Die Pfullendorferin
Auf der Burg von Zug soll einst ein gar stolzes und gieriges Weib gewohnt haben, das aus dem alten Grafengeschlecht der Pfullendorf stammte. Das Volk nannte die Jungfrau daher nur die "Pfullendorferin". Sie besaß riesige Güter im nahen Zürichbiet, besonders viele Reben am Zürichsee. Auch die Bauern im Freiamt und im Knonaueramt mußten der reichen Herrin auf der Zugerburg alljährlich den großen Zehnten bringen. Am Sankt Martinstag,dem großen Zinstag der Bauern, zogen schon von der frühesten Morgenstunde die Bauern aus der Nachbarschaft gegen Zug und der Anmarsch der Zinsbauern war sehr groß. Wenn der erste Troßwagen mit dem Getreide und den Zinshühnern und Fischen vor der Burg stand, warteten noch bei der St. Niklauskapelle am Wege gegen Cham die letzten Wagen.
In Schwelgerei und Üppigkeit genoß die Pfullendorferin ihr
verschwenderisches Leben. Gewöhnlichen Wein verschmähte sie
mit bösen Worten, von den Fischen aß sie nur die Leber der
Trischen und kostete nur von seltenem Wild. In sündigem Übermut
verzehrte sie ihre ganze Habe und vertat ihr ganzes reiches Gut in verschwenderischer
Lust. Sie verarmte, mußte aus der Zugerburg ausziehen und wanderte
als Bettelweib nach Zürich. Dort verdarb sie in Armut, das Ungeziefer
fraß sie fast bei lebendigem Leib und der Hunger löschte ihr
lästerliches Leben aus. Noch heute zeigt man im Rathaus zu Pfullendorf
das Bild der gierigen, unersättlichen Burgfrau von Zug.
Quelle: Hans Koch, Zuger Sagen und Legenden, Zug 1955, S. 25