser aus als die unter Hormair.

10 Uhr nachts. In der Stadt ist große Ruhe. Alles Militär ist auf den Feldern. Die Stadt ist mit Wachfeuern umgeben; ich zählte vom Hausdache deren 50. Dazu gibt es drey Lager, auf dem Saggen, zu Wiltau, zu Kranewitten. Bauernwachfeuer sah ich nur eines auf der Axamer Anhöhe. Ich glaube doch, die Baiern dürften sich noch länger halten. Lefebre soll schon über Ellbögen abgezogen seyn.

Den 11. August halb 9 U. früh.
Ringsum ist alles im Feuer. Von allen Seiten wird heftig geschossen; alle Berge sind voll Bauern. Von Planetzen haben sie das baier. Piquet schon vertrieben. Vor ½ Stunde begann der Angriff der Bauern von allen Seiten zugleich. Man hört schon den Kanonendonner. In den Straßen ist es äußerst lärmend; Kanonen, Reiter, Fußgänger, alles fährt in Verwirrung durcheinander. Die Bürger verpacken das Beste. Man hört die Bauern vom Gebirge her jauchzen. Ich bin ohne Furcht. Ich eile wieder auf das Dach.

10 Uhr. Es wird unausgesetzt gefeuert. Die Baiern behaupten noch alle ihre Posten, Beim Hußlhof ists am heftigsten. Soeben kamen 2 Wägen schwer Blessirte. Auf der Innbrücke stehn 2 Kanonen. Man wird die Brücke im Nothfall abtragen.

11 Uhr. Vier Mann führten einen gefangenen Bauer auf die Hauptwache. Die Hitze ist unausstehlich und doch wird immerfort geschossen.

Halb 1 Uhr. Es ist gräßlich anzusehen. Der Dallatorre-Hof zu Planetzen brennt lichterloh, man weiß nicht, ob von den Bauern oder von den Baiern angezündet. Besetzt hatten ihn die ersteren. Zum Glück herrschet Windstille. Die Flammen steigen thurmhoch gen Himmel.

Ein Viertel nach 1 Uhr. Nun liegt der Hof schon in der Asche. Aber alles ist ruhig; es fällt kein Schuß mehr. Es ist aber auch eine entsetzliche Hitze! Abends bei der Kühle geht es sicher wieder an. Die Bauern gehn gewiß nicht zurück.

3 Uhr. So eben sprengt der Marschall die Neustadt herab, von vielen Offiziers begleitet, ganz zerstört und voll Staub. Noch ist alles ruhig; nur reiten baierische Generals die Straßen auf und nieder.

Halb 4 Uhr. Der Reisacher Hof am Berg Isel steht in Flammen! Die Baiern retiriren von innen heraus eiligst. Schon wieder ein Wagen voll Blessirter, die schrecklich heulten! Es wird publizirt, daß Niemand sich auf der Gasse blicken lasse, noch die Hausdächer besteige — bey schwerer Verantwortung.

Halb 5 Uhr. Die baier. Kavallerie kommt vom Wippthale, noch ziemlich stark. Eine türkische Musik nach der andern! alle Regimenter und Bataillons ziehen in Parade durch die Stadt.

Um 5 Uhr. Bis nun dauerte der Durchzug. Den Kanonen liefen bey 200 Unbewaffnete nach. Es folgten mehrere Wägen Blessirte. Die Bauern sahen von den Bergen ohne Zweifel die vielen Leute und werden heut wohl nicht mehr angreifen. Wenn man doch ausgehn dürfte! Ich sitze da wie ein Gefangener.

6 Uhr abends. Der Zuchthausverwalter v. Posch suchte den Dipauli, damit er beim Marschall für Hötting vorbitte. Dieser glaubt, daß auch die Höttinger beim heutigen Gefecht waren. Er verordnete, der Bauer Hutter von Hötting habe sich bis 8 U. abends vor ihm zu stellen; wo nicht, so werde Hötting angezündet. - Eben kommen wieder viele Wägen mit Munition, Blessirten und Bagage. Auch 4 bejahrte Bauern werden die Vorstadt herabgeführt; sie sind ohne Schuhe; ich sah, wie mehrere Baiern ihnen Ribbenstöße gaben. Gott! wie mir ums Herz ist! Schon wieder zwey steinalte Bauern! Auch Landstürmer aus Baiern ohne Montur sehe ich. Viele liegen vor Mattigkeit auf dem Boden herum. Ich sehe auch geplündertes Zeug, weggenommene Fuhrmannspferde, etc.

8 Uhr abends. Vor einer halben Stunde sind die zwey letzten Reste der Regimenter Kronprinz und König angekommen. Die Baiern haben schrecklich gelitten; sie sollen die Hälfte ihrer Mannschaft und Kanonen verlohren haben. — Nur während den Gefechten darf man die Hausdächer nicht besteigen, und in Gruppen darf man nicht auf den Straßen stehen. Noch immer werden Blessirte herbeygeführt und getragen; das Elend ist unbeschreiblich groß! Alles Militär ist im Lager auf dem Saggen. Schon bey 3 Tage hatten die Leute nichts mehr zu essen. Die meisten sind krumm und ganz entkräftet. Die Straße von Matrey bis Innsbruck soll mit Leichnamen bedeckt seyn. Vielleicht ziehen sie noch diese Nacht ab.

