Der Sieg am Bergisel am 13. August — wie eine Frau ihn erlebte



Innsbruck, den 23. August 1809

Liebe Schwägerin!

Soeben erhalte ich Deinen Brief vom 22. dies und eile, Dein Verlangen zu befriedigen, indem ich Dir zugleich recht herzlich für Deine Teilnahme an uns Dank sage; ein paarmal während der Sturmzeit sagten meine Kinder: Sie werden in Bozen gewiss recht um uns bekümmert sein, wenn sie doch nur wüssten, dass es uns recht gut geht! Und ja, liebe Schwester, ich bin dem lieben Gott nie genug dankbar, dass er immerfort so gut gegen mich ist; wo ich hinkomme, wird geklagt, gejammert, vom Schaden dieser oder anderer Art erzählt, dass einem oft die Haare gen Berg stehen, und ich habe so nichts außer der Einquartierung, die uns Eingehäusen diesmal wie die Hauseigentümer traf, so gar nichts sonst gelitten, habe alle Nacht ruhig geschlafen und bin samt allen im Hause völlig gesund geblieben. Freilich stieg der Kummer vom 13. August bis den andern Tag abends aufs höchste, denn über den Ausgang der Sache war man so ungewiss, so voll Dunkel, die Last der Einquartierung drückte bis zum Verzweifeln, die B. wollten kostbar bewirtet sein, und kein Bauer kam nicht mehr in die Stadt; meine Hühner und Enten gingen mir zu Ende, und es war kein Fleisch, kein Schmalz, kein Butter, keine Milch, keine Eier mehr zu bekommen, auch an Brot mangelte es, solch eine Angst wie die zwei Tage in der blockierten Stadt habe ich in meinem Leben nicht gelitten. Die Brunnenröhren wurden abgeschnitten; man soll sich mit Wasser versorgen, wurde am Sonntag den 13. in den Häusern angesagt. Ich ließ Zuber voll Wasser füllen. Die Teuerung und Höhe der Preise für Lebensmittel kannst Du Dir vorstellen. Endlich retirierte die Menge Menschen, wie die Not am höchsten war. O wie gerne hörten wir sie abmarschieren; sie zogen alle durch unsere Gassen ruhig und still, der Zug dauerte von ½ 10 Uhr nachts bis ½ 3Uhr in der Früh. Dipauli war bei der Hofkommission und reiste zu rechter Zeit wieder ab. Der biedere alte Sarnthein und der rechtschaffene Schneeburg haben ein hartes Schicksal erlebt, von hier bis Kufstein wurden sie auf einem Leiterwagen geführt, von dort aber mit der Post in einer Kutsche etwas bequemer und weiter transportiert. Wir leben nun hier gegenwärtig wieder so ruhig wie zuvor und wünsche ich, dass die Zukunft der gegenwärtigen Ruhe entsprechen möchte! Noch wünsch' ich Dir den ganzen Hergang so kurz als möglich zu erzählen: Am 29. Juli, ich war just im Bad, so gut wie dieses Jahr schlug mir noch kein Bad an, ich bin viel stärker als zuvor, meine Kinder kamen mich zu besuchen und brachten mir die Nachricht des Waffenstillstandes. Wie ich nach Hause ging, war die Stadt voll Bauern, rasend über die Nachricht, rissen sie die angeschlagenen Zettel ab, sagten von Lügen und drohten, dass in kurzer Zeit alles anders kommen werde, von dort an war kein Bauer mehr zu sehen bis zum 15. August. Am 30. Juli abends um 6 Uhr zogen die Bayern ein; die Entfestung der Stadt, das Erschießen zweier Bauern im Hofgarten, das Niedertreten und gänzliche Ruinieren der Felder im Saggen und Wilten, wo die Lager standen, das Einquartieren in die Stadt, als Regenwetter eintrat, folgte aufeinander; so großstädtisch sah ich Innsbruck noch nie, es wimmelte den ganzen Tag von Menschen und Pferden, alles war in Tätigkeit, Heu, Haber, Getreid, Bier, Fleisch wurde den ganzen Tag geführt, getragen, geschoben, dass es einem grauste über die Folgen! Tirol hat für sich kaum genug, jetzt dieser Konsum! Wo man ging, musste man sich durchdrängen.

Auf den Dörfern wurde ins Lager geraubt und geplündert, was taugte — denke Dir all den Frevel! Es wurde requiriert für die Blessierten und Kranken, endlich — am 11. August wurde ober Wilten von den Bauern angegriffen; der Telatori-Hof ober Hötting von den Bayern abgebrannt, er hatte eine prächtige Einrichtung drin. Am 12. war alles wieder ruhig, am 13., am Sonntag, während der Predigt des Pater Benedikt, der immer den Umständen anpassend sprach, wurde wieder geschossen, die Leute wurden unruhig, und er predigte nur eine halbe Viertelstunde. Es dauerte den ganzen Tag fort, der Hof von Lemmen, ehemals Koreth-Hof, brannte ab, man war in der bangsten Erwartung für die Stadt. Von ergeben oder retirieren wollte Lefebvre nichts hören — an allem litt man Mangel, die Läden waren geschlossen; die Bauern brachten nichts und — geben sollte man gut und viel! —Am 14. in der Früh regnete es fest, wurde also nicht geschossen, aber — angezündet eine Menge einzelne Höfe und Häuser, die Lager zogen sich der Stadt näher — abzubrennen war außen genug. Die Traute Indermauer und ich sprachen schon davon, durch welchen Gang von rückwärts wir uns auf die Felder flüchten wollten, wenn unsere Quartiere brennen — in der nämlichen Nacht retirierten sie gottlob! — Wie die Sache jetzt steht, schrieb Herr Schuler meinem Mann, wie's künftig stehen wird, weiß Gott! Lebe nun wohl und behalte lieb

Deine wahre Freundin
Karoline G.



Quelle: Brief von Karoline Gummer, Der Sieg am Bergisel am 13. August — wie eine Frau ihn erlebte, Es war kein Fleisch, kein Schmalz, kein Butter, keine Milch, keine Eier mehr zu bekommen, Originalbrief in Tiroler Privatbesitz, in: Wolfgang Pfaundler, Werner Köfler, Der Tiroler Freiheitskampf 1809 unter Andreas Hofer, Zeitgenössische Bilder, Augenzeugenberichte und Dokumente, München 1984, S. 188 - 189.

Rechtschreibung behutsam angepasst.
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