SELBSTMORD DES PILATUS
Im Jahr Christi 41 hat Landpfleger Pilatus, durch viele Bedrängungen vom Kaiser Cajus zerknirscht, sich selbst umgebracht, und wie sein Körper in die Tiber geworfen worden, da haben die bösen Geister, seinen Körper an sich reißend, bald in jenen Gewässern Überschwemmungen veranlaßt, bald in der Luft durch zusammengetriebene Wolken mit Blitz und Gewitter, Hagel und Donnerschlägen die Menschengemüter erschreckt.
Daher ward sein Körper aus dem Tiber genommen und bei Vienne in den Rhodanus (Rhone) geworfen. Die Einwohner dieser Stadt aber, welche die Sturmluft und der bösen Geister Unwesen nicht aushalten konnten, haben den obenauf schwimmenden Körper von sich getan und in den benachbarten Alpen in irgendeinen tiefen Brunnen gesenkt.

        Der ehemalige Pilatussee (heute ein Moor), Luzern
        © Hermann 
        Lichtsteiner, Herbst 2003
        Emailzusendung vom 4. April 2005
Anmerkung:
Angeblich soll Pilatus im Pilatussee am Pilatus bei Luzern in der Zentralschweiz 
        versenkt worden sein. Im Mittelalter war es verboten, sich diesem See 
        zu nähern. Falls es doch geschehen sollte, das jemand ohne Erlaubnis 
        des Luzerner Rates dort hinaufzusteigen wagte, war ihm die Strafe, einige 
        Tage im Turm, gewiss. Angeblich soll der Geist des Pilatus wütend 
        werden, wenn man ihm in seiner Ruhe störe, indem man Steine in den 
        See warf. Kurz nach dieser Tat soll immer ein Gewitter über Luzern 
        kommen. Doch gegen Ende des Mittelalters wurde es immer mehr als Aberglaube 
        interpretiert. Bereits im 16.Jahrhundert schrieb Renward Cysat, der Luzerner 
        Stadtschreiber, dass dies ein alter Aberglaube sei. Es ist aber noch anzumerken, 
        das Cysat ein moderner, der Wissenschaft aufgeschlossener Mensch war. 
        Die meisten Menschen, viele auch des Rates glaubten noch zu dessen Zeit 
        an den Geist, warscheinlich Cysat selbst auch ein wenig, obwohl er es 
        nicht zugab. Er sammelte zu seiner Zeit sehr viele Sagen zusammen, welche 
        heute in Vergessenheit gekommen wären. Der See aber wurde, nachdem 
        der Rat sich vergewisserte dass nichts passiere,
        gesenkt. Heute steht nur noch ein Moor an dessen Stelle. Noch in der Zeit 
        um 1842 kamen (wenn auch selten) Pilger von Rom nach Luzern um diesen 
        See und den Berg zu sehen.

Einer der Vier Pilatusgipfel, der Esel
        © Sepp 
        Bacher
        Quelle: F. L. F. von Dobeneck, Des deutschen Mittelalters 
        Volksglauben und Heroensagen II, Berlin 1815 (Neudruck Hildesheim 1974), 
        S. 117f. (nach der Chronica Sancti Aegidii, bei Leibnitz, Scriptorib. 
        rer. brunsv. T. 3, S. 561)
        aus: Historische Sagen, Leander Petzoldt, Schorndorf 2001, Nr. 6, S. 8
Quelle Anmerkung: Email-Zusendung von Sepp Bacher , 25. August 2002