Halb 10 Uhr. Auf den Straßen ist volle Ruhe. Ich plauderte mit dem baier. Hauptmann, der diesen Abend bey uns einquartirt wurde, einem ehrwürdigen Greise, der mir sehr gefällt. Er ist auf den Marschall nicht gut zu sprechen und es freut ihn, daß derselbe übel ankam. Besonders ist er darüber aufgebracht, daß über jedes baier. Bataillon ein französischer Offizier kommandirt.

Den 12. August 5 Uhr abends. Der heutige Tag lief bis nun ganz gut ab. Das baier. Militär ist noch hier. Der Mangel an Lebensmitteln war noch nie so fühlbar; von den Dörfern kommt nichts herein. Getreid requirirt das Militär. Der Dorfvorsteher Eller von Hötting, der Bauer Hutter und der Gerichtsdiener Wolfg. Natterer haben sich nicht dem Marschall gestellt; darum wurde das Haus des letzten heut niedergerissen; jene der beiden ersteren wurden noch verschont. — Ich bin in einer sehr sonderbaren Stimmung; mir bangt; ich weiß nicht, was ich hoffen, fürchten, wünschen soll.

10 Uhr nachts. Die ganze Atmosphäre um Innsbruck ist erleuchtet. Es ist ein herrlicher Anblick bey einer so finstern Nacht so viele Feuer zu sehen. Es brennen deren sicher bey 300. Nun donnert und regnet es heftig. Es muß in der Nähe eingeschlagen haben.

Den 13. August. Halb 11 Uhr vor Mittag. Nun krachts schon wieder seit einer guten halben Stunde vom Berg Isel her und viel heftiger als vorgester. Schon sind einige baier. Piquette geworfen. — Es sind noch über 10/m (10.000) Mann hier, die Bauern werden schwerlich siegen. In der Stadt ist wieder alles in der heftigsten Bewegung.

Halb 1 Uhr. Ich komme vom Hausdache. Ich fand ein Plätzchen, wo ich alles sehe und nicht gesehen werde. Es wird unausgesetzt gefeuert. Lefebre ritt selbst hinaus. Die ganze Stadt ist in Pulverrauch gehüllet. Nun geht's fast auf allen Seiten gleich hitzig zu. Im Unterinnthal sah man wieder ein Örtchen brennen.

Halb 1 Uhr. Ich war auf dem Dache; zum Glück die Frau vom Hause bey mir. Man muß mich verrathen haben. Plötzlich kam ein Offizier mit 2 Mann Wache und wollte mich fortführen. Er begnügte sich noch, das Haus und den Nahmen des Hausherrn zu notieren. Es wird immer lebhafter geschossen. Ich sehe schon mehrere Blessirte, auch Offiziers.

7 Uhr abends. Noch dauert das Schießen fort: also 10 ganze Stunden unausgesetzt! Der heutige war gewiß der fürchterlichste Tag, den ich erlebte. Ein Blessirter nach dem andern wurde herab getragen oder geführt. Bey der Heufler Vogelhütte wurde ununterbrochen am heftigsten gefeuert; die Baiern behaupteten sie immerfort. Jenseits des Sandbühels sind 5 Bauernhöfe abgebrannt; auch das Wirtshaus zu Kranewitten, ebenso der Lemmenhof bey Wiltau. Im Unterinnthal sieht man sehr starken Rauch. Wahrscheinlich brennt ein Dorf. Gott! wie schwer ist mir!

Um 4 Uhr ritt der Marschall die Neustadt herab; bald darauf an der Spitze des Bat. Buttler wieder hinauf. Er sprach demselben Muth ein. Es mußte dann zweymal Sturm laufen. Nun sind die Bauern bereits ganz zurückgedrängt. Auf der Seite von Hötting hörte das Feuern schon früher auf.

Um 10 Uhr nachts. Man hört noch dann und wann einen Schuß. Während dem heutigen Gefechte hat es auch gedonnert.

1 Uhr n. M. Der Kratzer- der Wörndle- der Sarnthein-Hof, das Bierhaus beym Stinl, die Schrofen- und die Heufler-Hütte sind wirklich abgebrannt. Alles Militär hat sich vom Berg Isel in die Ebene herabgezogen und das Gebirg den Bauern Preis gegeben. Vor ¼ Stunde fuhren 30 Wägen Blessirte vorbey. Nun wird nicht mehr geschossen.

8 Uhr abends. Es ist nun gewiß, daß die Baiern diese Nacht abziehen. Die Soldaten wurden auf 3 Tage mit Fleisch versehen. Dieser Abzug kann blutig werden. Die Bauern sind ganz ohne öst. Militär. Unter ihnen ist gewiß viel Gesindel.

10 Uhr nachts. Eben zieht die Kavallerie durch die Stadt. Man hört keinen Laut, nur die Tritte der Pferde. Die Infanterie ist schon abgezogen. Diesen Augenblick retirirt die Hauptwache. Wenn nur die Bauern nicht noch in der Nacht kommen! Die Berge sind ringsum voll Wachfeuer.

