146. Zwei Rinder in einer Kette

"Ich bin gewiß nicht abergläubisch, und doch ist mir etwas passiert, wo es nicht mit natürlichen Dingen zugegangen ist," erzählte mir der allgemein als Freigeist bekannte Stega-Leart (Leonhard). "Eines Abends hatte ich mein Vieh im Stall im Montjol gut eingebunden und im besten Zustande verlassen. Als ich am folgenden Morgen wieder in den Stall kam, fand ich eine Kette leer, in einer andern dagegen zwei Rinder derart eingeklemmt, wie es keinem Menschen möglich gewesen wäre, es so zu machen. Lange Zeit mußte ich alle meine Kräfte anspannen, um die beiden Tiere aus ihrer unangenehmen und gefährlichen Lage zu befreien. Selbstverständlich zog ich mit meinem Vieh sofort in einen andern Stall; das zurückgebliebene Heu wurde erst im folgenden Jahre verfüttert.
Heinrich Hilty.

Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni, St. Gallen 1903, Nr. 146, S. 69f
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Irene Bosshard, Mai 2005.