DIE GRÜNDUNG HILDESHEIMS

Die Gegend, in der heute Hildesheim liegt, war früher von häßlicher Wildheit entstellt, von Sümpfen bedeckt, von Wäldern starrend und gut zur Jagd.

Kaiser Ludwig der Fromme, der Sohn Karls des Großen, hatte die Absicht, die Kirche zu Elze zum Haupt und Sitz eines Bistums zu erheben, und besuchte diesen Ort häufig. Einmal überschritt er in der Leidenschaft der Jagd die Leine und ließ an der Stelle, die jetzt die Kirche von Hildesheim einnimmt, sein Zelt aufschlagen, hörte dort auch bei den herübergebrachten Heiligtümern aus der königlichen Kapelle die Messe. Nach Gottes Vorsehung waren das aber die Heiligtümer der Gottesmutter Maria.

Als der König nach Elze zurückkehrte und dort die Messe hören wollte, erinnerte sich der Kaplan, daß er die Heiligtümer im Walde vergessen hatte. Vom Stachel der Angst getrieben, ging er zurück und fand sie da, wo er sie hingehängt hatte, nämlich am Ast eines Baumes, der eine sehr klare Quelle beschattete. Aber, o Wunder, die Heiligtümer, die er leicht mit der Hand aufgehängt hatte, vermochte er mit keiner Anstrengung wieder abzunehmen. Er lief zurück, um dem Kaiser die wunderbare Nachricht zu melden; dieser eilte schnell herbei und ließ eine Kapelle an der Stelle errichten. Den Ort, von dem dadurch erwiesen war, daß er der Gottesmutter so sehr gefallen hatte, begann König Ludwig mit allem Eifer zu fördern und machte ihn anstatt Elze zum Hauptsitz des Bistums.


Quelle: Karl Werhan, Die deutschen Sagen des Mittelalters, 2 Bde., München 1920, Nr. 42 (nach Bauer, Geschichte von Hildesheim, H. 1891).
aus: Historische Sagen, Leander Petzoldt, Schorndorf 2001, Nr. 58, S. 41