Den 15. August halb 12 Uhr v. Mittag in einem Zimmerchen des Nachbarhauses. Der Abzug der Baiern endete sich um halb 2 Uhr. Es war ihnen sehr bang und ein schreckliches Durcheinander. Schon um 3 Uhr streifte städtisches Gesindel in den Gassen herum, das an die Thüren pochte, schrie und polterte. Das setzte mich in Furcht und ich retirirte übers Dach hieher. Bereits um 4 Uhr waren viele Bauern da und bis nun kamen unausgesetzt neue. Der Sandwirth ist vor ½ Stunde in einer Kalesche eingefahren; nun drängt er sich an der Seite des in ein grünseidenes Kleid geworfenen Herrn v. Stadler durch die Menge der Bauern. Alles gafft und staunt ihn an. Ich fürchte keine Excesse mehr. Die Stadt ist voll Bauern, wenn schon viele die Baiern verfolgt haben. Gefangene Baiern werden nur wenige eingebracht. Zwey Bauern sah ich jauchzend durch die Stadt ziehen; jeder trug einen Jahrgang des baier. Regierungsblattes am Bajonette. Auf die Frage, was sie da tragen, sagten sie: „Die baierische Regierung".

Nach 12 Uhr, So eben ziehen wieder viele Oberinnthaler ein. Wie es um die retirirenden Baiern stehe, weiß man nicht gewiß. Sie führten den ehrwürdigen alten Grafen Sarnthein, den B. Schneeburg und die Baronesse Sternbach auf einem Leiterwagen als Geissel mit sich. Die Baiern sind wahrhaft Unmenschen. Vor 2 St. wurde wiederholt Sturm geläutet als Kommando, daß die Bauern zur Verfolgung der Baiern vorrücken sollten. Aber sie wollten vorerst noch essen. Die Bauern sind alle ordentlich bewaffnet; die Österreicher, etwa 100 Mann, von allen Regimentern, haben größeren Theils nur Zaunstecken. Trommler und Pfeifer giengen Gasse auf, Gasse ab; auch ritten mehrere Bauern herum, die übrigen zur Verfolgung des Feindes aufzumuntern; aber die meisten blieben doch; die Ruhe schmeckt ihnen zu gut. Gemeine Österreicher und Milizoffiziers fluchten über diese Unthätigkeit, doch jeder thut, was er will.

Den 14. August 7 Uhr früh. Schon wieder wird geschossen, obwohl es heftig regnet. Unsere Magd bringt die Nachricht, daß alle Höfe um Wiltau in Flammen stehen.

Ein Viertel nach 1 Uhr. Soeben wird der Finanzdirektor v. Senger die Neustadt hinauf geführt. Hunderte von Bauern umzingeln ihn; er hängt schneebleich am Arme eines Offiziers. Ein Bauer in einem rothen Mantel raubte in mehreren Häusern; andere Bauern trieben ihn endlich unter Schlägen auf die Hauptwache, wo er nun sitzt. — Nun kommen wieder Oberinnthaler. Marberger ist ihr Anführer. Viele davon tragen baierische Federbüsche auf den Hüten. Die Bauern in der Stadt sind unzählbar. — Vor 4 St. stieß ich auf bekannte Bauern, die ich ansprach. Sogleich warfen sie mir vor, ich und Rapp seyen nicht gut tirolerisch gesinnt. Ich mochte mich mit ihnen nicht abgeben und verließ sie; sie rümpften mir die Nase nach. Die meisten Bauern sind nun benebelt. Ich trage Bedenken auszugehen, doch bin ich ohne Furcht. Die Mägde vom Hause zwingen mich, wieder fort zu gehen, indem schon mehrere Bauern da waren, die nach mir fragten.

Halb 10 Uhr nachts. Ich machte nachmittag ganz allein einen Spaziergang nach Wiltau. Ich sah da eine unbeschreibliche Verwüstung. Die schönen Maierhöfe und Vogelhütten, sonst die Zierde der lieblichen Gegend, liegen im Schutte. Mir blutete das Herz, den Greuel zu sehen. Der Gottesacker gleicht einem Stalle; alle Zäune und Scheunen sind eingerissen, alle Felder verwüstet. Die hölzernen Baracken stehen noch alle. Zwey Klostergeistliche sagten mir, die Baiern, besonders der gemeine Mann, vorzüglich beym zweimaligen Sturmlaufen, hätten sich sehr brav gehalten, aber doch immer sich mit Verlust zurück ziehen müssen. Die Generale, Stabsoffiziere mit Orden, etc. wären unterdessen ruhig im Kloster beim Schmause geblieben. Lefebre habe gester im Lager in Gegenwart der Generale eine Anrede gehalten und die Baiern feige Hunde gescholten, weil sie nicht öfter Sturm liefen und die Bauern nicht warfen; er schäme sich sie anzuführen; mit hundert Franzosen würde er die dummen Bauern zu Baren (Paaren) getrieben haben. --Ich sah noch todte Baiern im Walde und auf dem Wege liegen. Die Bewohner der abgebrannten Höfe sind im Kloster in einem einzigen Zimmer. Die Baiern ließen ihnen nicht einmal so viel Zeit, die besten Habseligkeiten zu retten. Alles, was sie nicht am Leibe trugen, ward ein Raub der Flammen. Sieben Baiern haben den Lemmenhof in Brand gesteckt; die Bauern erwischten zwey derselben und warfen sie lebend in den Brand hinein. „Hätten sie dir erbarmt?" fragte ein Bauer den andern. „Mir nicht!" „Mir auch nicht!"

