RUSTEMS DRACHENKAMPF

Schon in frühester Jugend zeichnete sich Rustem, der Sohn des Königs Säl, durch ungewöhnliche Heldentaten aus. Als er zwölf Jahre alt war, wurde er Zeuge davon, wie eine Gesandtschaft des Sultans von China bei seinem Vater um Hilfe gegen einen Drachen bat, der alle Freitage aus dem Meere stieg, Feuer spie und alles, was in seine Nähe kam, auffraß oder verbrannte. Vergeblich bat Rustem seinen Vater, ihn gegen den Drachen ausziehen zu lassen. Säl verbot ihm streng, den Kampf zu versuchen. Rustem aber ließ von seiner Absicht dennoch nicht ab. Weil die Rosse aus dem Stalle seines Vaters nicht stark genug waren, die Probe zu bestehen, die Rustem ihnen auferlegte, bestieg er ein Füllen, das aus dem Meere ans Land gekommen war; weil der Schmied ihm keine Rüstung schaffen konnte, die ihm passend schien, holte er die verrostete Rüstung seines Großvaters Sam herbei, die bisher ihrer Schwere wegen niemand hatte anlegen können, und so zog er in die Welt.

Unterwegs begegnete ihm ein mächtiger Riese, der hatte einen Mühlstein als Keule an einen Baumstamm gesteckt und ging so auf Rustem los. Dieser aber hatte den Riesen bald besiegt, der nun versprach, Rustem zu dienen, wenn er ihm das Leben schenken wolle. Darauf ging der Held ein, und nun ging es zu zweit dem Drachen entgegen. Der Riese wußte guten Rat, wie Rüstern den Drachen sicher besiegen könne. Er machte eine Kiste mit zwei Türen, in die der Held sich setzen sollte. Diese Kiste war außen mit Stacheln und Messern besetzt und wurde dem Drachen in den Weg gelegt. Wirklich verschlang das Untier die Kiste, und nun zerschnitten und durchstachen die Messer und Stacheln seine Eingeweide; Rustem öffnete die Türen der Kiste, trat heraus und tötete den Drachen vollends von innen heraus.

So war das Untier erlegt, der Sultan von China aber gab Rustem als Lohn für diese kühne Tat seine Tochter zur Frau.


Quelle: Oskar Ebermann, Sagen der Technik, o. J., S. 78