Der Weihizer

In Neukirchen lebte vormals ein Wirt, der schenkte nur soweit ein, als er den Daumen in den Krug brachte, und sein Daumen war hübsch lang. Er wurde drum so reich, daß er nimmer wußte, was er mit seinem Geld anfangen sollte. Einmal sagte er zu seinem Knecht: "Girgel, wenn du mir vom Frühläuten bis zum Abendglöckel so viel Stroh schneidest, als ich Geld hab, so kriegst du zehn Gulden von mir. Sonst mußt du mir zehn Gulden geben." Der Girgel schnitt den ganzen Tag Stroh und brachte einen gewaltigen Haufen Häcksel fertig. Aber der Wirt führte ihn abends zu seinem Geldhaufen, der war noch weit größer, man hätte den ganzen Böhmerwald dafür kaufen können. Da hatte der armselige Knecht seine zehn Gulden verspielt und der reiche Mann warf sie auf seinen großen, silbernen Geldberg.

Derselbe Wirt konnte zu gleicher Zeit auf zwei verschiedenen Orten sein: wenn sie das Heu einführten, war er auf der Wiese und zugleich in der Scheuer auch. Als er alt wurde, wollte er sein Gewissen zur Ruhe bringen, weil er den armen Leuten viel Schlechtes getan hatte. Drum ließ er eine Glocke gießen, und die war so breit, daß darunter leicht acht Paare hätten tanzen können. Hätte der Mann nur einen einzigen gerechten Heller bei dem Geld gehabt, das er für die Glocke hergegeben, so wäre ihm geholfen gewesen.

Nach seinem Hinscheiden litt es den Wirt nicht in der Grube, er mußte zur Strafe weihizen und auf der Kellerstiege sitzen. Vor dem Engelläuten durfte er niemandem etwas antun; wenn man aber später im Keller Bier holte, da rann nichts aus dem Faß, des Wirtes Geist ritt darauf, den Geldbeutel in der Hand. Oft klagte das Vieh nachts in den Stallungen, und wenn die Knechte hinaus rannten, fanden sie alle Türen offen und die Kühe biesten zitternd am Hof herum.

Einmal kehrte spät nachts ein reisender Pfarrer in das Wirtshaus ein, und weil ihm niemand mehr einen Krug Bier aus dem Keller holen wollte, stieg er selber hinunter und wollte das lästige Gespenst verbannen. Der Geistliche schlug drei Kreuze, aber das nutzte nichts, der Wirt hüpfte hurtig vom Faß herunter und schlug ihm den Geldbeutel aufs Hirn, daß er umfiel. Weil sie aber den Weihizer los sein wollten, schickten sie um den Bischof von Regensburg, und der verschaffte ihn in die wilde Schweiz.

Quelle: Hans Watzlik, Böhmerwald-Sagen, Budweis 1921 (Böhmerwalder Dorfbücher, 5. Heft)