Der Sandwirth bath heut die Leute mit aufgehobenen Händen die Baiern zu verfolgen; er drohte auch, aber alles vergeblich. Die meisten waren taub, auch vom Weine benebelt und kehrten zahlreich in ihre Heimath zurück. „Aber ich führe euch gewiß nicht mehr an!" sagte der Sandwirth aufgebracht.

Nun ist alles so ruhig, als wären wir mitten im Frieden. Ist dies nicht ein Wunder? Ich hatte viel Schlimmes geforchten. Außer der Arretierung des (Finanzdirektors) von Senger und einigen Excessen im Hause des Buchhändlers Schumacher geschah kein Unfug. Und was stand nicht alles in der Macht der Bauern! Halb gesättigt sind, nach Vertreibung des Feindes, die meisten nach Hause gegangen. Wer kann den Tirolern Charakter absprechen? Für so brav hätte ich sie selbst nicht gehalten.

Der doppelte Adler auf der Hauptwache ist wieder an seinem Platze. Dem Kaiser Franz wurde häufig Vivat getrunken. Nach Mittag wurden 130 gefangene Baiern eingebracht; man hat sie gut behandelt. Den Sachsen wurden alle ihre Sachen gelassen und sie dürfen frey herum spazieren; aber die Baiern sind eingesperrt.

Aber wenn Österreich nicht reussirt, was soll dann aus uns werden?

Den 16. August 9 Uhr. So eben ist der Sandwirth in Gesellschaft eines Kapuziners nach Unterinnthal gereiset, wo die Baiern in der Enge seyn sollen. Gester hat er der Gräfin Sarnthein Visite gemacht und sie getröstet, der Graf werde bald wieder bei ihr seyn; er habe dem Lefebre ein Schreiben nachgesendet und die Geissel zurückgefordert, mit der Drohung, sonst eben so viel gefangene baier. Offiziers verbrennen zu lassen. Wahrscheinlich gibt Lefebre eine gleiche Drohung zurück und es bleibt beim Alten. Der Wirth von Hall (Straub), den sie auch als Geissel mitnehmen wollten, ist ihnen entwischt. — Besoffene gens d‘armes holten den Grafen Sarnthein ab. Vor dem Wirthshause des Niederkircher bestieg er den Leiterwagen. Er ließ sich noch ein Seidel Wein bringen, aber ein Franzose soff es ihm weg. Einige seiner Kinder fielen in Ohnmacht.

Noch herrscht völlige Anarchie. Niemand regiert. Ich las ein Indorsat des Sandwirths auf eine Bittschrift drey sächsischer Offiziers; es war voll orthographischer Fehler. Welchen Begriff werden sich die Sachsen vom Oberkommandanten des Landes machen?

Tirol ist doch ein herrlich Ländchen, wo noch Biedersinn, Redlichkeit und Gemeinsinn herrschet! Meine Landsleute thaten Wunder der Beharrlichkeit und Tapferkeit. Ohne Kanonen, ohne Militär, ganz allein, haben sie ein Korps von 24/m (24.000) der tapfersten Krieger unter der Anführung eines der ersten französischen Generale, der eine Menge Siege zählt, aus dem Lande vertrieben. Wer nicht Achtung für sie trägt, ist nicht werth, daß ihn die Sonne bescheint. Die Gefangenen wurden menschlich behandelt, die Stadt verschont. Mir laufts noch kalt über den Rücken, wenn ich bedenke, was sie thun konnten; und ich bewundere sie, da ich sehe, was sie thaten. Vielleicht nehmen mehrere unter dem Joche der Tyranney schmachtende Völker die Tiroler zum Muster. Dießmal hat Gott wunderbar begonnen! Ich bin voll Zuversicht, daß er auch wunderbar ende.

Philipp v. Wörndle soll indessen unser Intendant werden.

1 U. n. Mittag. Endlich werden wir das Lumpengesindel von ranzionirten Österreichern und Jägern los; so eben werden sie zusammen getrommelt; es sind deren bey 200 ohne Anführer und ohne Waffen. Sie sind eine Pest fürs Land; Plündern und Rauben ist ihre einzige Beschäftigung; Bürger und Herren der Stadt zwangen sie schon, die Stiefel vom Fuß weg zu geben. Die Gewehre, so sie erhalten, verkaufen sie um ein Spottgeld wieder. Es ist zu fürchten, daß sie sich zu Räuberbanden bilden. Vor Mittag spazirten bey 20 solche Kerls, an der Spitze ein Ungar mit einer Geige, singend und schreyend die Vorstadt hinauf.

10 Uhr nachts. Von 4 — 7Uhr stieg ich mit einem Freunde das Gebirg bey Wiltau ab. Wir stießen, ohne zu suchen, auf 10 Leichname, 9 Baiern und 1 Bauer. An allen frassen schon die Würmer, besonders am letzten, der gräßlich anzusehen war; der Hals halb abgeschnitten, ein Aug herausgestochen, das Gesicht kohlschwarz. Die Baiern sind alle im Sturmlaufen auf dem Berge geblieben, wo die nun abgebrannte Schrofenhütte steht. Fast jeder Baum ist von Kugeln getroffen; auch fanden wir viele Stücke von Haubitzen, abgeschlagenen Gewehren etc. Es ist da zum Handgemenge gekommen. Im Rückwege besuchten wir die Brandstätten; in einigen glimmte es noch. Einer der Abgebrannten klagte uns: am meisten thue ihm weh, daß ihm die letzten Überreste seiner Habe noch von hiesigen Leuten weggestohlen wurden.

