Die Pest im Wald

Voralters ließ sich einmal ein Fremder über die Wulda fahren, er hatte lange dünne Beine und war abgehagert und trug einen roten Mantel und einen schwarzen Sack, davon ging ein schrecklicher Gestank aus. Der Unheimliche sagte zu dem Schiffsknecht: "Jetzt werden so viel Leichen sein als Tage im Jahr." Es sind aber ihrer viel mehr gestorben.

Die Dörfer Andreasberg und Ogfolderhaid starben bis auf die letzte Seele aus. Die Häuser standen leer und verfielen. Einen einzigen Knecht, er war bucklig, ging die Pest nicht an, denn einer mußte bleiben, daß die Leichen unter den Wasen kämen. Der Knecht fuhr durch die Ortschaften, warf die Toten auf einen Leiterwagen und führte sie nach Stein, dort schaffte er sie durch ein rotes Tor in den Freithof. Oft verlor er am Wege eine Leiche, und sie verweste, und selbst den Raben grauste vor ihr.

Wie die Leute schon meinten, die Welt gehe unter, flog ein Vogel durch den Wald, der rief allweil:

"Eßt Pumarell,
sterbt nit so schnell!
Eßt Enzigon,
ihr kommt davon!"

Da tranken die Leute Enziangeist und brauten aus Bibernell ein Säftlein, davon wurden sie gesund, und das Sterben nahm ein Ende. Das rote Freithofstor wurde vermauert.

Nach vielen Jahren bauten die Leute in Stein eine Wasserleitung. Wie sie so gruben, stießen sie auf einmal auf die Pestknochen, ganze Gerippe deckten sie auf, und man fand bei ihnen noch die Kreuzlein von den Rosenkränzen. Wie der Pfarrer dazukam, erschrak er und ließ die Knochen schnell wieder verscharren.

Quelle: Hans Watzlik, Böhmerwald-Sagen, Budweis 1921 (Böhmerwalder Dorfbücher, 5. Heft)