184. An der Basatienwand
An der Basatienwand bei Sargans hört man in mondhellen Nächten oft ein Rufen, Wimmern und Klagen. Das rührt von zwei Liebenden her, die dort unselig gestorben sind.
Im Proder Feld wohnten sie, Rupp, der kühne Junge und seine Mathilde. Einst kam Graf Kuno, dem das Mädchen auch gefiel, aus dem Tale herauf. Er wollte die Maid frech entführen; Mathilde aber weigerte sich, auf sein Schloß zu kommen. Er befahl seinen Knechten, die Widerspenstige einzufangen und ihm aufs Roß zu bringen; im roten Gemach des Schlosses sollte sie Gehorsam lernen.
Nun eilte Rupp herbei und wollte sich seiner Braut annehmen; aber Graf
Kuno befahl, man solle ihn binden und in den tiefen Turm werfen. Der entschlossene
Jüngling wirft den ersten Schloßknecht nieder; als aber die
andern auf ihn eindringen, faßt er seine Braut und stürzt sich
mit ihr über die Felswand hinab. Der frevelnden Hand sind sie entronnen;
aber ein freiwilliger Tod führt immer zu einem, unseligen Ende. Bis
zum jüngsten Tag müssen sie dort mit Rufen, Wimmern und Klagen
ihre Sünde büßen und müssen die Stelle unheimlich
machen, wenn nicht eine unschuldige Seele, eine reine Jungfrau, sich ihrer
erbarmt und sie erlöst.
Nach Dr. A. Henne
Quelle: Sagen des Kantons St. Gallen, Jakob Kuoni,
St. Gallen 1903, Nr. 184, S. 86
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Irene Bosshard, Juni 2005.