Zwischen Österreich und Frankreich soll der Krieg, wie man sagt, wieder ausbrechen. Ich wünsche es. Sollte aber Österreich unterliegen, dann weh uns!

Den 17. August, abends. Die Hauptwache ist von Bauern besetzt. Der Sandwirth ist wieder hier und hat die Hofburg bezogen.

Als man vorgester den Finanzdirektor Herrn von Senger in das Haus des Herrn v. Stadler führte, versammelte sich vor demselben eine außerordentliche Menge Volkes, die in fürchterliche Schimpfworte gegen ihn und alle Herren ausbrachen; einige wollten sogar mit Ungestüm in das Haus dringen. Da öffnete der Sandwirth, der im Hause war, ein Fenster und hielt folgende Anrede, durch die er die Bauern glücklich zerstreute: „Aber was ist denn döß? Haist döß ‘s Land vertheidigen? geath auseinander! wöllt's nit folgen? muß i enk's denn no amol sog'n? geaht, geaht! verfolgt dafür den Feind; ist gscheider!" Indessen sagte doch ein Bauer zum andern: „Das herrisch Röden steaht dem Sandwirth wohl gor nit un!"

Um 9 Uhr abends wurde dem Sandwirth eine Nachtmusik gemacht. Sie war äußerst schlecht, wurde aber doch sehr gerühmt.

Den 18. August. Lefebre soll Verstärkung erhalten haben und wieder kommen wollen.

Auf einer Altane der Hofburg stand heut ein Adjutant des Sandwirths, der sich mit der bloßen Hand schneutzte und von ungefähr einem vorübergehenden Beamten den Rotz auf den Kopf schleuderte. Es erregte Lachen.

Den 19. August. Es ist heut schon der fünfte Tag des anarchischen Zustandes. Wir sind völlig regierungslos. Und doch gieng bisher alles in der besten Ordnung vor sich; keiner beleidigt den andern; keiner thut Eingriff in fremdes Eigenthum. Und wir haben weder einen Herrn noch einen Richter. Der öst. Adler ist zwar wieder aufgestellt, aber der öst. Kaiser weiß noch nicht einmal, daß wir die Baiern wieder verjagten. Der Herr v. Wörndle hat die Stelle eines Intendanten ausgeschlagen. Von den großen Armeen hört man nichts.

1 Uhr nach Mittag. An allen Hauptplätzen sind zwey Befehle des Sandwirths angeschlagen. I. Alle erbeuteten Gewehre, Pferde etc. sollen gegen Quittung eingeliefert werden. II. Die Obrigkeiten müssen alle streitbaren Tiroler von 16 — 60 Jahren beschreiben, in Kompagnien eintheilen, die Offizierswahlen veranlassen und die Standeslisten an den Sandwirth Andreas Hofer einliefern. Die Obrigkeiten haben sich genau an die unter Österreich bestandenen Gesetze zu halten. — Wer hat denn ihn zu unserm Herrn gemacht?

Die Baiern haben vor ihrem Abzuge die eingelieferten Gewehre in den Inn geworfen. Man holt sie nun wieder heraus.

Den 20. August. Gester abends wurden von einigen Bauern die Professoren Albertini, Feilmoser, Jud und Gilg aus ihren Quartieren abgeholt. Sie sind nun verwacht; warum weiß ich nicht.

Morgen früh werden die Arrestanten nach Brixen abgeführt, um sich vor dem Consistorium wegen ihrer Grundsätze zu verantworten. Unser Rektor gymnasii Nitsche und noch ein Professor giengen zum Sandwirth vorzubitten. Durch sechs Wachen mußten sie passiren; ihn selbst fanden sie in Hemdärmeln majestätisch auf einem seidenen Stuhle sitzend, von vielen Bauern umgeben. Ohne sich vom Sitze zu erheben, speiste er sie kurz und derb ab. Man sieht ihn nie außer der Hofburg, wahrscheinlich weil er sich fürchtet. Heut war bey ihm Session; von Stadler, B. Lichtenthurn etc. waren beygezogen.

Den 21. August. Es soll gewiß seyn, daß Erzh. Karl das Kommando niederlegt. Dann, Österreich, wirst auch du dich zur Ruhe legen!

Den 22. August. Unser Landeschef Sandwirth befindet sich recht wohl. Alle Abende nach dem Nachtspeisen bethet er mit seinen Gästen und den Wachen den Rosenkranz und noch bey 100 Vaterunser zur Ehre allerley Heiligen. Wer um diese Zeit zu ihm kommt, muß mitbethen.

Wenn unsern Kommandanten nur nicht der Hochmuthsteufel ergreift! In den Händen eines so simpeln Bauers so viele Gewalt! Ein Glück für uns ist, daß er wenig Kopf hat, auch sich selbst nichts, wohl aber alles Gott dem Allmächtigen zutraut. Personen von hohem Rang und Stande stehen vor ihm mit entblößten Köpfen, während er sein schwarzes Hütchen auf behält.

