281. Die bestrafte Hexe.

Ein Schmiedgeselle wurde, ohne eigentlich krank zu sein, alle Tage bleicher und schwächlicher.

Endlich klagte er seinem stark und munter gebliebenen Mitgesellen, in mancher Nacht, wann er zu Bette gegangen und eingeschlafen sei, komme jemand, werfe ihn: eine Halfter über, verwandle ihn in ein Roß, führe ihn so ins Freie hinaus und reite dann auf ihm bis zu anbrechendem Morgen über Stock und Stein in der Welt herum. - Er müsse fort von hier, wenn er nicht zu Grunde gehen wolle. Sein Kamerad aber beredete ihn, noch einige Zeit auszuharren, und heckte dann mit ihm einen Plan aus, dieser Plackerei abzuhelfen. Der Geselle blieb in einer bestimmten Nacht so lange auf seinem Bette wach, bis sein Quälgeist wieder kam, warf diesem dann sofort die Halfter selber um den Hals, und schon war dieser glücklich in ein Roß verwandelt. Voller Freude führte er hierauf das Ross zur Schmiede hinab, wo schon der andere seiner harrte. Nun wurde der Gaul mit Eisen beschlagen, hernach von beiden Gesellen bestiegen und fast totgeritten. Am kommenden Morgen lag die Meistersfrau schwer erkrankt im Bette, wollte aber nicht kundgeben, was ihr fehle. Der herbeigerufene Arzt konnte dies selbst nicht finden; wohl aber sah er, daß sie an Händen und Füßen mit Hufeisen beschlagen war.
J. Natsch

Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni, St. Gallen 1903, Nr. 281, S. 153f
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Irene Bosshard, August 2005.