Herzog Hans I. von Sagan [Żagań] und der Abt

Herzog Hans I. von Sagan war ein gar wüster und grausamer Gesell. Einmal trat der Abt des Augustinerklosters vor ihn und hielt ihm eine scharfe Bußpredigt. Herzog Hans aber lachte nur, wies auf den neuen Turm und sagte: „Pfaffe, wenn dieser starke Kirchturm einfällt oder eine wilde Gans allein fliegen wird, will ich dir glauben." Danach ließ er ihn blenden.

Kurz darauf, am 12. Februar 1439, geschah es, daß der feste Kirchturm ohne Ursache und Anlaß zusammenstürzte, niemanden aber verletzte als den Wächter, der einen lahmen Fuß davontrug. Der humpelte eilig zum Herzog und verkündete ihm das Unglück. Der Herzog geriet in große Angst und befahl, seinen Wagen anzuspannen, um wegzufahren. Als er noch einmal zum Fenster hinausrief, daß man eilen solle, sah er eine wilde Gans fliegen. Darüber erschrak er aufs heftigste. Furcht und Angst machten ihn krank. Der Pater Martin besuchte ihn und vollendete, was der Turm angefangen hatte. Bittere Tränen vergoß der Herzog um seine Taten. Da erschien der Satan und sagte zu ihm: „Sieh, du Feiger, hast du dich losgemacht mit deinem Weinen?"

Sonntag nach Ostern starb der Herzog und ward in der Saganer Klosterkirche begraben, und zwar nach seinem Begehren in der Mitte der Kirche, damit die Geistlichen, die er im Leben so sehr beleidigt hatte, ihn mit den Füßen treten möchten.


Quelle: Sagen aus Schlesien, Herausgegeben von Oskar Kobel, Nr. 16