Den 23. August. So eben las ich des Sandwirths Aufruf „An die hochwürdige Geistlichkeit". Wie mag das den geistlichen Herren gefallen? Wie so verschieden von den baier. Verordnungen klingt es! — Übrigens ist nun ein gewisser Purtscher, ehemaliger Schullehrer, eine Art Sekretär und Concipient des Sandwirths.

Den 24. August. Von so vielen baier. Beamten ist kein einziger mehr im Lande. Die noch da waren, sind alle entflohen. In der Stadt ist alles sehr ruhig.

Den 27. August. Ich habe die vergangenen Tage einen Ausflug nach Matrey gemacht. Ich stieß an der Straße auf mehrere Grabhügel von erschossenen Baiern. Lefebre war von Matrey bis Innsbruck in einen schlechten Infanteristenmantel gehüllet und gieng zu Fuß. Die Passeyrer verfolgten die Baiern auf dem Fuß. Matrey war von den letzteren noch nicht ganz verlassen, als schon die ersteren einzogen. Dem Lammwirth, der zu Matrey am meisten litt, schenkte der Sandwirth 130 Säcke Salz.

In meiner Abwesenheit haben statt der Meraner, die nach Hause gehen, die Bürger die Wache bezogen.

Unser braver Bürgermeister Schuhmacher, der schon zum drittenmale eine Plünderung erlitt, wollte gester zu seiner Erholung mit Studenten nach Etschland reisen; aber auf des Sandwirths Befehl wurde er an der Triumphpforte von Bauern zurückgewiesen. Der Sandwirth muß von bösen Menschen umgeben seyn.

Diesen Nachmittag wird auf dem Hoftheater ein Schauspiel, der h. Johann von Nepomuk aufgeführt. Zum Schlusse wird der h. Johann und der siegende Innfluß auftreten.

Schon manchem Frauenzimmer wurden von Bauern die Locken abgeschnitten. Man sieht darum alle einfach gekämmt und in große Tücher eingehüllt.

Von allen Seiten kommen Deputierie zum Sandwirth, die er kurz bescheidet. „Verlassen wir uns auf den da oben und es wird schon alles recht gehen!" ist sein Wahlspruch.

10 U. nachts. Ich war im Theater; die Schauspieler waren Buben aus der Kothlacke. Es gab viel zum Lachen. Die Schauspieler sprachen von bairischen Säuen etc. Das Haus war vollgepfropft, voll Unruhe und Lärm. Wer hätte auch Ruhe gebiethen sollen!

Bürgermeister Kasimir Schumacher, Repro: www.SAGEN.at

Bürgermeister Kasimir Schumacher

Den 29. August. Ich war heut in der Hofburg, Sie ist voll Wachen, von Bürgern versehen. Der Rektor der Normalschulen Hubel, der Bürgermeister Schuhmacher (diese beiden sassen anfangs in der Frohnfeste), die Gräfin und baierische Oberstin Spaur, Högwein etc, sind in der Burg verhaftet. Auf die Frage um die Ursache der Arretirung sagte der Sandwirth: „Sie stehn halt auf der Liste." Da kommen Bauern und schildern diesen und jenen als übel gesinnt, den er müsse packen lassen. Dann kommen die Herren und schildern die nähmlichen Personen als die bravsten der Stadt. Was soll er thun? Er thut das Klügere und hälts mit den Bauern.

Von der Pflicht, Wache zu stehen, ist in der Stadt Niemand ausgenommen.

Den 30. August. Das General-Kommissariat publicirt das Verboth, dem Frauenzimmer ferner die Locken abzuschneiden.

Den 1. September. Heute hält die General-Landesadministration die erste Sitzung. Baron Reinhart präsidirt; v. Röggla ist Kreiskommissär. Der Sandwirth geht auf einige Tage ins Etschland. Er erwartet sicher Österreicher.

Der Rechtspraktikant von Laicharding war diese Nacht im Gasthofe zum goldenen Adler bey zwey sächsischen Offiziers. Beim Anzünden der Pfeifen entfiel einem Offizier ein brennendes Stück Zunder zum Fenster hinaus, das einer vorübergehenden Patrouille auf die Köpfe fiel. Die Patrouille arretirte sogleich alle drey. Man glaubt, sie haben die Stadt anzünden wollen; der ganze Pöbel glaubt es. Sie wurden heut verhört.

4 U. nach Mittag. So eben fuhr unser Ober-Kommandant von hier ab; die Hauptwache paradirte; die Menge der Gaffer war groß. Voraus ritten 5 regelmäßig montirte Vorarlberger. Er saß mit 6 andern in einer Kutsche, mit den 4 Schimmeln der gefangenen Gräfin Spaur bespannt; nach ihm wieder ein Dragoner; 30 Schritte danach 3 Leiterwägen, auf den zwey ersten 8 Passeyrer, auf dem letzten einer, und notabene ein Fäßchen Wein. Noch muß ich lachen.

