DER WUNDERBARE BAUMGARTEN

Große Wunder wirkte Virgilius in seiner Zeit, denn er erschuf einen großen und schönen Baumgarten hinter dem Palast, darin er wohnte, und in diesen Baumgarten stellte er alle Arten fruchttragender Bäume und vielerlei Arten von Krautern, die aus der Erde wuchsen. Und wenn die Zeit kam, so sah man darin täglich reife Früchte; auch fehlte es da nicht an schönen Blumen. In der Mitte dieses Baumgartens stund ein schöner Springbrunnen, der schönste und lustigste, den man je gesehen haben mochte. Auch war er mit allen Arten von Vögeln geziert, die den Tag und die Nacht immer sangen und sich begatteten. Und dieser Baumgarten war nicht anders als mit der Luft beschlossen, und kein Vogel mochte hinausfliegen. Und draußen hörte man wohl den Gesang der Vögel, die in dem Baumgarten sangen; aber niemand mochte hineinkommen. Auch alle Arten zahmer Tiere, die dem Menschen nützlich sind, fand man in dem Baumgarten. Und aus dem Wasser, das aus dem Springbrunnen lief, machte er einen Weiher um den Baumgarten, das klarste Wasser, das je gesehen ward, und alle Arten von Fischen sah man darin. So waren in dem Garten alle Arten von Ergötzlichkeiten, sowohl Krauter als Bäume, Vögel und Tiere, die sich ein Mensch nur erdenken konnte. Auch tat er noch größere Dinge, denn er machte ein Kellergewölbe in die Erde, darein er seine Schätze legte, und stellte zwei große Männer vor dieTüre des Kellers, seinen Schatz zu bewachen; ein jeglicher hatte in seiner Hand einen großen, furchtbaren Hammer, und schlugen damit abwechselnd so entsetzlich auf einen großen Amboß, daß kein Vogel vorbeifliegen mochte, sondern von dem Schall der Hämmerschläge tot zur Erde fiel. Und sonst hatte Virgilius keine Hut bestellt, sein Gut zu bewahren.


Quelle: Text nach dem Volksbuch 'Eine schöne Historie von dem Zauberer Virgilius, seinem Leben und Tod und den wunderbaren Dingen, die er durch Negromantie und mit Hilfe des Teufels vollbrachte. Frankfurt am Main. Druck und Verlag von H. L. Brönner. Gedruckt in diesem Jahr, ed. Simrock, S. 26 f.
aus: Historische Sagen, Leander Petzoldt, Schorndorf 2001, Nr. 13, S. 15