Vor 2 Tagen gieng die Frau v. P. . . . ganz unbefangen in die Kirche; ein Bauernbursch schleicht hinzu, schneidet ihr eine Locke ab, zieht sie bey der andern und — die Frau steht kahl vor ihm da. Er lief ganz bleich davon: die Frau trug nähmlich eine Perrücke, die er ihr vom Kopfe zog. Ein Fräulein, an dem ein anderer denselben Muthwillen verüben wollte, versetzte ihm eine so derbe Ohrfeige, daß ihm das Blut von der Nase rann; er gieng ohne ein Wort zu sagen, davon.

Den 3. September. Bey der Tafel unsres Oberkommandanten putzten seine Adjutanten das Licht immer mit den bloßen Fingern. Der Aufwärter fragte ihn nach den ersten Speisen, ob er noch Wein befehle. „Jetz hobn mier amol gnue", sagte er; „aber um a viera bringst wieder a Maul voll."

Den 4. September halb 1 Uhr. Heute bin ich auf der Hauptwache; ich hätte sollen Kommandant werden, schlug es aber aus. Das Kommando übernahm der Kaufmann Lechthaler. Von 7 — 9 Uhr stehe ich Wache vor einem im Kreuzwirthshause arretirten Landrichter. Bediente etc. sind meine Kriegskameraden. Ich lache viel.

Den 5. September. Ich bin wieder abgelöset; das Liegen auf der Pritsche schmeckte mir zwar nicht, doch im ganzen unterhielt ich mich gut. Der Kommandant Lechtaler, schon 5 U. abends betrunken, gab uns viel Stoff zum Lachen. Ich war Patrouilleführer; wir hatten auch unsre Parole. Wir durchsuchten alle Gasthäuser und fanden nichts Verdächtiges. Die 2 ersten Wachstunden brachte ich beim arretirten Landrichter von Mittersill, Graßl, zu, einem braven, artigen Mann, der nicht weiß, warum er hier ist. Er ist nun 8 Tage hier; er that seine Pflicht und weiter nichts; darum verfolgten ihn Übelgesinnte. Auch der Pfleger von Mittersill ward hierher gebracht, doch nach 2 Tagen wieder entlassen. Als beide vor den Sandwirth kamen, sagte er: „Entweder seyn Sie schon amearst a Spitzbua gwösn oder Sie seyns earst iatz woarn." Den Tag darauf nannte er ihn „Gnädiger Herr".

Es verbreiten sich beunruhigende Gerüchte, als würden die Baiern einen neuen Einfall versuchen, — Ich kaufte ein schlecht gestochenes Bild des Sandwirths und der Affäre bey Wiltau mit der Aufschrift: „Vor (für) gott und Vatter Lant." Den 1. September publicirte der Sandwirth durch den Druck: er habe eine Depesche aus dem k. k. Hauptquartier erhalten; die öst. Armee zähle noch 300/m Mann ohne die Ungarn, die Landwehr und die Korps des Prinzen Johann und Ferdinand; der Kaiser habe sich in Friedensunterhandlungen eingelassen, sey aber immer bedacht, Tirol und Vorarlberg als eine Perle seiner Krone oder doch für einen öst. Prinzen zu erhalten; auch habe der Kaiser neuerlich den Ersatz alles Kriegsschadens zugesichert. Er schließt mit dem Aufrufe, alles Mögliche zur Landesverteidigung beyzutragen.

Der Landrichter Graßl hat nur noch Stadtarrest.

Den 8. September. Man sieht viele bewaffnete Etschländer Bauern, sehr gutmüthige Leute. Jeder hat einen Schnappsack mit Victualien. Sie werden nächstens die Gränzen beziehen. So eben kamen wieder 2 Kompagnien Landesvertheidiger mit Trommeln und Pfeifen. Es muß irgendwo Unrath drohen.

5 Uhr abends. Die Neustadt wimmelt von Menschen, die den Sandwirth erwarten. Vor 2 Stunden sind ihm 15 Metzger, an ihrer Spitze Wolfgang Natterer, gleich gekleidet, mit grünen Federbüschen auf den Hüten, voran einen Trompeter, entgegen geritten. Auf seiner Reise ist der Sandwirth auch nach Passeyer gekommen. Die Nachbarschaft gieng ihm entgegen; es wurde aus Pöllern geschossen. „Grüß di Gott, Anderl!" bewillkommten sie ihn. Sein Weib weinte vor Freude. Er bringt nun 23 Kompagnien; einige sind schon hier; andere giengen über die Ellbögener Straße.

8 U. abends. Nun kam der Sandwirth. Seine Kutsche, mit den 4 Spaurschen Schimmeln bespannt, war von mehr als 20 Reitern umgeben. Von der Triumphpforte bis zur Hofburg links und rechts stand eine Menge Volk; laut ertönte das Vivat! Doch hörte man mitunter auch pfeifen.

Den 10. September. Heute wird wieder der heil. Johann von Nepomuk von Kindern aufgeführt.

Vorgester lieferten die Gassenbuben der Stadt jenen aus der Kothlacke auf dem Saggen eine Bataille. Die Waffen waren Steine, mit denen jeder die Säcke gefüllt hatte. Viele trugen blutige Köpfe davon. Das Feld behaupteten die Städter, obwohl die minder zahlreichen. Die Polizey brachte sie endlich zur Ruhe.

Den 11. September. Verordnung des Sandwirths: Tanzmusik ist nur bei Hochzeiten erlaubt; die Polizeystunden sind genau einzuhalten; während dem Gottesdienste darf in den Wirthshäusern keine Speise und Trank abgereicht werden; das nächtliche Herumschwärmen ist bey Leibesstrafe verbothen, etc.

Die angekommenen Kompagnien werden indessen auf die umliegenden Dörfer verlegt. Man sagt, die Russen haben sich für Österreich erklärt. Der Krieg soll wieder angefangen haben.

Auf seiner Rückreise ließ zu Matrey der Sandwirth den Marktrichter Gstirner vor sich kommen. Er sagte ihm: er habe Ursache, mit einigen Obrigkeiten unzufrieden zu seyn; einige seyen zu dumm, andere boshaft. Er wisse schon, daß mancher sage, die Befehle des Sandwirths seyen nur gut zum .....wischen und daß sie selbe nicht befolgen. Unter diese gehöre auch er, Gstirner. Dieser entschuldigte sich, erhielt aber den Befehl, nach Innsbruck zu kommen und sich zu vertheidigen. Hier hielt er ihm eine ähnliche Strafpredigt. Er sagte ihm unter anderen: „Sie müeßn öppar nit glabn, i red mit Ihnen als Sandwirth; i red im Namen des Kaisers und des Prinzen Johann.“

Der Sandwirth ist den ganzen Tag beschäftigt. Wer weniger als 3 Stunden zu antichambriren braucht, kann von Glück sagen, so sehr wird er überlaufen.

Ich war auf der Brandstätte des Dellatorrehofes. Es ist doch schade um das schöne Haus. Die Küche, in der der Beständner mit Weib und Kindern nun wohnt, blieb unbeschädigt; in der Kapelle auch, was sonderbar ist, der Altar mit seinen Wachskerzen.

Den 12. September. Die Innsbrucker Zeitung erscheint das erstemal wieder. Darin steht eine Proklamation des Sandwirths an die Welschtiroler mit der Anrede: „Herzallerliebste Wälsch-Tiroler"! Er muntert sie zur Gottesfurcht und Frömmigkeit auf. Sie gefällt mir, ihrer redlichen Einfalt und des guten Willens wegen, ungemein.

Im Lande hat man nun 24 Kanonen. So tätig wie jetzt wurde die Landesverteidigung noch nie betrieben. Der Sandwirth war 2 Tage in Hall.

Den 13. September. Magnus de Lama, der beym Sandwirth arbeitet, sagt mir, die Verbindung Tirols mit Zillerthal, Pinzgau und Pongau sey nun traktatmäßig hergestellt. Diese Thäler haben sich erbothen, 10/m Landesverteidiger zu stellen.

Den 14. September. Zu München starb der ehrwürdige Graf von Sarnthein als ein unschuldiges Opfer der französischen Grausamkeit. Welch' ein harter Schlag für seine zahlreiche Familie!

Den 15. September. Die Vertheidigungsanstalten werden mit Eifer fortgesetzt. Innsbruck muß 6 Kompagnien stellen. Ein Barbirer sagte mir, er habe einige blessierte Bauern nicht zurück halten können; mit dem Verbande zogen sie wieder aus. Durch die glücklichen Ereignisse ist der Muth der Bauern ungemein gestiegen. Sie vertrauen auf Gott, der ihnen sichtbar geholfen habe, und lachen über die Macht des Feindes, der mit Furcht geschlagen sey. Seit einigen Tagen wird von den Bauern jeden Abend der Zapfenstreich geschlagen.

Der Professor der Theologie Isser wurde seiner Professur entsetzt; — Hr. v. Froschauer sollte gestern 15 ad posteriora erhalten, weil er nachtheilige Gerüchte ausgestreut; es wurde noch vermittelt. Aus des Sandwirths Gnade kam er mit einmonatlichem Hausarrest davon.

Den 16. September. Der Franziskaner Tutzer las mir die Beschreibung der Greuelscenen von Schwaz vor, deren Augenzeug er war. Was ich oben davon meldete, ist nur ein Schatten davon. Auf dem letzten Rückzug setzten die Baiern ihrer Unmenschlichkeit noch die Krone auf. Das zugerichtete Bauholz steckten sie in Brand, die aufgestellten Dachstühle rissen sie wieder ein; einige Menschen verlohren wieder das Leben. - Tutzer überreichte dem Sandwirth eine Bittschrift, in einer gewissen Gegend für das Kloster sammeln zu dürfen. „Viath (fiat) es soll geschöhen und will ihn böstens empfolen hoben", war das Indorsat darauf.

Den 17. September. Es verbreiten sich lauter gute Nachrichten; die Österreicher und Russen sollen Wien inne haben; Prinz Johann komme bis 28. d. M. ins Tirol etc. Die Bauern nennen den Sandwirth durchaus Herr Vater!

zu Fortsetzung Teil 3



Quelle: Dr. Franz Schumacher (Hrsg.), Anton Knoflach's Tagebuch über die Ereignisse in Innsbruck im Jahre Neun, "Anno Neun", XIII. Bändchen, Innsbruck 1909.

Rechtschreibung behutsam angepasst.
© digitale Version www.SAGEN.at, Wolfgang Morscher 2009.